
Die Angebotsabgabe per E-Mail wirkt aus der Zeit gefallen, wird in einigen Bundesländern aber nach wie vor praktiziert, in manchen sogar als Zukunftsmodell empfohlen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat diesen anachronistischen Weg hinter sich gelassen.
Nach wie vor möglich ist die Angebotsabgabe per E-Mail etwa in Nordrhein-Westfalen: Hier gestattet die Verwaltungsvorschrift der Landeshaushaltsordnung in Ziffer 3 die Abwicklung von Verhandlungsvergaben und Freihändigen Vergaben unterhalb des EU-Schwellenwertes und bis zu einem Auftragswert von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer per E-Mail.
Auch in Bayern wird dieser Sonderweg beschritten: So kann laut Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen die Angebotsabgabe bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen per E-Mail erfolgen, wenn eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird.
Dass diese Beispiele nach wie vor Schule machen können, zeigte erst kürzlich eine Evaluierung des thüringischen Vergaberechts durch die Wegweiser Research & Strategy GmbH, umfasste diese die doch die Empfehlung der Gutachter, die Einreichung von Teilnahmeanträgen und Angeboten mit einfacher E-Mail zu prüfen – das cosinex Blog berichtete. Zwar genüge das nicht den vergaberechtlichen Anforderungen an elektronische Mittel, sei aber in einzelnen Bundesländern zugelassen.
Des hohen Manipulationsrisikos der Angebotsabgabe per E-Mail sind sich die Urheber der Evaluierung ebenso bewusst wie die bayerische Landesregierung. So verpflichtet diese Auftraggeber zur Verhinderung von Manipulationsmöglichkeiten, etwa durch Einrichtung einer Funktions-E-Mail-Adresse für die Angebotseinreichung, auf die nur Beschäftigte Zugriff haben, die nicht der Bedarfsstelle angehören.
Interview mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung
Grund genug also, die Angebotsabgabe per E-Mail hinter sich zu lassen, auch wenn sie vereinzelt rechtlich zugelassen wird. Dass und wie das geht, zeigt ein aktuelles Interview des Deutschen Vergabeportals (DTVP) mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Angelika Lange, Leiterin des Referats Beschaffung, berichtet darin anschaulich über die Beschaffungspraxis vor und nach der Einführung von DTVP und die Abkehr von den E-Mail-Angeboten:
Die Bieter waren immens schwer davon zu überzeugen, dass nun per E-Mail eingereichte Angebote nicht mehr ausreichen und warum sie sich in noch einem Portal registrieren sollten.
Die hier beschriebenen „Transformationsschmerzen“ sollten Anreiz sein, sich von der Angebotsabgabe per E-Mail eher früh als spät zu verabschieden. Schließlich sind sie umso stärker, je mehr Zeit Unternehmen und Bieter hatten, um sich an diesen Weg zu gewöhnen.
Umsetzung in den cosinex Lösungen
Solange die Angebotsabgabe per E-Mail möglich ist, wird sie selbstverständlich in unseren Lösungen unterstützt. So gibt es im cosinex Vergabemanagementsystem seit Version 8.5 bei der Verhandlungsvergabe (formal) nach Maßgabe der UVgO im sogenannten Verfahrensassistenten die Möglichkeit einer Auswahl, ob die Vergabe mit oder ohne formelle Angebotsöffnung durchzuführen ist.
» Zum vollständigen Interview mit Angelika Lange bei dem Deutschen Vergabeportal
Titelbild: Brett Jordan – Unsplash
In § 38 Abs. 4 Nr. 1 UVgO ist geregelt, dass ein Auftraggeber nicht verpflichtet ist, die Grundsätze der §§ 7 UGvO, §§ 10-12 VgV einzuhalten. Auch daraus ergibt sich, dass eine E-Mail noch genutzt werden „kann“.
Ergänzend zur Situation in Bayern:
Die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über die Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen (VVöA) vom 24. März 2020 (BayMBl. Nr. 155), wurde zuletzt durch Bekanntmachung vom 6. September 2022 (BayMBl. Nr. 522) geändert.
In Nr. 1.9. wurde (temporär bis 31.12.2023) die Wertgrenze für Verhandlungsvergaben ohne TW bis zum Schwellenwert gem. § 106 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GWB erhöht.
In Zusammenschau mit Nr. 1.5 der VVöA kann demnach die elektronische Kommunikation einschließlich Angebotsabgabe bis zum o. g. Schwellenwert per E-Mail (!) erfolgen. Das dürfte im Ländervergleich einmalig sein.