Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob öffentliche Auftraggeber bestimmte Dateiformate wie GAEB bei der Angebotsabgabe vorschreiben können.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Halten sich Bieter bei der Abgabe des elektronischen Angebots nicht an ein vom Auftraggeber vorgegebenes Dateiformat, können die Folgen erheblich sein: Der Auftraggeber muss die Inhalte mit hohem Aufwand zugänglich und verarbeitbar machen. Darüber hinaus besteht die grundsätzliche Frage, wie mit dem Formverstoß umgegangen werden muss.

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil XIII ZR 14/21, verkündet am 16. Mai 2023) hierzu ausführlich Stellung genommen.

I. Der Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich aus. Laut Vergabeunterlagen war das Angebot „elektronisch in Textform“ abzugeben, wobei zusätzlich gefordert war:

„Angebotsschreiben Teile der Leistungsbeschreibung: Leistungsverzeichnis Leistungsprogramm als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 Hinweis: Vom Auftraggeber wurde eine sog. Auftraggeberlizenz des Softwareprogramms WinGAEB erworben, welche den Bietern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Damit können Angebot[e] auf elektronischem Weg bearbeitet und gespeichert werden.“

Die spätere Klägerin gab das günstigste Angebot ab. Die Angebotsunterlagen waren jedenfalls im PDF-Format vollständig; strittig blieb allerdings, ob sie das Angebot auch in Form einer GAEB-Datei übermittelt hatte.

Der Auftraggeber schloss das Angebot der Klägerin von der Prüfung aus, weil es nicht als GAEB-Datei eingereicht worden sei. Letztendlich wurde der Auftrag an ein Drittunternehmen vergeben. Daraufhin begehrte die die Klägerin Schadensersatz für den ihr entgangenen Auftrag nebst Rechtsverfolgungskosten und Rechtshängigkeitszinsen.

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II. Die Vorinstanzen

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin hat das Oberlandesgericht Köln das Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Angebot der Klägerin habe nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen werden dürfen. Die unstreitig eingereichten PDF-Dokumente entsprächen der vom Auftraggeber in den Ausschreibungsbedingungen gewählten Textform. Ob die Klägerin das Leistungsverzeichnis darüber hinaus auch als GAEB-Datei eingereicht habe, sei unerheblich. Die diesbezügliche Vorgabe des Beklagten sei keine Festlegung im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016. Die Vorschrift nenne als mögliche Formen nur die Schriftform und die elektronische Form, wobei bezüglich der elektronischen Form nach Wahl des Auftraggebers die Übermittlung in Textform oder mit einer fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur vorgesehen seien. Eine darüberhinausgehende Befugnis, bestimmte Dateiformate vorzugeben, lasse sich der Regelung nicht entnehmen. Der Beklagte hätte deshalb die angeblich fehlende Datei nach § 16a Satz 1 VOB/A 2016 nachfordern müssen, was nicht geschehen sei. Infolge der Pflichtverletzung könne die Klägerin Ersatz des Gewinns verlangen, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte.

III. Das Urteil des BGH

Das sieht der BGH anders. Auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts könne nicht angenommen werden, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Gewinns zustehe, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte (§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB).

1. Zu den Voraussetzungen des Schadensersatzes

Nach Ansicht des BGH sei die Grundannahme des Berufungsgerichts zutreffend: Durch die Teilnahme der Klägerin an der Ausschreibung sei ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande gekommen. Dieses verpflichte die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme und begründe auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten. Deren Verletzung könne Schadensersatzansprüche auslösen.

Das Berufungsgericht hätte aber auf der festgestellten Tatsachengrundlage nicht annehmen dürfen, dass der Auftraggeber durch den Ausschluss der Klägerin eine entsprechende Rücksichtnahmepflicht verletzt habe. Denn es habe offengelassen, ob die Klägerin das Angebot auch als GAEB-Datei eingereicht hat. Somit sei zugunsten der Revision zu unterstellen, dass dies nicht erfolgt sei.

Unter dieser Annahme könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Auftraggeber das Angebot zu Recht ausgeschlossen hat (§ 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016).

In der weiteren Begründung hat sich der BGH intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie weit der Auftraggeber Form und elektronische Mittel der Angebotsabgabe vorschreiben könne.

2. Zur Form der Angebotsabgabe

Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen verweist der BGH darauf, dass der Auftraggeber festlegt, in welcher Form die Angebote einzureichen sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016). Elektronische Angebote seien nach Wahl des Auftraggebers in Textform oder mit einer (fortgeschrittenen oder qualifizierten) Signatur zu übermitteln, wenn der Auftraggeber die elektronische Kommunikation vorgegeben hat. In diesem Fall übermitteln die Unternehmen nach § 11 Abs. 4 VOB/A 2016 ihre Angebote in Textform mithilfe elektronischer Mittel und versehen sie gegebenenfalls mit der vorgegebenen Signatur.

