Südeuropäischen Ländern wird oftmals ein geringerer Digitalisierungs- und Modernisierungsgrad in Bezug auf die Prozesse in der öffentlichen Hand unterstellt. Italien straft diese Ansicht Lügen und hat bereits im Jahr 2019 eine Verpflichtung für Auftragnehmer etabliert, Rechnungen nur noch elektronisch zu stellen. Fraglich ist, inwieweit auch Deutschland für eine Umsetzung im Zuge der elektronischen Rechnungsstellung bereit wäre.
Der italienische Staat hat bereits vor einigen Jahren mit Ermächtigung des Rates der EU ein kombiniertes E-Rechnungs- und Clearance-Verfahren eingeführt, in dem Rechnungen nur noch elektronisch über ein System der italienischen Finanzverwaltung erstellt werden können, dort automatisch geprüft werden und erst im Anschluss daran an Leistungsempfänger versendet werden können.
Der Autor
Dr. Stefan Marinus Krusenbaum ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und verantwortet das Controlling der cosinex. Der der Experte für Wertungsmethoden bietet das beliebte Seminar Grundlagen und Auswahl geeigneter Wertungsmethoden in der cosinex Akademie an.
Clearance vs. Reporting: Vorher oder nachher?
In derartigen Clearance-Verfahren erhält die prüfende Stelle bereits vor Versand der Rechnung Kenntnis von selbiger und überstellt die Rechnung erst später an den Empfänger. Hierdurch soll in erster Linie Steuerbetrug verhindert, aber auch die Steuererhebung generell vereinfacht werden.
Die Verwendung eines derartigen Systems erlaubt es der Steuerverwaltung, alle relevanten Informationen in Echtzeit zu erhalten, wodurch sich zum Beispiel Abweichungen zwischen erklärter und entrichteter Mehrwertsteuer im Entstehen verhindern lassen. Faktisch erhält eine Rechnung in diesem Zusammenhang erst durch eine Bestätigung seitens der Verwaltung überhaupt Gültigkeit.
Die klassische Alternative dazu, Rechnungsdaten maschinenlesbar zu übersenden, so dass Verwaltungen direkt eine automatisierte Kontrolle von Rechnungen vornehmen können, ist das sogenannte Reporting-Verfahren. Hierbei werden die Rechnungsdaten allerdings erst nach der Rechnungsstellung an die Behörden übermittelt. Dies kann entweder mit größerem zeitlichem Abstand, etwa bei einer Prüfung, oder ebenfalls beinahe in Echtzeit erfolgen.
Herausforderungen für die Etablierung in Deutschland
Für das von Italien eingesetzte Verfahren war eine gesonderte Genehmigung der EU-Kommission erforderlich, da das Verfahren von der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie MwStSystRL abweicht. Neben dieser Hürde, die auch von Deutschland zu nehmen wäre, ist zudem aus technischer Sicht ein komplexes IT-System notwendig, das die Rechnungen im korrekten Format erstellt und gleichzeitig ein Bindeglied zwischen den Unternehmen und den steuerprüfenden Verwaltungen herstellt.
Ein derartiges elektronisches Meldesystem für die Erstellung sowie die Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen existiert in Deutschland gegenwärtig noch nicht. Ein digitales Abrechnungssystem für öffentliche Aufträge könnte als eine Vorstufe und Vorbereitung beziehungsweise als ein Test für ein späteres Clearance-System herangezogen werden.
Anders als in Italien existiert in Deutschland aber auch kein solches System, das vor Einführung eines Clearance-Verfahrens bereits heute freiwillig und gleichzeitig als Test für ein Clearance-Verfahren zur Anwendung kommt. Dies ist sicherlich in erster Linie auf die noch fehlende rechtliche Grundlage und Notwendigkeit, aber auch auf die sich daran anschließenden beschriebenen technischen Hindernisse zurückzuführen.
Hinderlich ist für den Aufbau vollumfänglicher Abrechnungs- oder gar Meldesysteme insbesondere der antizipierte höhere Bedarf an IT-technischem Know-How und IT-Ressourcen einerseits bei der öffentlichen Hand, andererseits aber auch auf Seiten der Unternehmen, die analoge Rechnungsstellungsprozesse ebenfalls auf die elektronische Rechnung umstellen müssen. Kritiker sehen hier für beide Seiten mindestens kurzfristig, gegebenenfalls aber auch noch mittelfristig Cashflow-Nachteile.
Zeitpläne zur Einführung des beschriebenen Clearance-Verfahrens, das de facto zur E-Rechnungsfähigkeit und mithin zu einer E-Rechnungspflicht sämtlicher Auftragnehmer führen würde, liegen daher hierzulande aktuell noch nicht auf dem Tisch. Es ist daher im Gegenteil aktuell fraglich, ob sehr zeitnah ein Meldeverfahren, das unter Verwendung der E-Rechnung gemäß dem Clearance-Verfahren abläuft, auch in Deutschland etabliert werden könnte.
Gerade in der heutigen Zeit – nach gut zwei Jahren Corona-Pandemie und damit verbundenen Notverordnungen sowie der zunehmenden Ausrichtung der öffentlichen Hand darauf, Bieter zu akquirieren und Bietern einen leichten Zugang zum öffentlichen Auftragswesen einzuräumen, dürfte ein derartiger Plan auf Widerstände stoßen. Mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine rückt zudem aktuell ein Konflikt in den Vordergrund, der noch unabsehbare Folgen auf die Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen sowie deren Preis haben wird. Vorstöße, die eine flächendeckende Einführung von Clearance-Verfahren fordern, sind daher gegenwärtig eher unwahrscheinlich.
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Vorteile der Etablierung und Ausblick
Nichtsdestotrotz kann die E-Rechnung Rechnungsstellungsprozesse langfristig verschlanken, zur Vermeidung von Medienbrüchen beitragen und ressourcenschonender gestalten, sollte also gerade in einem schwierigen Marktumfeld auch als Chance wahrgenommen werden.
Vorteil der Einführung einer obligatorischen elektronischen Rechnungstellung ist auch, dass sie auf Seiten der öffentlichen Hand die Mehrwertsteuerlücke signifikant reduzieren kann. Das System garantiert dies grundsätzlich für sämtliche Umsätze, also für alle innerstaatlichen B2G-, B2B- und B2C-Umsätze. Die Chance, ein automatisiertes Verfahren für den massenhaften Rechnungsausgang mithilfe von Übertragungsprotokollen wie dem sogenannten SDIFTP in Italien einzuführen und den Rechnungsversand somit über einen einzigen zentralen Kanal abzuwickeln, stellt einen weiteren nennenswerten Vorteil dar. In der EU-Kommission existieren daher bereits konzeptionelle Pläne eines Meldeverfahrens, das unter Verwendung der E-Rechnung eingeführt werden kann.
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Titelbild: Jonathan Bean – Unsplash