Vergaberecht

Werden die Ausschreibungsbedingungen entsprechend gestaltet, so ist der Rückgriff auf frühere Angebote ohne Neuausschreibung möglich. Wir sprachen mit dem Vergabeexperten Otmar Walter über den Rückgriff auf frühere Angebote durch den Wechsel des Auftragnehmers ohne neues Vergabeverfahren. Otmar Walter ist freier Buchautor und beim Landkreis Göttingen mit Ausschreibungen befasst.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Herr Walter, welche Gründe kann es geben, aus denen ein Auftraggeber auf frühere Angebote zurückgreifen muss?

Es kann vorkommen, dass der öffentliche Auftraggeber den Vertrag bald nach Zuschlagserteilung wieder lösen muss, weil der Auftragnehmer nicht vertragsgemäß leistet. Als weitere Gründe kommen die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Leistung durch den Auftragnehmer oder eine andere schwerwiegende Vertragsverletzung aus dem Verantwortungsbereich des Auftragnehmers für die Lösung des Vertrages in Betracht.

Stellt sich schon bald nach der Vergabe des Auftrages heraus, dass der Auftragnehmer Vertragsverletzungen begeht, die den öffentlichen Auftraggeber zur Lösung des Vertrages berechtigen, kann ein Rückgriff auf die Angebote aus dem erst kürzlich durchgeführten Wettbewerb durchaus eine sinnvolle Lösung darstellen.

Wie häufig kommt das aus Ihrer Praxiserfahrung vor?

Die Lösung des Vertrages kurz nach der Auftragsvergabe stellt sicherlich nicht den Regelfall dar. Es gibt aber Verträge, die besonders anfällig für Verletzungen sind. Insbesondere dann, wenn der Auftragnehmer das für die Erfüllung des Dienstleistungsauftrages benötigte Personal erst nach Zuschlagserteilung einstellt oder Zulieferungen für die Fertigung der vom öffentlichen Auftraggeber bestellten Ware zu spät veranlasst, lässt sich feststellen, dass nicht vertragsgemäß geleistet wird und deshalb die Lösung des Vertrages durch den öffentliche Auftraggeber zu erwägen ist.

Auftraggeber erwarten sicher nicht, dass bei der Ausführung der Leistung am ersten Tag alles zu 100 % läuft. Gelingt es dem Auftragnehmer aber nicht, zeitnah für Abhilfe zu sorgen, bleibt oftmals nur die Lösung des Vertrages zum Beispiel in einer vereinbarten Probezeit übrig.

Warum nicht einfach ein neues Vergabeverfahren anstoßen?

Dies ist sicherlich bei Leistungen, die nicht sofort benötigt werden, möglich. Ist der öffentliche Auftraggeber aber auf die unterbrechungsfreie Leistung angewiesen, steht oftmals für ein weiteres Vergabeverfahren mit den entsprechenden Fristen keine ausreichende Zeit zur Verfügung. Denn es wird Zeit für die Änderung der Vergabeunterlagen, die Begründung für einen beschränkten Wettbewerb und die Prüfung der Eignung von Firmen benötigt, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen.

Weiterhin wird Zeit für die Prüfung und Wertung der neuen Angebote sowie die Auftragsvergabe gebraucht. Die Zeit zwischen dem Ende des gelösten Vertrages und nächsten notwendigen Ausführung der Leistung reicht bei einigen Aufträgen nicht aus, um ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der öffentliche Auftraggeber auf die fortwährende Ausführung der Leistung aus Gründen der Versorgungssicherheit angewiesen ist.