Somit bezeichne die „Form“ einer Erklärung die Anforderungen an die Art und Weise ihrer Verkörperung und Abgabe. Nach Ansicht des BGH lasse der Wortlaut der Bestimmung die Auslegung zu, dass die Form eines Angebots auch die bei seiner Einreichung zu verwendenden elektronischen Mittel umfasst.

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3. Zum elektronischen Mittel

Die bei der Abgabe eines Angebots verwendeten elektronischen Mittel bestimmten die Art und Weise der Verkörperung des Angebots und seiner Abgabe. Da es im Unterschwellenbereich keine Definition des Begriffs der elektronischen Mittel gebe, könne die in § 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016 enthaltene Definition herangezogen werden. Danach seien „elektronische Mittel“ Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung (§ 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016, so auch § 9 Abs. 1 VgV). Schon nach dem Wortlaut umfasse der Begriff der elektronischen Mittel danach auch Softwareprogramme, die der elektronischen Datenübermittlung dienen.

Das ergebe sich auch aus der EU-Vergaberichtlinie, wonach (Datei-)Formate für die Einreichung von Unterlagen seitens der Bewerber und Bieter vorgegeben werden können (s. Erwägungsgründe 52 und 53 sowie Art. 2 Abs. 1 Nr. 13 und Nr. 19, Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie).

Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Berufungsgerichts seien elektronische Mittel im Sinn der Richtlinie 2014/24 daher nicht lediglich Kommunikationsmittel ohne Aussage zur Vorgabe von Dateiformaten. Dementsprechend könne der Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind. Unter den Begriff der Form könne daher auch die Vorgabe elektronischer Mittel (Anmerkung: und damit der Dateiformate) fallen, ohne dass dies die Wortlautgrenze des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A überschreiten würde.

Für dieses Ergebnis spreche auch der systematische Zusammenhang der in Rede stehenden vergaberechtlichen Vorschriften: Da der Auftraggeber das Recht habe, die bei der Einreichung der Angebote zu verwendenden elektronischen Mittel zu bestimmen, könne er auch die Verwendung der dafür erforderlichen Dateiformate vorgeben. Formgerecht übermittelt beziehungsweise eingereicht sei das Angebot deshalb nur, wenn dies mithilfe der vom Auftraggeber vorgegebenen elektronischen Mittel erfolgt.

Letztlich entspreche dieses Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 13 VOB/A. Die Bestimmung solle den ordnungsgemäßen Wettbewerb im Vergabeverfahren sichern, Chancengleichheit und Transparenz gewährleisten und insbesondere der Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Angebote für die Wertungsphase dienen. Unter Effizienzgesichtspunkten verhindere die Vorgabe von Dateiformaten beim Auftraggeber zusätzlichen Aufwand, der durch die gegebenenfalls erforderliche Umwandlung und Überprüfung von Angeboten anfällt, bei deren Einreichung andere elektronische Mittel und Dateiformate verwendet worden sind. Diese Funktion könnte nicht erfüllt werden, wenn eine Verletzung entsprechender Vorgaben keinen Ausschluss des Angebots zur Folge hätte.

Den Vortrag des Auftraggebers – wie revisionsrechtlich geboten – als richtig unterstellt, sei das Angebot daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016 auszuschließen. Da schon kein formgerecht übermitteltes Angebot gegeben sei, stelle sich die Frage nach der Nachforderung von Unterlagen nicht.

Das Berufungsurteil könne daher keinen Bestand haben, sondern sei aufzuheben. Die Sache sei zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Dabei werde das Berufungsgericht gegebenenfalls unter Berücksichtigung des im Revisionsverfahren erfolgten Vortrags Feststellungen dazu zu treffen sowie zu bewerten haben, ob das vom Beklagten vorgegebene Softwareprogramm die Anforderungen von § 11a VOB/A erfüllt.

IV. Hinweise für die Praxis

Der Praktiker erhält durch das besprochene Urteil des BGH Handlungssicherheit. Zur Form der Angebote gehören auch Dateiformate, die vom Auftraggeber vorgegeben werden dürfen. Allerdings sind aus Sicht der Vergabestelle unbedingt insbesondere die folgenden Anforderungen zu beachten:

„Elektronische Mittel und deren technische Merkmale müssen allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein“

§ 11 a Abs. 1 Satz1 EU VOB/A, § 11 Abs. 1 Satz1 VgV

Bei spezialisierten Formaten wie GAEB ist die Bereitstellung des Softwareprogramms WinGAEB durch den Auftraggeber ein probates Mittel, um den Bietern die Erstellung ihres Angebots in diesem Format zu ermöglichen.

Das Urteil ist auch unter dem Aspekt des Schadensersatzes für Praktiker von Bedeutung: Ist ein Angebot zwingend auszuschließen, kann ein Anspruch auf Schadensersatz logischerweise nicht auf die Nichtberücksichtigung des Angebotes gestützt werden. Der Vorsitzende des XIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, Herr Prof. Dr. Kirchhoff, hatte hierzu unlängst anlässlich des zweiten von der cosinex durchgeführten Vergabesymposiums in Bochum die Grundzüge der aktuellen Rechtsprechung des BGH zum Schadensersatzanspruch referiert.

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