Das Bundeskartellamt hat nach ersten Vorermittlungen ein Kartellverwaltungsverfahren gegen mehrere Verbände von Leistungserbringern im Hilfsmittelbereich eingeleitet. Diese hatten gemeinsam einheitliche Preisaufschläge im Segment Reha und Pflege gegenüber gesetzlichen Krankenkassen gefordert und teilweise durchgesetzt.

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Einheitliche Preisaufschläge gefordert

Die Verbände haben sich unter der Bezeichnung „ARGE“ organisiert und repräsentieren insbesondere Sanitätshäuser und orthopädische Werkstätten. Mit Rundschreiben vom 7. September 2021 hatten sie gegenüber mehreren Krankenkassen auf gestiegene Fracht-, Liefer- und Rohstoffkosten infolge der Corona-Pandemie hingewiesen.

Zum Ausgleich forderten sie für die bestehenden Hilfsmittelverträge in den Bereichen Reha und Pflege einheitlich bestimmte Preisaufschläge. Gleichzeitig wurden gegenüber den Krankenkassen Vertragskündigungen in Aussicht gestellt und teilweise auch ausgesprochen. Mehrere Krankenkassen haben daraufhin Preiserhöhungen zugestimmt, um die Versorgung ihrer Versicherten wie bisher gewährleisten zu können.

Verbotener Missbrauch von Marktmacht?

Zwar gelten für Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen im Gesundheitswesen gewisse sozialrechtliche Sondervorschriften, die Ausnahmen vom Kartellverbot begründen können. Vieles deute aber daraufhin, dass diese Ausnahmen hier nicht greifen, wie der Präsident des Bundeskartellamtes Andreas Mundt erklärte.

Die ARGE repräsentiert nach bisherigem Kenntnisstand den Großteil aller Leistungserbringer für Hilfsmittel im Bereich Reha und Pflege, auf die die Patientinnen und Patienten in Deutschland angewiesen sind„, so Mundt. „Neben dem Kartellverbot prüfen wir mit unserem Verfahren deshalb auch, ob ein verbotener Missbrauch von Marktmacht vorliegt.“

Unabhängig von der Frage, ob Preisanpassungen wegen gestiegener Lieferkosten im konkreten Einzelfall sachlich gerechtfertigt sind, könnte das koordinierte Vorgehen der Anbieterseite sowie die gemeinsame pauschale Forderung einheitlicher Preiserhöhungen für unterschiedliche Hilfsmittel und Verträge ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten darstellen. Ob dies der Fall ist, prüft das Amt im Rahmen des eingeleiteten Kartellverwaltungsverfahrens.

Das Bundeskartellamt hat bereits die ARGE-Mitglieder und rund 30 der größten gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland zu den Preisforderungen der ARGE befragt. Im nächsten Schritt wird es von den ARGE-Mitgliedern weitere Auskünfte anfordern.

Kollektiv-Verhandlungen bei der Hilfsmittelversorgung

Kollektiv-Verhandlungen von Sanitätshäusern und anderen Hilfsmittelanbietern durch ihre jeweiligen Verbände können im Verhältnis zu den Krankenkassen erforderlich sein, damit eine Hilfsmittelversorgung auf bundesweiter Ebene sichergestellt werden kann.

Eine zusätzliche, übergreifende Absprache aller dieser Verbände – wie in diesem Fall durch die Schaffung der ARGE – kann jedoch zu einem faktischen Angebotsmonopol führen, das den Wettbewerb schädigt und letztlich die Erfüllung des gesetzlichen Versorgungsauftrags durch die Krankenkassen gefährdet. Das wäre weder im Sinne des Kartellrechts noch im Sinne des Sozialversicherungsrechts.

Dem Bundeskartellamt liegen Hinweise vor, dass auch in Bezug auf weitere Hilfsmittelgruppen eine vergleichbare Konzentration auf Seiten der Leistungserbringer angestrebt wird. Das Amt wird diese Bestrebungen ebenfalls genau im Blick behalten.

Quelle: Pressemitteilung des Bundeskartellamts