Ralf Sand ist Projektleiter zur Einführung der elektronischen Vergabe in Nordrhein-Westfalen

Die neuen eForms der EU bringen Änderungen mit sich, die alle Vergabestellen unmittelbar betreffen. Die technische Anpassung der cosinex Lösungen an die neuen Anforderungen genießt daher höchste Priorität. Das gilt auch für die Module Vergabemarktplatz und Vergabemanagement von vergabe.NRW, der zentralen Anlaufstelle für das öffentliche Vergabe- und Beschaffungswesen in Nordrhein-Westfalen. Wir sprachen mit Ralf Sand vom Ministerium der Finanzen in Nordrhein-Westfalen über Chancen und Risiken der Neuerungen.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Sehr geehrter Herr Sand, Sie haben ja erst kürzlich einen umfassenden Überblicksbeitrag zur Umsetzung der eForms in vergabe.NRW veröffentlicht. Dennoch auch an Sie die Frage mit der Bitte um eine knappe Antwort: Was sind eigentlich eForms?

eForms sind elektronische Datenfelder, die befüllt werden und die Möglichkeiten bieten, Daten relativ einfach auszuwerten und so einen besseren Überblick über Fragen zu erhalten wie: Was wurde eigentlich eingekauft? Inwieweit sind beispielsweise nachhaltige Kriterien angewandt worden? Für mich sind eForms ein neues Tool, ich würde auch gar nicht mehr von Formularen sprechen. Ein Tool, das deutliche Verbesserungen bringen kann.

Es sind Stand heute einhunderteinundsechzig Tage bis zum 25. Oktober, dem Stichtag, ab dem eForms pflichtig sind. Haben Sie den Eindruck, dass das Bewusstsein für die Tragweite der Änderungen in der Breite angekommen ist?

Auf der Ortsebene der Vergabestellen kann ich mir das nicht vorstellen, denn es handelt sich ja im Gegensatz zu einer vergaberechtlichen Vorschrift oder einer Rechtsprechung um eine sehr abstrakte Materie. Wir sprechen nicht mehr von einem herkömmlichen Formular, das ich dann einfach anwenden muss, sondern von Datenstrukturen und Datenfeldern, die vorgegeben sind, die ich auch gar nicht mehr physisch erfassen kann. Deswegen gehe ich davon aus, dass das in der Breite auf Ortsebene so noch gar nicht erkannt ist.

Worin bestehen denn aus Sicht der Vergabestellen mögliche Verbesserungen oder Chancen, die durch eForms eröffnet werden können?

Ich würde hier nicht von Vergabestellen sprechen, sondern allgemein von Organisationeinheiten, die in die Lage versetzt werden, das Einkaufsverhalten auszuwerten, um so Effizienzschätze zu heben.

Sehen Sie auch Risiken, die bestehen könnten?

Wir werden ja auch einen neuen technischen Übertragungsweg über den Bekanntmachungsservice des Bundes haben, der die DE-eForms in die EU-eForms übersetzt und dann an TED weiterleitet – aber auch gewährleisten muss, dass etwaige Informationen, die dann zurückkommen, auch die Vergabestellen wieder erreichen.

Es wird die spannende Frage sein, was eigentlich passiert, wenn die vom Bund vorgegebenen Wege eine Störung haben. Das wäre der Worst Case, den ich sehe, wo der Bund in der Pflicht ist, relativ schnell und umfassend alle öffentlichen Auftraggeber zu informieren und schnell etwaige Störungen zu beseitigen. Denn an der Stelle sind, das muss man klar sehen, nicht die Plattformbetreiber in der Pflicht.

Deswegen habe ich mich darüber gefreut, dass in der Begründung der VgV, also im neuen Entwurf zur Umsetzung der eForms, unter anderem ausgeführt wird, dass der Bund einen entsprechenden Support und eine entsprechende Verfügbarkeitsgarantie gibt.

