Unternehmen sind künftig verpflichtet, ihre Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren unter bestimmten Umständen bei der EU-Kommission zu melden. Die entsprechende Verordnung über drittstaatliche Subventionen ist bereits in Kraft und ab dem 12. Juli 2023 anzuwenden.

Bereits im September 2021 berichteten wir über Pläne der EU-Kommission, Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu verhindern. Geschlossen werden sollte die Regelungslücke, wonach Subventionen der Mitgliedstaaten einer strengen Kontrolle unterliegen, während die Gewährung von Subventionen durch Nicht-EU-Staaten weitgehend unkontrolliert erfolgen konnten – ein Umstand, den der Kommissar für Handel Valdis Dombrovskis als „Plage im internationalen Wettbewerb“ bezeichnete.

I. Drei Instrumente der EU-Kommission

Am 12. Januar ist die Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen in Kraft getreten, mit der dieser Lückenschluss vollzogen werden soll.

Die Verordnung stattet die Kommission mit drei Instrumenten zur Prüfung finanzieller Zuwendungen aus, die in der EU wirtschaftlich tätige Unternehmen von Nicht-EU-Staaten erhalten.

1. Bei Zusammenschlüssen

Unternehmen sind mit Inkrafttreten der Verordnung verpflichtet, Zusammenschlüsse, die mit einer finanziellen Zuwendung einer drittstaatlichen Regierung verbunden sind, zur Genehmigung bei der Kommission anzumelden, wenn

  1. der Umsatz des übernommenen Unternehmens oder eines der am Zusammenschluss Beteiligten oder des Gemeinschaftsunternehmens 500 Millionen Euro oder mehr beträgt und sich
  2. die drittstaatliche finanzielle Zuwendung auf mindestens 50 Millionen Euro beläuft.

2. Bei Vergabeverfahren

Überdies werden Unternehmen verpflichtet, ihre Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren bei der Kommission zu melden, wenn

  1. der geschätzte Auftragswert mindestens 250 Millionen Euro beträgt und
  2. sich die damit verbundene drittstaatliche finanzielle Zuwendung auf mindestens 4 Millionen Euro pro Drittstaat beläuft.

Die Erteilung des Zuschlags an Unternehmen, die den Binnenmarkt verzerrende Subventionen erhalten, kann in solchen Verfahren von der Kommission untersagt werden.

3. Prüfung im Verdachtsfall

In allen anderen Marktsituationen kann die Kommission in Eigeninitiative („von Amts wegen“) eine Prüfung einleiten, wenn der Verdacht besteht, dass drittstaatliche Subventionen vorliegen könnten. Sie kann auch für öffentliche Vergabeverfahren und kleinere Zusammenschlüsse eine Ad-hoc-Anmeldung verlangen.

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II. Prüfverfahren und Bußgelder

Während die Prüfung durch die Kommission läuft, dürfen angemeldete Zusammenschlüsse nicht vollzogen werden. Auch darf im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens Bietern, die Gegenstand einer Prüfung sind, nicht der Zuschlag erteilt werden.

Wird gegen diese Vorschrift verstoßen, kann die Kommission Geldbußen verhängen. Diese können bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens betragen. Auch kann die Kommission den Vollzug eines subventionierten Zusammenschlusses und die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen subventionierten Bieter untersagen.

III. Befugnisse

Die Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten überträgt der Kommission eine breite Palette von Prüfungsbefugnissen, um die erforderlichen Informationen einzuholen. So kann sie unter anderem

  • Auskunftsverlangen an Unternehmen richten,
  • in- und außerhalb der Union Nachprüfungen durchführen und
  • Marktuntersuchungen zu bestimmten Sektoren oder Subventionsarten einleiten.

Die Kommission kann sich auch auf Marktinformationen stützen, die von Unternehmen, den Mitgliedstaaten oder anderen natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen übermittelt werden.

Stellt die Kommission fest, dass eine drittstaatliche Subvention vorliegt und den Binnenmarkt verzerrt, wiegt sie die negativen Auswirkungen der Subvention in Form der Verzerrung gegen die positiven Auswirkungen in Form der Entwicklung der subventionierten Wirtschaftstätigkeit ab.

IV. Abhilfemaßnahmen

Überwiegen die negativen Folgen, kann die Kommission strukturelle oder nicht-strukturelle Abhilfemaßnahmen zur Auflage für die Unternehmen machen oder in Form entsprechender Verpflichtungszusagen akzeptieren, um die Verzerrung zu beseitigen (etwa die Veräußerung bestimmter Vermögenswerte oder das Verbot eines bestimmten Marktverhaltens).

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Subventionen, die 4 Millionen Euro in einem Zeitraum von drei Jahren nicht übersteigen, den Binnenmarkt nicht verzerren dürften, und Subventionen, die die Schwellenwerte für De-minimis-Beihilfen nicht erreichen, keine Verzerrungen bewirken.

Bei anmeldepflichtigen Zusammenschlüssen und öffentlichen Vergabeverfahren kann die Kommission alle drittstaatlichen Subventionen prüfen, die innerhalb der vorausgegangenen drei Jahre gewährt wurden. Jedoch gilt die Verordnung nicht für Zusammenschlüsse, die vor dem 12. Juli 2023 vollzogen, und öffentliche Vergabeverfahren, die vor diesem Datum eingeleitet wurden.

In allen anderen Situationen kann die Kommission alle Subventionen prüfen, die in den vorausgegangenen zehn Jahren gewährt wurden. Allerdings gilt die Verordnung für Subventionen, die in den fünf Jahren vor dem 12. Juli 2023 gewährt wurden, nur dann, wenn diese Subventionen den Binnenmarkt nach dem 12. Juli 2023, ab dem die Verordnung angewendet wird, verzerren.

V. Nächste Schritte

Die Verordnung ist am 12. Januar 2023 in Kraft getreten. Ab dem 12. Juli 2023 wird sie angewendet. Ab diesem Datum ist die Kommission befugt, von Amts wegen Prüfungen einzuleiten. Der Anmeldepflicht müssen Unternehmen ab dem 12. Oktober 2023 nachkommen.

Die Kommission wird in den kommenden Wochen zudem einen Entwurf einer Durchführungsverordnung vorlegen, in der die anzuwendenden Vorschriften und Verfahren erläutert werden. Das beinhaltet Anmeldeformulare für Zusammenschlüsse und öffentliche Vergabeverfahren, Vorgaben zur Berechnung von Fristen, für die Akteneinsicht und für die Vertraulichkeit von Informationen. Die Interessenträger haben dann vier Wochen Zeit, um Anmerkungen zu diesen Durchführungsvorschriften im Entwurf zu übermitteln, bevor sie Mitte 2023 endgültig verabschiedet werden.

VI. Öffnung ausländischer Märkte

Neben der Regulierung von Subventionen aus Drittstaaten ist die Europäische Union auch bestrebt, ausländische Märkte für Wirtschaftsteilnehmer aus der Union zu öffnen. Dazu hatte das Europäische Parlament im Juli 2022 das Instrument zum internationalen Beschaffungswesen (International Procurement Instrument, IPI) per Verordnung novelliert – das cosinex Blog berichtete.

VII. Quellen und Informationen

Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash