Eignungskriterien sind in der Bekanntmachung aufzuführen. Welche Folgen hat es allerdings, wenn gegen diese grundsätzliche Forderung verstoßen wird und wie ist damit im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens umzugehen? Ist das Vergabeverfahren in jedem Fall aufzuheben oder ist es noch zu retten?

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Die Vergabekammer des Bundes hat hierzu in einer jüngeren Entscheidung (Beschluss vom 31.08.2022, VK 2 – 72 / 22) Stellung genommen und Fallgruppen aufgezeigt.

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle führte ein offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung unter anderem über die Bereitstellung von Verpflegungsrationen und den Betrieb des Wirtschaftsgebäudes sowie der Trinkwasserversorgung durch.

Sie sah diese als eine besondere Dienstleistung im Sinne von § 130 GWB i.V.m. Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU, dort Rubrik „Gaststätten und Beherbergungsgewerbe“ an. Dementsprechend veröffentlichte sie die Auftragsbekanntmachung auf dem EU-Standardformular 21 „Soziale und andere besondere Dienstleistungen“ (gemäß § 66 Abs. 4 S. 1 VgV i.V.m. Anlage XVIII der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986).

Dieses Standardformular ist so aufgebaut, dass unter „Abschnitt III: Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Angaben“ die Rubrik „III.1) Teilnahmebedingungen“ vorgesehen ist, unter welcher sodann direkt die Ziffer „III.1.4) Objektive Teilnahmeregeln und -kriterien“ folgt; die in dem anderen Bekanntmachungsformular enthaltenen Ziffern III.1.1) – 3), in denen die Eignungskriterien eingetragen werden, sind in dem vorgegebenen Formular nicht enthalten.

Die Vergabestelle nahm im „Abschnitt III. Teilnahmebedingungen“ keine Eintragungen vor. In der amtlicherseits veröffentlichten Auftragsbekanntmachung tauchte der Abschnitt III. in keiner Form auf; an die Angaben zu Abschnitt II. schloss sich unter Auslassung von III. direkt der Abschnitt IV. mit Angaben zum Verfahren an.

Die verlinkten Vergabeunterlagen enthielten jedoch Eignungsanforderungen, insbesondere wurden Referenzen gefordert. Auch in einer von der Vergabestelle bereitgestellten „Bietercheckliste“ waren die Referenzen als vorzulegende Dokumente ausgewiesen. Die Antragstellerin hat auf dieser Bietercheckliste die Abgabe der Referenzen angekreuzt und entsprechende Referenzen eingereicht.

Im Rahmen der Wertung des Angebots der späteren Antragstellerin wurden deren Referenzen inhaltlich mangels Vergleichbarkeit mit der ausgeschriebenen Leistung nicht akzeptiert.

Neben anderen Gründen wurde das Angebot der späteren Antragstellerin deshalb ausgeschlossen. Nach erfolgloser Rüge wendete sie sich unter anderem gegen diesen Ausschluss.

In Bezug auf die Referenzen argumentierte die Antragstellerin, dass die Eignungskriterien nicht gem. § 122 Abs.4 S. 2 GWB ordnungsgemäß in der Bekanntmachung aufgeführt worden seien. Deshalb könne ein Ausschluss nicht auf diese Kriterien gestützt werden.

Vor diesem Hintergrund sei das Vergabeverfahren wegen eines schwerwiegenden Mangels zurückzuversetzen und zu wiederholen.

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II. Die Entscheidung

Nach Ansicht der Vergabekammer ist der Nachprüfungsantrag in Bezug auf den Vorwurf, die Vergabestelle habe die Eignungskriterien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht, bereits unzulässig.

1. Rügeobliegenheit

Die Vergabekammer hält die entsprechende Rüge, die erst nach Erhalt der Vorabinformation erfolgte, für rechtzeitig.

Für die Erkennbarkeit eines Vergabefehlers komme es darauf an, dass ein Vergabeverstoß in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung üblicher Sorgfalt hätte erkannt werden können. Zwar sei bei einem sorgfältig agierenden und durchschnittlich fachkundigen Bieter, der sich mit einem Angebot an einem Vergabeverfahren beteiligten wolle, davon auszugehen, dass er die wesentlichen vergaberechtlichen Grundsätze kenne.

Dazu gehöre grundsätzlich auch das Wissen darüber, dass eine Überprüfung der Eignung anhand von vorab gegenüber allen Bietern bekannt gemachten Eignungskriterien durchzuführen sei. Die Verpflichtung eines Auftraggebers, die Eignungsanforderungen in der Auftragsbekanntmachung zu veröffentlichen, erschließe sich zwar unmittelbar durch die Lektüre der gesetzlichen Bestimmung des § 122 Abs. 4 S. 2 GWB erschließe.

Auch wenn – wie vorliegend – in der Auftragsbekanntmachung keine Eignungskriterien veröffentlicht waren, sei eine Fehlererkennbarkeit im vorliegenden konkreten Einzelfall aber zu verneinen. Grund hierfür sei, dass das verwendete Standardformular 21 – entgegen den sonst üblichen Bekanntmachungsformularen – keine expliziten Ziffern für die wirtschaftliche, technische und berufliche Leistungsfähigkeit vorsehe.