Ralf Sand ist Projektleiter zur Einführung der elektronischen Beschaffung in Nordrhein-Westfalen und von vergabe.NRW sowie Mitglied in unterschiedlichen Expertengruppen, die sich mit dem Thema E-Vergabe auseinandersetzen. Im Ministerium der Finanzen in Nordrhein-Westfalen betreut er die Koordinierungs- und Beratungsstelle für Vergaben im Liefer- und Dienstleistungsbereich und berät Vergabestellen des Landes in vergaberechtlichen Fragen. Er leitet die interministerielle Arbeitsgruppe zur Erstellung und Überarbeitung des Vergabehandbuches des Landes NRW. Er ist Autor verschiedener Fachbeiträge in vergaberechtlichen Zeitschriften und Co-Autor der Kommentierung Vergabe und Recht. Sein Fachwissen hat er auch in verschiedene Twinningprojekte (Kroatien, Mazedonien, Moldau) eingebracht.

Sie erwähnten gerade die deutsche Ausprägung der eForms. Was ist Ihnen denn über die Schwerpunktsetzungen bekannt, die Deutschland damit noch über eForms EU hinaus setzen will?

Das lässt sich relativ einfach aus der Vergabestatistikverordnung herleiten. Auch dort sind Themen wie soziale Kriterien, Nachhaltigkeit, Innovation die entscheidenden Schlagworte und das setzt sich mit der deutschen Ausprägung von eForms fort. Insofern ist das eigentlich nichts Neues und deswegen glaube ich auch, dass der Entwurf den Bundesrat ohne Probleme passieren wird.

Die geplanten Änderungen im Kontext eForms greifen natürlich im Oberschwellenbereich. Gleichwohl hat der Bund bereits erklärt, dass eine entsprechende Anforderung im Unterschwellenbereich angestrebt wird, was nicht ohne Zustimmung der Länder möglich ist. Ist Ihnen bekannt, ob es da bereits Anstrengungen oder Bestrebungen gibt?

Das ist mir an der Stelle noch nicht bekannt. Ich denke, das wird ein Brocken sein, an dem man erst mal bohren muss. Ich sehe hier keine Bundeskompetenz, die in die Länder rein regieren kann.

Wenn wir jetzt die Flughöhe etwa erhöhen, dann gibt es ja auch noch die Standardfamilie XEinkauf zu der eForms gehören. Da ist das Ziel, den digitalen Beschaffungsprozess der öffentlichen Hand zu harmonisieren. Können Sie dazu noch ein paar Worte sagen?

Es ist keine grundsätzlich neue Idee, die da geboren worden ist. Das Ziel war immer, die Schwelle für die Unternehmen relativ niedrig zu setzen und den Zugang zu vereinfachen, insbesondere was die Angebotsabgabe angeht. Insofern ist dieser Ansatz, den Beschaffungsprozess insgesamt zu betrachten und sich nicht ausschließlich auf das Thema Vergabe zu fokussieren, deutlich ambitionierter und in der Konsequenz auch für die Vergabestellen in den Ländern und im kommunalen Bereich auch ein riesiger Fortschritt. Wenn es ermöglicht wird, über Standards bestimmte Daten von der Formulierung eines Bedarfs über den Einkauf bis zur Zahlbarmachung durchzuschieben, dann ist das ein großer Mehrwert für sämtliche Beteiligten.

Glauben Sie, die Vergabewelt wird nach dem 25. Oktober eine andere sein oder wird es im Wesentlichen so weiterlaufen wie bisher?

Die Vergabepraktiker werden an dem Tag genauso aufstehen, zur Arbeit gehen und diese wieder verlassen, wie sie das vorher auch gemacht haben, weil sie auch weiterhin ein funktionierendes elektronisches System am Arbeitsplatz vorfinden werden. Da wird sich die Welt nicht anders drehen an diesem Tag.

Herr Sand, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Titelbild: Katrin Hauter