Im Fall ungewöhnlich niedriger Angebote besteht eine Prüfpflicht, bei der das cosinex Vergabemanagementsystem Vergabestellen unterstützt. Diese Funktion beleuchten wir in diesem Beitrag.

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Grundsätzlich greift eine Prüfpflicht, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder von der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. In der Rechtsprechung hat sich eine Aufgreifschwelle für den Regelfall bei einem Preisabstand von mindestens 20 % des betroffenen zum nächsthöheren Angebot etabliert (VK Bund v. 20.01.2022, VK 2 – 135 / 21 unter Verweis auf: OLG Düsseldorf, v. 29. Mai 2020, VII-Verg 26/19 m.w.N.).

Der öffentliche Auftraggeber darf aber auch unterhalb eines Preis -oder Kostenabstands von 20 % das Prüfverfahren einleiten. Weder die beteiligten Bieter noch die Vergabenachprüfungsinstanzen haben dem Auftraggeber vorzuschreiben, wann und aufgrund welcher Kriterien er in die Prüfung nach § 60 Abs. 1 einzutreten hat (Dicks in K/K/M/P/P § 60 Rz. 9).

Wie der an das öffentliche Vergaberecht gebundene Beschaffer vorzugehen hat, geht aus § 60 VgV hervor. Im Rahmen eines Überblicksartikels wurden von uns bereits die rechtlichen Aspekte in den Blick genommen.

Konsequenterweise unterstützt das VMS Vergabestellen sowohl bei der Dokumentation im Rahmen der Prüfung vermeintlich ungewöhnlich niedriger Angebote wie bei deren Ermittlung.

Überblick über die Funktionen

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Im cosinex Vergabemanagementsystem (VMS) wird die Angemessenheit des Preises für ein Angebot im Laufe der Angebotsprüfung und -wertung innerhalb der E-Vergabeakte dokumentiert. Dabei kann strukturiert erfasst werden, ob, wann und mit welcher Frist eine Aufklärung über den Preis durch die Vergabestelle eingeleitet wurde und ob bzw. wann entsprechende Erläuterungen oder Belege des Bieters eingegangen sind.

Zudem hilft das VMS mit konfigurierbaren Automatismen mit einer Hervorhebung potenziell ungewöhnlich niedriger Angebote.

VMS Dokumentation Nachforderung

Die Schwelle, ab der Angebote zur Prüfung hervorgehoben werden, kann so festgelegt werden. Je nach ausgeschriebener Leistung sollte geprüft werden, ab wann eine Aufklärung oder Belege für den vermeintlich „guten“ Preis erforderlich werden (Prüfpflicht), um den Dokumentationsanforderungen nachzukommen und für etwaige Rügen beziehungsweise Nachprüfungsverfahren gut gewappnet zu sein. Dabei können die Aufgreifschwelle und deren Referenzwert abhängig sein von der Art der ausgeschriebenen Leistung.

Die Parameter für die Anzeige potenziell ungewöhnlich niedriger Preise können während der Preiswertung angepasst werden und sind nicht Gegenstand des Vermerks. Sie dienen lediglich als Hilfestellung zur Identifikation ungewöhnlich niedrig erscheinender Preise. Die für den Vermerk relevanten Angaben und etwaige Ausschlüsse sind von den Nutzern mit entsprechenden Rechten in der Wertung des Preises und hier in den Details zu den jeweiligen Angeboten zu dokumentieren.

Hervorhebung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots
Hervorhebung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots in der Preiswertung

Hervorhebung scheinbar ungewöhnlich niedriger Angebote

Neben der prozentualen Abweichung ist vor allem die Frage von Bedeutung, wie eine solche rechnerisch ermittelt wurde bzw. welcher Referenzwert zur Beurteilung des Einzelfalls herangezogen wurde.

So gibt die Aufgreifschwelle von 20 % noch keine Auskunft darüber, ausgehend von welchem Wert die Abweichung ermittelt werden soll. Als mögliche Referenzwerte für eine automatisierte Unterstützung bei der Ermittlung der Abweichungen können im VMS daher wahlweise

  • der zuvor im Rahmen der Markterkundung festgelegte und für die Ermittlung der Verfahrensart herangezogene geschätzte Auftragswert des Verfahrens sowie
  • der Median der Wertungspreise aller Angebote

herangezogen werden.

Sollte der Nutzer schon vorab wissen, dass die Preise angemessen sind, kann dies durch einen Klick auf „Mit Angemessenheit der Preise speichern“ dokumentiert werden. Die weitere Abfrage im Reiter „Angemessenheit der Preise“ wird dann automatisch als bearbeitet gekennzeichnet.

Welcher Referenzwert ist der richtige?

Bislang wird bewusst darauf verzichtet das Kriterium „Abstand des niedrigsten zu dem zweitniedrigsten Angebot“ als Aufgreifschwelle systemseitig zu hinterlegen. Grund hierfür ist, dass mit diesem Kriterium einige praktische Schwierigkeiten verbunden sind. Wie geht zum Beispiel die Vergabestelle damit um, wenn zwei Angebote ungewöhnlich niedrig erscheinen, ihr Abstand zueinander aber nur 5 % beträgt, wohingegen die übrigen Angebote erst mit mehr als 20 % Abstand folgen. Ebenso scheint die Fixierung auf das Verfolgerangebot sachwidrig, wenn der Median der Angebotspreise der übrigen Bieter eine Aussage über die Angemessenheit des niedrigsten Preises zulässt.

Der geschätzte Auftragswert als Referenzwert

Besonders in Fällen, in denen der Auftraggeber aufgrund vorheriger Beschaffungsmaßnahmen, einer fundierten Markterkundung oder eigener Marktkenntnisse eine genaue Schätzung des erwarteten Auftragswerts vornehmen kann, bietet dieser geschätzte Auftragswert einen effektiven Referenzpunkt.

Anders als das zweitplatzierte Angebot, das durch das nachträgliche Hinzutreten von Angeboten (etwa bei verspätet eingegangenen Angeboten) oder Entfernen von Angeboten (zum Beispiel bei einem späteren Ausschluss im Verfahren) variieren kann, bleibt der geschätzte Auftragswert konstant.

Der Median als Referenzwert

Die Nutzung des Medians zur Ermittlung der Aufgreifschwelle für die Prüfung scheinbar ungewöhnlich niedriger Angebote in Vergabeverfahren bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich.

Zunächst repräsentiert der Median die Preise marktgängiger Leistungen auf eine verhältnismäßig robuste und realistische Weise. Im Gegensatz zu extremen Werten, die den Durchschnitt verzerren könnten, bleibt der Median stabil und liefert ein zuverlässigeres Bild. Dies ermöglicht eine fairere Prüfung der Angebote, da jedes Angebot im Verhältnis zu der Gesamtheit der Angebote und nicht nur zum zweitplatzierten bewertet wird.

Zudem kann der Median bei der Identifizierung mehrerer möglicherweise unauskömmlicher Angebote eine Rolle spielen. Wenn beispielsweise zwei ungewöhnlich niedrige Angebote vorliegen und das niedrigste Angebot nur mit dem zweitniedrigsten Angebot verglichen wird, besteht die Gefahr, dass die Aufgreifschwelle nicht erreicht wird, obwohl beide Angebote tatsächlich deutlich unter den üblichen Marktpreisen liegen. Der Median, als repräsentativer Wert aller Angebote, liegt in solchen Fällen vermutlich höher und hilft dabei, diese ungewöhnlich niedrigen Angebote mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu erkennen.