In diesem Zusammenhang ist an die Einsammlung von Abfällen aus Haushalten oder die Reinigung von Gebäuden vor dem Hintergrund des Infektionsschutzes zu denken. In derartigen Bereichen können die Bürger oder die Nutzer des Gebäudes nicht auf eine spätere Leistung vertröstet werden. Die Vergabe eines Übergangsauftrages mit kurzer Laufzeit bzw. verminderter Leistung stellt oftmals keine sinnvolle Lösung dar, da für ein derartiges Verfahren ebenfalls Zeit benötigt wird und in der Regel zusätzliche Kosten entstehen, weil sich die kurze Vertragslaufzeit bzw. der geringe Leistungsumfang in höheren Preisen niederschlägt. Denn auch der Übergangsauftrag mit einer kurzen Laufzeit bzw. geringer Vertragsmenge muss sich für den Auftragnehmer rechnen.

Oftmals besteht an der Übernahme von Übergangsaufträgen auf der Seite der Bieter kein großes Interesse, weil der Aufwand für die Durchführung des Auftrages mit geringem Volumen oder kurzer Laufzeit als zu hoch angesehen wird. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich für den öffentlichen Auftraggeber an den Übergangsauftrag ein weiteres Vergabeverfahren anschließt, um die Deckung des noch ausstehenden Bedarfs sicherzustellen. Damit sind regelmäßig weitere Kosten verbunden.

Der gelegentlich anzutreffende Vorschlag den gekündigten Auftragnehmer zu bitten, die Leistung über die Kündigung hinaus zu erbringen, bis das neue Vergabeverfahren abgeschlossen ist, kann nur als praxisfern bezeichnet werden. Denn nach der Lösung des Vertrages besteht für den Auftragnehmer keine Veranlassung, die Leistung fortzuführen. Darüber hinaus ist dieser Vorschlag auch in rechtlicher Hinsicht bedenklich. Denn mit dieser Bitte setzt sich der öffentliche Auftraggeber unter Umständen in Widerspruch zu der von ihm erklärten Lösung des Vertrages.

Deshalb kann es sinnvoller und wirtschaftlicher sein, einen Rückgriff auf die Angebote aus dem kürzlich durchgeführten Wettbewerb in Erwägung zu ziehen.

Genügt das den diversen rechtlichen Grundsätzen wie denen des Wettbewerbs und der Transparenz?

Die vergaberechtlichen Vorschriften regeln, wie Leistungen durch öffentliche Auftraggeber zu beschaffen sind. Mit den Vorschriften soll ein fairer Wettbewerb und eine wirtschaftliche Deckung des im öffentlichen Interesse liegenden Bedarfs erreicht werden. Ziel des Vergabeverfahrens ist aber auch der Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen1. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird mit dem Vergabeverfahren von allen Beteiligen das Ziel angestrebt, den ausgeschriebenen Vertrag durchzuführen2. Die vergaberechtlichen Vorschriften und die Rechtsprechung haben also nicht nur die Durchführung des Vergabeverfahrens, sondern ausdrücklich auch die Deckung des ausgeschriebenen Bedarfs als Ziel im Blick.

Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass der öffentliche Auftraggeber durch das Vergaberecht in seiner Vertragsabschlussfreiheit eingeschränkt wird. Er darf den Auftragnehmer nicht frei wählen oder einem bewährten Bieter Vorzug einräumen. Der öffentliche Auftraggeber muss darauf vertrauen, dass die Eignungsprognose zutrifft und der Auftragnehmer die vereinbarte Leistung erbringen wird. Mit Blick auf den in den Erwägungsgründen angesprochenen Erwerb der Leistung und die Einschränkung der Vertragsabschlussfreiheit lässt sich der Rückgriff auf die Angebote aus einem erst kürzlich durchgeführten Wettbewerb vertretbar erscheinen; insbesondere dann, wenn die Ausführung der Leistung nicht aufgeschoben werden kann.

Der Rückgriff auf die Angebote aus dem erst unlängst durchgeführten Vergabeverfahren ist auch mit den Vergabegrundsätzen nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB vereinbar.

Wenn der ursprüngliche Auftrag auf der Grundlage eines freien und fairen Wettbewerbs vergeben wurde, dann kann auf die Angebote aus dem unlängst durchgeführten Wettbewerb zurückgegriffen werden. Der Wettbewerb wird wieder aufgenommen, weil der erfolgte Zuschlag nicht zum Erwerb der Leistung bzw. zur Durchführung des Vertrages geführt hat.

Damit wird dem Vergabegrundsatz, dass die Aufträge im Wettbewerb zu vergeben sind durchaus Rechnung getragen. Es ist den Vorschriften nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass das Vergabeverfahren mit dem ersten Zuschlag unabdingbar beendet ist und danach keine weitere Auftragsvergabe erfolgen darf, wenn sich herausstellt, dass die Durchführung des Vertrages nicht erfolgt. Denn nur in § 177 GWB kommt das Ende des Vergabeverfahrens nach der Entscheidung des Beschwerdegerichts deutlich zum Ausdruck. Mit der Erteilung des Zuschlages ist das Vergabeverfahren nur vorerst als abgeschlossen anzusehen. Stellt sich kurze Zeit nach dem Zuschlag heraus, dass die Durchführung des Vertrages aus Gründen, die im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers liegen, nicht erfolgen wird, ist der Rückgriff auf die Angebote durchaus gerechtfertigt, da das Auftragsinteresse der Bieter neben dem Erfüllungsinteresse des öffentlichen Auftraggebers in aller Regel noch bestehen wird.

Auch der bekannten Rechtsprechung ist zu dem hier beschriebenen Sachverhalt keine Spruchpraxis über ein unabdingbares Ende des Vergabeverfahrens mit dem ersten Zuschlag zu entnehmen.

Der Vorschrift, wonach der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist, kann bei dem Rückgriff auf die Angebote durchaus Rechnung getragen werden. Ein Angebot, dass schon kurz nach der Zuschlagserteilung nicht zur Durchführung des Vertrages führt, mag in der vergaberechtlichen Wertungsphase (unter Beachtung der Zuschlagskriterien) als wirtschaftlich günstigstes Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erschienen sein; diese Prognose wird jedoch durch die ausbleibende Erfüllung des Auftrages erschüttert. Es ist dann nicht mehr gewährleistet, dass dieses Angebot eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel des öffentlichen Auftraggebers sicherstellt. Deshalb ist es vertretbar, ein weiteres wirtschaftlich annehmbares Angebot aus dem durchgeführten Wettbewerb für die Vergabe des Auftrages in Betracht zu ziehen. Das wirtschaftlich günstigste Angebot hat der Auftragnehmer nur dann abgegeben, wenn es zur Durchführung des Vertrages kommt und beim öffentlichen Auftraggeber kein Mehraufwand entsteht, weil der Auftragnehmer mit der Erfüllung des Auftrages schon kurz nach Zuschlagserteilung überfordert ist. Ferner gewährleistet ein weiteres Vergabeverfahren keine Deckung des Bedarfs zu den Preisen des ursprünglichen Auftragnehmers.

Der Rückgriff auf die Angebote kann unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit erfolgen, wenn Schadensersatzansprüche gegenüber dem ursprünglichen Auftragnehmer bestehen und damit Mehrkosten abgedeckt werden können. Auch geringe Differenzen bei den Angebotspreisen oder die Vermeidung des Aufwandes für ein weiteres Vergabeverfahren und die damit verbundene Ersparnis öffentlicher Mittel, die die Bürger aufbringen müssen, können den Rückgriff auf die Angebote wirtschaftlich rechtfertigen. Denn es wird ressourcenschonend gehandelt.

Erlischt ein Angebot durch Ablauf der Bindefrist in zivilrechtlicher Hinsicht, führt dies nicht dazu, dass es vergaberechtlich nicht mehr beachtlich ist. Schon vor dem Hintergrund einer sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung ist es angezeigt zu prüfen, ob mit Rückgriff auf die vorhandenen Angebote aus dem Wettbewerb noch eine wirtschaftliche Deckung des Bedarfs erreicht werden kann, wenn der Vertrag mit dem ersten Auftragnehmer kurz nach Zuschlagserteilung gelöst werden musste.