Zwar seien die Eignungskriterien bei dem Formular 21 ausnahmsweise in das Formularfeld III.1.4 einzutragen und nicht wie sonst im Rahmen des Standardformular üblich in den Feldern III.1.1, III.1.2, III.1.3. Diese Erkenntnis setze aber eine komplexere vergaberechtlichen Überprüfung voraus. Mangels Erkennbarkeit des Fehlers sei die erfolgte Rüge noch rechtzeitig.

2. Keine Kausalität zwischen Vergabefehler und Schaden

Diesbezüglich scheitert der Nachprüfungsantrag allerdings an § 160 Abs. 2 S. 2 GWB. Demnach sei im Rahmen eines Nachprüfungsantrages darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe. Es kommt folglich auf die Darlegung der Kausalität zwischen Vergabefehler und Schaden an.

Vorliegend habe dies die Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt. Sie trage zwar vor, durch den Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht fehle es an wirksam festgelegten Eignungskriterien, so dass es an einer Grundlage für eine ordnungsgemäße Eignungsprüfung und folglich auch für einen Ausschluss fehle. Hieraus folgert die Antragstellerin, dass ihr eine zweite Chance auf Abgabe eines neuen, mangelfreien und in wirtschaftlicher Hinsicht aussichtsreicheren Angebots zustehen müsse.

Demgegenüber stellt die Vergabekammer klar, dass Bezugspunkt des „Schadens“ i.S.v. § 160 Abs. 2 GWB indes ein Nachteil sein müsse, der kausal auf den Vergabefehler zurückgehe. Der Schaden liege nicht im Entgehen einer zweiten Chance, wenn der Vergabefehler nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung des Angebots gewesen sei.

Vorliegend habe die Antragstellerin zwar einen Schaden, nämlich der Ausschluss mangels Eignung auf der Grundlage nicht wirksam bekannt gegebener Referenzanforderungen. Dies gehe jedoch nicht darauf zurück, dass die Vergabestelle es unterlassen hat, die Eignungsanforderungen im Formular rechtskonform bekannt zu machen. Denn die Antragstellerin habe die Referenzanforderung gesehen und in der Bietercheckliste der einzureichenden Unterlagen – wie dort vorgegeben – als vorhanden angekreuzt.

Der Grund für die Ablehnung der Eignung durch die Vergabestelle sei allein die Tatsache, dass die Antragstellerin lediglich Referenzen eingereicht habe, die unbestritten inhaltlich nicht mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar gewesen seien. Die Antragstellerin hätte die Eignungsanforderungen auch dann nicht erfüllt, wenn sie ordnungsgemäß in der Auftragsbekanntmachung aufgeführt gewesen wären.

Unter diesen Umständen seien die Zuschlagschancen der Antragstellerin nicht durch den Vergabefehler verschlechtert worden.

Anders sei es beispielsweise in einem Sachverhalt, in welchem ein Bieter eine Eignungsanforderung, die sich nicht aus der korrekten Stelle im Auftragsbekanntmachungsformular ergibt, übersieht; in einem solchen Fall wäre die Antragsbefugnis zwanglos gegeben.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Hinweise für die Praxis

Die vorstehende Entscheidung der Vergabekammer des Bundes differenziert hinsichtlich der Folgen, die eine nicht ordnungsgemäß bekannt gemachte Eignungsanforderung hatte. Entscheidend kommt es darauf an, welche Folgen die fehlerhafte Bekanntmachung hatte:

  • Wurde die Eignungsanforderung von dem Bieter beispielsweise in den Vergabeunterlagen erkannt und wurden die entsprechenden Nachweise in dem Vergabeverfahren eingereicht, ist der Bekanntmachungsmangel nicht ursächlich für den späteren Ausschluss aufgrund fehlender Eignung.
  • Hat demgegenüber der Bieter den Eignungsnachweis deshalb nicht erbracht, weil er fehlerhaft bekannt gemacht wurde und beispielsweise in den Vergabeunterlagen an einer versteckten Stelle aufgeführt und deshalb übersehen wurde, kann der Vergabeverstoß ursächlich für den späteren Ausschluss und damit für den Schaden des Bieters sein.

In früheren Entscheidungen wurde über die Frage der Kausalität oftmals mit der bloßen Feststellung, dass durch den Ausschluss ein Schaden drohe, hinweggegangen. Ebenso wurde teilweise ohne die vorstehende Differenzierung festgestellt:

„Mangels Festlegung der Eignungskriterien in der Bekanntmachung scheidet ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin vorliegend aufgrund fehlender Nachweise über die Referenzen aus. Die Referenzen sind nicht wirksam gefordert worden.“

Siehe hierzu beispielsweise die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 15.02.2018, RMF – SG 21 – 3194 – 3 – 1).

In jedem Fall ist den Vergabestellen zu raten, die Eignungskriterien in der Bekanntmachung aufzulisten.