Feuerwehrfahrzeug

Dr. Martin Schellenberg nimmt ein Urteil des OVG Schleswig (23.08.2022, 5 LB 9/20) in den Blick, das erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Zuwendungskontrolle hat.

Zuwendungen wegen Vergabefehlern darf die Behörde nur zurückfordern, wenn sie ihr Ermessen vollständig ausgeübt hat. Zu berücksichtigen sind Art und Umfang der Vergabefehler, Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung, finanzielle Belastung der Rückforderung für den Zuwendungsempfänger und der zurückliegende Zeitraum.

Der Fall

Eine Kommune in Schleswig-Holstein beantragte 2007 Zuwendungen des Landes für den Erwerb eines neuen Feuerwehrfahrzeuges. 2012 prüfte der Kreis die Beschaffung und forderte die gesamte Zuwendung wegen Vergabefehlern bei dem Erwerb des Fahrzeugs zurück. Ein Ermessen stünde dem Kreis bei dieser Entscheidung nicht zu.

Dagegen wendete sich die Kommune und machte geltend, das Vergaberecht sei bei der Beschaffung des Fahrzeuges im Wesentlichen eingehalten worden. Kleinere Fehler seien der seinerzeitigen Unerfahrenheit der handelnden Personen mit dem komplexen Vergaberecht geschuldet. Jedenfalls hätten sich diese Fehler nicht auf die Wirtschaftlichkeit des Einkaufs ausgewirkt. Die Kommune habe das Fahrzeug wesentlich günstiger erworben als z.B. eine Nachbargemeinde.

Während das Verwaltungsgericht 2020 den Rückforderungsbescheid noch bestätigt hatte, gibt das Oberverwaltungsgericht jetzt der Kommune Recht: Bei der Entscheidung über die Rückforderung müssen alle relevanten Umstände in die Abwägung einbezogen werden. Dazu gehört die Schwere der Vergabefehler, ob der Kommune durch die Fehler ein Schaden entstanden ist, wie stark die Kommune durch die Rückforderung belastet würde und wie lange der Vorgang schon zurückliegt.

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Die Folgen

Das Urteil wird erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Zuwendungskontrolle haben. Eine „automatische“ Rückforderung bei Vergabefehlern kann es künftig nicht mehr geben. Erforderlich ist vielmehr eine vollständige Abwägung aller Umstände des Sachverhalts im Rückforderungsbescheid. Diese Abwägung ist gerichtlich überprüfbar. Zwar werden Gerichte auch künftig keine eigene Ermessensentscheidungen treffen. Sie werden jedoch genauer prüfen, ob die Behörde angemessen Gebrauch von ihrem Ermessen gemacht hat.

Hinweise für die Praxis

Zuwendungsempfänger haben künftig eine bessere Rechtsposition, wenn sie sich gegen Rückforderungsbescheide wehren wollen. Häufig werden diese Bescheide erst Jahre nach der Verwendung erlassen. Künftig muss zugunsten des Zuwendungsempfängers berücksichtigt werden, wenn die Beschaffung schon lange zurückliegt und die Rückforderung eine erhebliche finanzielle Belastung für den Zuwendungsempfänger wäre. Ebenfalls zugunsten des Empfängers zu berücksichtigen ist, wenn die Vergabefehler keine Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung hatten.

Der Beitrag erschien zuerst in der Immobilien Zeitung.

Der Autor

Dr. Martin Schellenberg ist Fachanwalt für Vergaberecht und seit 2004 Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er ist Lehrbeauftragter an der Bucerius Law School und im Vorstand des Bundesverbandes Public Private Partnership e.V. (BPPP).

Portrait: Heuking Kühn Lüer Wojtek
Titelbild: m.mphoto – Adobe.Stock