Die rot-grüne Koalition in Hamburg richtet die öffentliche Beschaffung in der Hansestadt an den Zielen Nachhaltigkeit und Tariftreue aus. Ein entsprechender Antrag wurde von der Hamburgischen Bürgerschaft mehrheitlich angenommen.

Hamburg hat sich im Bereich der nachhaltigen Beschaffung 2012 erstmals Vergabekriterien zur sozialverträglichen Beschaffung mit Vorgaben zur Einhaltung der Tariftreue im Bereich des Entsendegesetzes, zur Wahrung der Kernarbeitsnorm der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als zentralem Element der sozialen Nachhaltigkeit sowie zur umweltverträglichen Beschaffung auferlegt.

Mit dem Beschluss des rot-grünen Antrags wird das Vergabegesetz erneut reformiert mit dem Ziel, „zeitgemäße Vorgaben in den Bereichen Globale Verantwortung, Gute Arbeit sowie Umwelt- und Klimaschutz bereitzustellen“.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Informationsangebote und -austausch fördern

Neben einem Konzept für ein Nachhaltigkeitsmonitoring und der Entwicklung einer Strategie zur Verankerung nachhaltiger Beschaffung bei Vorgesetzten und Bedarfsträgern legt die Koalition Wert auf Informationsangebote und den Informationsaustausch. So sollen

  • der Leitfaden für umweltgerechte Beschaffung zu einem Leitfaden für nachhaltige Beschaffung unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien als verlässliche Richtschnur für die Beschaffer weiterentwickelt werden. Dabei sei eine Ausweitung von Negativlisten ebenso zu prüfen wie die Definition von Warenkörben, die ausschließlich nachhaltig zu beschaffen seien.
  • dem Personal in den Beschaffungs- und Vergabestellen regelhaft Weiterbildungsangebote zum Thema nachhaltige öffentliche Beschaffung unterbreitet werden.
  • bestehende Weiterbildungsangebote oder Informationsmaterialien niedrigschwellig und sektorspezifisch für kleine, öffentliche Vergabestellen weiterentwickelt werden und
  • der regionale und überregionale fachliche Austausch durch die Weiterentwicklung und den Ausbau von internen und externen Netzwerken zum Thema nachhaltige öffentliche Beschaffung gefördert werden.

Durch den Ausbau eines Warengruppenmanagements soll die nachhaltige öffentliche Beschaffung ebenso gestärkt werden wie durch die Beratungsarbeit der Kompetenzstelle Nachhaltigkeit in der Finanzbehörde.

Der Personalbedarf der zuständigen Behörden für die Umsetzung einer ressortübergreifenden nachhaltigen Beschaffung ist nach dem Willen der Koalition zu prüfen und wenn möglich entsprechend bereitzustellen. Insbesondere die personelle Ausstattung für die Durchführung von Marktdialogen ist zu gewährleisten.

Anhebung der Wertgrenzen

Die Wertgrenzen für Direktaufträge werden auf 5.000 Euro und für erleichterte Beschaffungsverfahren auf 100.000 Euro angehoben. Dies soll dem Ziel des Bürokratieabbaus dienen.

Mindestentgelt und soziale Kriterien als Voraussetzung zur Zuschlagserteilung

Die sozialen und umweltbezogenen Kriterien dürfen nicht wie bisher optional sein, sondern müssen im Vergaberecht verbindlich normiert und bei der Vergabe eingehalten werden“, so dazu Iftikhar Malik, Experte der SPD-Fraktion Hamburg für Fairen Handel. Filiz Demirel, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion Hamburg ergänzt: „Mit unserem Antrag verpflichten wir in der Vergabe Unternehmen, den branchenüblichen Tariflohn zu bezahlen und belohnen damit Betriebe mit Tarifverträgen“.

Entsprechend sollen das Hamburgische Vergabegesetz, die Hamburgische Vergaberichtlinie und die Landeshaushaltsordnung, wo erforderlich, mit Blick auf die Einhaltung der umweltbezogenen und sozialen Kriterien angepasst werden. Konkret sei

  • der wettbewerbsrechtliche Spielraum im Sinne der in diesem Antrag formulierten Ziele vollumfänglich auszuschöpfen.
  • bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Zahlung eines vergabespezifischen Mindestentgelts verpflichtend vorzugeben, wobei die Entgelte in einer Rechtsverordnung orientiert an den maßgeblichen geltenden Branchentarifverträgen abgebildet werden.
  • zu prüfen, wie soziale Kriterien bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter und der Inklusion von Menschen mit Behinderungen, so sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben, zur Voraussetzung der Zuschlagerteilung gemacht werden können, und der Bürgerschaft dazu einen entsprechenden konkreten Vorschlag zu unterbreiten.
  • bei der Erarbeitung des Entwurfs die Gewerkschaften sowie weitere sozial-, umwelt-, nachhaltigkeits-, frauen- und menschenrechtspolitische Akteure sowie die Kammern und den Unternehmensverband Nord e.V. im Rahmen der erforderlichen Verbändeanhörung einzubeziehen.
  • der zuständigen Behörde die für die Verordnungserstellung und Nachhaltung erforderlichen Personalbedarfe bereitzustellen.

Erfolge der E-Vergabe weiterentwickeln

Überdies fordert die Koalition im Rahmen der aktuellen EU- und bundesrechtlichen Entwicklungen zu prüfen, ob und wie ein fiktiver CO₂-Preis regelhaft bei Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand einbezogen werden könnte. Strukturell soll die begonnene Zentralisierung der Vergabestellen weiter vorangetrieben werden.

Positive Erfolge, die im Bereich der E-Vergabe erzielt wurden, sollen weiterentwickelt werden – mit besonderem Augenmerk darauf,

  • die Anzahl der Vergabeplattformen der öffentlichen Unternehmen deutlich zu verringern,
  • perspektivisch eine Plattform für alle Aufträge der öffentlichen Hand in und um Hamburg herum durch FHH, Bund sowie öffentliche Unternehmen anzubieten, und
  • mindestens eine Interoperabilität der Plattformen herzustellen, um den Aufwand der Unternehmen, beispielsweise beim Eingeben von Daten oder der Suche, zu minimieren.

Forderungen an den Bund

Auf Bundesebene soll sich der Senat dafür einsetzen, dass die bundesrechtlichen Rechtsgrundlagen des Vergaberechts (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Vergabeverordnung und andere) öffentliche Auftraggeber zur Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien verpflichten.

Zudem soll der Bund eine zentrale Stelle einrichten oder benennen, die mit der Überprüfung und Einhaltung umweltbezogener und sozialer Kriterien im Sinne internationaler Menschen- und Arbeitsrechtsstandards in der Produktionskette befasst ist.

Weitere Informationen

Titelbild: Patrick Rosenkranz – Unsplash