Die Bundesregierung hatte das Vorhaben einer zentralen Plattform, über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind, bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Ein Konzeptpapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zeigt nun auf, wie es mit dem inzwischen Bekanntmachungsservice (BKMS) genannten Projekt weitergeht.

Der Bekanntmachungsservice soll im Zuge der Umsetzung der EU-Durchführungsverordnung zu den neuen eForms zusätzlich die Funktion einer zentralen Datendrehscheibe übernehmen, von der aus künftig auch die Übermittlung aller Bekanntmachungen rund um EU-weite Verfahren an das Amt für Veröffentlichungen der EU erfolgen soll.

I. BKMS als nationaler eSender

Der Bekanntmachungsservice wird in dem Konzeptpapier als die Schlüsselfunktionalität der digitalisierten öffentlichen Beschaffung umschrieben, mit der die Implementierung eines einheitlichen nationalen Datenregisters zu Beschaffungsdaten möglich werde. Er soll eine vereinfachte, individualisierbare Ausschreibungssuche erlauben und durch die offene Bereitstellung von strukturierten Daten transparente Auswertungsmöglichkeiten eröffnen.

Erreicht werden soll dies, indem der BKMS als nationaler eSender zur Übermittlung von Bekanntmachungen an das Amtsblatt der EU zur Veröffentlichung im Tenders Electronic Daily (TED) fungiert, sodass also sämtliche Ausschreibungen – oberhalb der EU-Schwellenwerte – über den BKMS laufen. Im Zuge dessen sorgt er für die Übersetzung nationaler Spezifika auf europäische Belange und soll so die Datenkonsistenz auch bei unterschiedlichen Meldewegen gewährleisten.

Die bestehenden Vergabeportale des Bundes, der Länder und privater Anbieter können weiter genutzt werden und brauchen nicht durch den BKMS ersetzt werden, können aber die offenen Daten des BKMS als Mehrwertdienste nutzen.

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II. Einführung gemeinsam mit eForms

Angedockt wird die Einführung des BKMS an die Umstellung der Veröffentlichung von Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge auf elektronische Formulare (eForms), die gemäß EU-Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 bis Herbst 2023 erfolgen muss – Näheres hierzu in unserem umfassenden FAQ.

Das Bekanntmachungswesen muss also ohnehin überarbeitet werden: Im TED-Meldesystem sind eForms ab 25. Oktober 2023 statt der bisherigen EU-Standardformulare pflichtig zu nutzen. Im Zuge dessen soll auch der BKMS eingeführt werden. Dabei geht es aber nicht nur um zeitliche Koinzidenz: eForms sind naturgemäß äußerst digitalisierungsfreundlich, weshalb sie sich aus Sicht der Bundesregierung als Grundlage für die „weitere Standardisierung und Digitalisierung des öffentlichen Einkaufs in Deutschland“ eignen.

III. Rechtliche Umsetzung

Für die Umsetzung in nationales Recht soll laut dem vorliegenden Konzeptpapier nach § 10 VgV ein neuer § 10a VgV eingefügt werden, der die Grundregeln zur Anwendung der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780, des Datenaustauschstandards eForms, der verpflichtenden und fakultativen Felder sowie des BKMS und seiner Nutzung als nationalem eSender enthält. § 10a VgV-E gilt über § 2 VgV auch für Bauaufträge. Die SektVO, die KonzVgV und die VSVgV sollen auf § 10a VgV-E verweisen.

Die Regelung soll in Erwartung kontinuierlicher Anpassungen im europäischen eForms-Regelwerk flexibel gestaltet werden: Aktualisierungen seien vom Bundesministerium des Innern und für Heimat im Einvernehmen mit dem Bundeministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

IV. Mehr pflichtige Daten

Schon 2018 zeichnete sich ab, dass mit eForms der Umfang der zu übermittelnden Daten und insbesondere die in der Bekanntmachung pflichtig anzugebenden Informationen eher zunehmen werden. Diese Erwartung tritt nun ein, denn bei der Erfassung von Daten über den BKMS soll der wachsenden Bedeutung von „strategischen, nachhaltigen Beschaffungen“ im Sinne einer „evidenzbasierten Wirtschaftspolitik“ Rechnung getragen werden. Dafür sollen Datenfelder, die auf EU-Ebene fakultativ vorgesehen sind, in Deutschland verpflichtend umgesetzt werden. Gemäß dem Konzeptpapier gilt das für Informationen, welche

  • die Umwelt- und Klimafreundlichkeit,
  • soziale Aspekte,
  • innovative Aspekte,
  • sowie die Chancen für und Erfolge von KMU und Start-Ups

zum Gegenstand haben. Die Rechtsgrundlage hierfür wird im § 10a VgV Absatz 4 geschaffen:

(4) In Tabelle 2 des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 als fakultativ gekennzeichnete Datenfelder sind für öffentliche Auftraggeber unbeschadet der Vorgaben des Datenaustauschstandards eForms nach Absatz 3 Satz 2 verpflichtend, soweit sie strategische Aspekte der Beschaffung betreffen.
Strategische Aspekte der Beschaffung im Sinne des Satzes 1 sind

  1. Aspekte der Qualität und der Innovation, einschließlich der Angabe, ob Nebenangebote zugelassen sind,
  2. soziale und umweltbezogene Aspekte, einschließlich der Datenfelder für die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge,
  3. wesentliche Aspekte der Zuschlagskriterien,
  4. mittelständische Interessen sowie
  5. die Identifizierung der Organisationseinheiten.

V. Zeitplan und Ausblick

Das vorliegende Konzeptpapier soll eine Grundsatzentscheidung ermöglichen und so das weitere Verfahren vorbereiten. Noch in 2022 sei ein Referentenentwurf auf Grundlage des finalisierten Datenaustauschstandards eForms abzustimmen. Änderungen in den Rechtsverordnungen müssen überdies durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates unter vorheriger Beteiligung des Bundestages beschlossen werden. Länder und Verbände seien vorab zu beteiligen.

Die geplanten Änderungen greifen ausschließlich oberhalb der Schwellenwerte. Angestrebt wird seitens der Bundesregierung aber auch die entsprechende Anpassung der Anforderungen an elektronische Bekanntmachungen im Unterschwellenvergaberecht. Dieser sei gesondert mit den Ländern abzustimmen.

Titelbild: Semi – adobe.stock