
Im Februar hatte der Bundesrat einem bayerischen Entschließungsantrag zugestimmt, der unter anderem einen Sonderschwellenwert für Planungsleistungen vorsah. Die Bundesregierung hat den Vorstoß kommentiert.
„Dringenden Handlungsbedarf“ hatte der der Freistaat Bayern angesichts der aktuellen Preisentwicklungen hinsichtlich der Schwellenwerte festgestellt. Diese würden marktpreisbereinigt bereits seit 1994 „faktisch kontinuierlich sinken“. Gefordert wurde neben einer inflationsbedingten Erhöhung der Schwellenwerte auch ein jährlicher Turnus bei deren Anpassung.
Als Reaktion auf die Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV), die der Bundestag im Zuge der Anpassung des Vergaberechts an die eForms beschlossen hatte – mehr zum Hintergrund hier – forderte der Bundesrat hin einen Sonderschwellenwert für Planungsleistungen und freiberufliche Leistungen. Alternativ sollten solche Leistungen als soziale und andere besondere Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber gemäß Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU erfasst werden.
In seiner Sitzung am 10. Februar 2023 hatte der Bundesrat dem Antrag in praktisch allen Punkten zugestimmt – das cosinex Blog berichtete.
Umgehend ging – dem Regularium folgend – die Stellungnahme der Bundesregierung ein. Michael Kellner – Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz – stützt die Argumentation darin im Wesentlichen auf das WTO Government Procurement Agreement (GPA), um die Forderungen überwiegend abschlägig zu bescheiden.
„Kaum möglich“: Sonderschwellenwert für Planungsleistungen
Einem Sonderschwellenwert für Planungsleistungen erteilt er ebenso eine Absage wie einer Erfassung als soziale und andere besondere Dienstleistungen:
Aus der Systematik der völkerrechtlichen Regeln ergibt sich zudem, dass spezielle Schwellenwerte für Planungsleistungen / freiberufliche Leistungen im GPA oder darauf aufbauend eine Kategorisierung als privilegierte soziale und andere besondere Dienstleistungen in den EU-Vergaberichtlinien kaum in Frage kommen.
Schwellenwerte: keine baldige Anpassung
Kellner stimmt dem Anliegen der Länderkammer zumindest darin zu, dass der lediglich an Wechselkursentwicklungen orientierte Mechanismus zur Anpassung der vergaberechtlichen Schwellenwerte im Wesentlichen Inflations- und sonstige Preisentwicklungen nicht abdeckt. Hier sei grundsätzlich über eine Nachsteuerung nachzudenken.
Von einer baldigen Anpassung sei indes nicht auszugehen, denn die Schwellenwerte könnten weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene einseitig geändert werden, ohne gegen das GPA zu verstoßen, wie der Staatssekretär erklärt.
Die Bundesregierung plädiere daher dafür, das Thema „im gebotenen völkerrechtlichen Rahmen und innerhalb der handelspolitischen Zuständigkeit der Europäischen Union mit entsprechender Mandatierung der Europäischen Kommission zu adressieren“.
Wann das passieren kann, lässt Kellner indes offen:
Das Bevorstehen einer Verhandlungsrunde zum GPA, in deren Rahmen Anpassungsvorschläge eingebracht werden könnten, ist der Bundesregierung allerdings nicht bekannt.
Vorsicht bei Erhöhungen der Schwellenwerte
Generell mahnt der Staatssekretär bei einer Erhöhung der Schwellenwerte zu Vorsicht, hätte sie doch auch unerwünschte Effekte:
- Sie würde zu weniger wettbewerblichen Vergabeverfahren führen,
- die Rechtsschutzmöglichkeiten für Unternehmen und
- den Marktzugang deutscher Unternehmen im Ausland beschränken sowie
- die Transparenz über Ausschreibungen in den EU-Mitgliedstaaten mindern.
Nicht erforderlich: Jährliche Anpassung
Auch einer jährlichen anstelle der alle zwei Jahre erfolgenden Überprüfung der Schwellenwerte, die der Bundesrat gefordert hat, erteilt die Bundesregierung eine Absage. Sie halte man im geltenden System schlicht „nicht für erforderlich“.
- Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates – Dringender Handlungsbedarf bei der Anhebung der Schwellenwerte der Europäischen Union im Vergaberecht (PDF)
Verwandte Beiträge
Wir gehen tatsächlich von katastrophalen Auswirkungen dieser „kleinen“ Änderung aus.
Durch die EU-Vergaben der Planungsleistung verzögert sich die Umsetzung von Baumaßnahmen im Schnitt um ca. 5 Monate.
Auch das Auftragsvolumen kommunaler Auftraggeber wird zumindest vorübergehend stark einbrechen (wahrscheinlich im mittleren zweistelligen Prozentbereich). Die Kommunen kriegen Ihre Aufträge einfach nicht vom Tisch. Privatwirtschaftliche Dienstleister können hier kaum unterstützen, da hier bereits jetzt kaum noch freie Kapazitäten bestehen.
Ich habe für das ganze Theater nicht das geringste Verständnis. Am Rande von Veranstaltungen von Planerkammern habe ich oft Klagen darüber gehört, dass es bei der „sehr freihändigen“ Vergabe von USV-Planungsleistungen viel zu wenig Wettbewerb gebe und viel zu häufig ein Planer beauftragt werde, der jemanden kennt der jemanden kennt. Jetzt soll es endlich richtigen Wettbewerb geben – und das ist nun auch nicht recht. Wenn man im USV-Bereich seine Hausaufgaben richtig macht, hat man kaum weniger Arbeit als bei einer EU-Vergabe.
Auch das Argument mit der Auftragswertrelationen ist unsinnig. Wo steht denn geschrieben, dass Planungn nur dass EU-weit ausgeschrieben werden sollen, wenn auch das Bauen dem OSV-Recht unterliegt? Es gibt viele „schräge“ Relationen. Man muss sich nur § 3 Abs. 9 VgV ansehen. Bei Liefer- und Dienstleistungen können etwas mehr als 30% des Schwellenwerts dem 20%-Kontigent zugeschlagen werden, bei Bauaufträgen ist es deutlich weniger. Und bei DL-Konzessionen – die ja auch nicht anderes sind als Aufträge – ist der Schwellenwert deutlich höher als bei „normalen“ Aufträgen.