Der Rückgriff auf die Angebote aus dem Wettbewerb ist auch verhältnismäßig, wenn keine Änderung der Marktlage festgestellt werden kann.

Weiterhin ist zu bedenken, dass bei der Rückversetzung eines Vergabeverfahrens zur Vermeidung der Aufhebung oftmals auch nicht die Zulassung neuer Bieter erfolgt3. Daher ist es auch vertretbar, eine zweite Vergabe des Auftrages und den Wechsel des Auftragnehmers vorzunehmen, wenn der ursprüngliche Auftragnehmer alsbald nach der Erteilung des Zuschlages durch eine nötig gewordene Lösung des Vertrages ausfällt. Auch für die Bieter ist die zweite Vergabe des Auftrages verhältnismäßig und stellt das mildeste Mittel dar, weil sie keine neuen Angebote erstellen müssen. Allerdings hat der öffentliche Auftraggeber darauf zu achten, dass er Preise, Leistungen und Bedingungen, die die Angebote beinhalten, unverändert lässt. Grundsätzlich dürfte aber die Anpassung der Ausführungsfrist zulässig sein, um eine ergänzende Vertragsauslegung zu vermeiden. Beabsichtigt der öffentliche Auftraggeber andere wesentliche Änderungen vorzunehmen, hat er einen neuen Wettbewerb durchzuführen, da bei dieser Sachlage andere Angebote zu erwarten sind.

Der Rückgriff auf die Angebote lässt auch den Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt, wenn Unternehmen in einem fairen Wettbewerb Gelegenheit hatten, ein Angebot abzugeben. Sofern Unternehmen diese Gelegenheit nicht genutzt haben, ist ausschließlich die Risikobereich betroffen. Denn den Zeitpunkt der Ausschreibung legt der öffentliche Auftraggeber mit Blick auf seinen Bedarf an der Leistung fest. Hält der öffentliche Auftraggeber die Reihenfolge der Angebote, die für die zweite Auftragsvergabe in Betracht kommen ein, bleibt der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt. Die Diskriminierung einzelner Bieter ist nicht zu besorgen.

Es ist dem öffentlichen Auftraggeber auch möglich, den Transparenzgrundsatz einzuhalten, wenn er die Bieter über die modifizierte Vergabe des Auftrages unterrichtet und mögliche Bekanntmachungspflichten erfüllt. Damit wird die Entscheidung für die Bieter erkennbar und nachvollziehbar. Weiterhin herrscht Transparenz, wenn die Gründe für die Lösung des Vertrages im Vergaberecht selbst zu finden sind. Dies kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn die vertragsgerechte Leistung ausbleibt; sich die Eignungsprognose über den Auftragnehmer also als unzutreffend erweist. Das Vorgehen des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Rückgriffs auf die Angebote ist dann nachvollziehbar und liegt erkennbar im Vergaberecht begründet.

Von der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der öffentliche Auftraggeber, der den Bindungen des Haushaltsrechts unterliegt, auch verpflichtet sein kann, den Zuschlag auf ein verfristetes Angebot zu erteilen, wenn es das wirtschaftliche ist. In diesem Fall kann der Vertrag unter Berücksichtigung von § 150 BGB geschlossen werden. Danach unterbreitet der öffentliche Auftraggeber dem Bieter einen Antrag auf Vertragsschluss auf der Grundlage des sachlichen Inhalts des im Wettbewerb vom Bieter abgegebenen Angebotes. Der Vertragsschluss findet statt, wenn der Bieter den Antrag des öffentlichen Auftraggebers annimmt. Im Fall des Rückgriffs auf die im Wettbewerb abgegebenen Angebote nach der Lösung des Vertrages kann der öffentliche Auftraggeber entsprechend vorgehen und eine weitere Vergabe des Auftrages anstreben. Bieterrechte werden dabei nicht verletzt, da kein Unternehmen den Antrag des öffentlichen Auftraggebers auf Vertragsschluss annehmen muss.

Es bleibt festzuhalten, dass sich der Rückgriff auf die Angebote aus dem erst kürzlich durchgeführten Wettbewerb bei der Lösung des Vertrages unlängst nach Zuschlagserteilung vertreten lässt, weil die Einhaltung der Vergabegrundsätze gewährleistet werden kann. Weitergehende Regelungen durch den Normgeber wären daher grundsätzlich nicht erforderlich.

Was sollten Auftraggeber tun, um sich die Option des Rückgriffs auf frühere Angebote offenzuhalten und sich rechtlich abzusichern?

Die sicherste Variante, sich die Möglichkeit des Rückgriffs auf die früheren Angebote offenzuhalten, stellt die Aufnahme einer Klausel in die Vergabeunterlagen dar, nach der der Auftragnehmer während der Vertragslaufzeit ersetzt werden darf. Eine derartige Klausel kann gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 4a GWB in die Vergabeunterlagen aufgenommen werden. Sie muss aber in den ursprünglichen Vergabeunterlagen enthalten sein. Die Klausel muss klar, genau und eindeutig formuliert sein und sie muss Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen der Auftragsänderung enthalten. Ferner darf nicht der Gesamtcharakter des Auftrages verändert werden.

An die Klausel sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen, weil sie auf nicht vorhersehbare Umstände abstellt. Die gesetzliche Regelung würde ins Leere laufen, wenn die Klausel alle Einzelheiten der Ersetzung des Auftragnehmers vorausschauend beinhalten müsste.

Der öffentliche Auftraggeber sollte in den Vergabeunterlagen bestimmen, dass er sich vorbehält, die Ausführung des Auftrages in der Reihenfolge des Ausschreibungsergebnisses den Bietern anzutragen, die im Vergabeverfahren ein wirtschaftlich annehmbares Angebot abgegeben haben, wenn der Auftragnehmer wegen Kündigung oder aus anderen Gründen endgültig ausfällt.

Als Grundlage für den Wechsel des Auftragnehmers kann das Angebot des Bieters, der den ursprünglichen Auftragnehmer ersetzten soll, herangezogen werden. Denn die Ersetzung des Auftragnehmers auf der Grundlage einer in den ursprünglichen Vergabeunterlagen enthaltenen Klausel kann gemäß Art. 72 der Richtlinie unabhängig von ihrem Geldwert vorgenommen werden.

Der 110. Erwägungsgrund der Richtlinie, nach dem der Auftrag neu ausgeschrieben werden soll, wenn der erfolgreiche Bieter z.B. wegen Mängeln bei der Ausführung gekündigt wurde, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Denn der Wettbewerb hat mit der in den ursprünglichen Vergabeunterlagen enthaltenen Klausel bereits stattgefunden. Damit besteht Transparenz und alle Bieter werden gleich behandelt. Das Vorgehen entspricht übrigens der Vorschrift des Art. 72 der Richtlinie. Daher kommt es auf den nachrangigen 110. Erwägungsgrund nicht an.

Eine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrages darf mit der Ersetzung des Auftragnehmers nicht verbunden sein. Der Auftrag darf beispielsweise also nicht von einem Lieferauftrag in einen Dienstleistungsauftrag umgewandelt werden.

Herr Walter, herzlichen Dank für das Gespräch.

Fussnoten

  1. 4. Erwägungsgrund der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge 2014/24/EU v. 26.02.2014.
  2. BGH Urteil v. 24.02.2005, VII ZR 141/03, Tz. 32.
  3. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.03.2017, 11 U 10/17.