Mehr als 200.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind bereits nach Deutschland gekommen. Verschiedene Bundesländer reagieren mit Vergabeerleichterungen auf die besonderen Anforderungen. Wir haben für Sie bei den Ländern nachgefragt und fassen die Ergebnisse hier zusammen.

Baden Württemberg

Wie das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus auf Anfrage des cosinex Blog mitteilte, seien für den Liefer- und Dienstleistungsbereich keine vergaberechtlichen Sonderregelungen geplant. Das geltende Haushalts- und Vergaberecht biete alle derzeit erforderlichen Instrumente, um die unmittelbaren Bedürfnisse der Flüchtlinge (Wohnraum, Lieferungen von Waren und Dienstleistungen) angemessen und zügig sicherzustellen.

Verfahrensbeschleunigungen bei öffentlichen Aufträgen wären zulässig, weil aufgrund des großen Zustroms von Flüchtlingen regelmäßig sowohl von einem „unvorhergesehenen Ereignis“ als auch von „dringlichen und zwingenden Gründen“ im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen als erfüllt anzusehen sind.

Die aktuelle Entwicklung werde auch unter Beachtung möglicher vergaberechtlicher Vorgaben der Europäischen Kommission und des Bundeswirtschaftsministeriums weiterhin laufend beobachtet.

Bayern

Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration teilte per Rundschreiben vom 18. März mit, dass für Beschaffungen unter- wie oberhalb der Schwellenwerte, die erforderlich sind, um die in Bayern ankommenden Geflüchteten schnellstmöglich aufzunehmen, angemessen unterzubringen und mit dem Notwendigen zu versorgen, äußerst dringliche, zwingende Gründe vorliegen, die die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfüllen.

Weitere Erleichterungen seien derzeit in Prüfung.

Berlin

Die Senatskanzlei der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin erklärte auf Anfrage des cosinex Blog, dass in Berlin aktuell keine Änderung des Vergaberechts geplant sei.

Brandenburg

Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg teilte auf Anfrage mit, dass die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten (§ 8 Absatz 4 Nummer 9 UVgO, § 14 Absatz 4 Nummer 3 VGV) derzeit für ausreichend erachtet würden, um auf die Bedarfslage in der aktuellen Situation angemessen zu reagieren. Im Einzelfall seien Direktvergaben im Bereich von Liefer- und Dienstleistungen bis 215.000 Euro möglich sind.

Hamburg

Die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat die Vergabe- und Beschaffungsstellen per Schreiben vom 4. März auf vergaberechtliche Erleichterungen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise hingewiesen, die sich vorrangig auf die Versorgung Schutzsuchender beziehen.

  • Im Unterschwellenbereich gilt, das bei der Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen, die der Aufnahme, Unterkunft, Versorgung oder Betreuung Schutzsuchender dienen, bis zum Erreichen der Oberschwellenwerte die Durchführung von Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb zulässig.
  • Mit Blick auf den Oberschwellenbereich erklärt die Finanzbehörde, dass ihrer Auffassung nach hier die Ausführungen im Rundschreiben des Bundes vom 19. März 2020 herangezogen werden könnten. Darin wurde im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auf ein unvorhergesehenes Ereignis bzw. dringliche und zwingende Gründe nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV verwiesen, um per Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu beschaffen.

Hessen

In einem Rundschreiben vom 23. März informierte das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen über die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb. Darin wird auf das Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums zu Corona-Krise beziehungsweise zur Hochwasserkatastrophe Bezug genommen. Das Rundschreiben herunterladen »

Niedersachsen

Das Niedersächsische Wirtschaftsministerium erklärte per Pressemitteilung vom 17. März, die Vergabe öffentlicher Aufträge erleichtern zu wollen. Demnach dürfen Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen, die

  1. der Aufnahme, Unterbringung, Gewährleistung der Sicherheit, Beratung, Versorgung und Betreuung von Schutzsuchenden,
  2. dem Katastrophenschutz, dem Zivilschutz oder der Gefahrenabwehr,
  3. der Verbesserung der IT- und Cyber-Sicherheit und/oder
  4. der Ausübung einer Sektorentätigkeit

dienen und deren Vergabeverfahren vor dem 1. August 2022 beginnen, unterhalb der sogenannten EU-Schwellenwerte (215.000 Euro bei Liefer- und Dienstleistungen beziehungsweise 431.000 Euro im Sektorenbereich) im vereinfachten Vergabeverfahren der „Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb“ vergeben werden.

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Nordrhein-Westfalen

in Nordrhein-Westfalen ist derzeit weder auf Landes- noch auf Kommunalebene vorgesehen, spezielle Erlasse aus Anlass der Russland-Ukraine-Krise zu erlassen. Die bereits geltende Erlasslage eröffne mit den bestehenden Regelungen die Möglichkeit, schnell und flexibel Beschaffungen durchzuführen, wie das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie mitteilte.

Notwendige ad hoc Beschaffungen könnten auf Basis der im Vergaberecht bestehenden Ausnahmen im Fall von Dringlichkeitsvergaben umgesetzt werden.

Rheinland-Pfalz

Mit Rundschreiben vom 10. März 2022 hat das rheinland-pfälzische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau folgende Wertgrenzen festgelegt:

Bauleistungen nach VOB/A

  • Beschränkte Ausschreibung (ohne Teilnahmewettbewerb): 1,0 Mio. Euro (bisher 200.000 Euro)
  • Freihändige Vergabe bzw. Verhandlungsvergabe: 100.000 Euro (bisher: 40.000 Euro)

Liefer- und Dienstleistungen nach UVgO

  • Beschränkte Ausschreibung (ohne Teilnahmewettbewerb): 100.000 Euro (bisher 80.000 Euro)
  • Freihändige Vergabe bzw. Verhandlungsvergabe: 100.000 Euro (bisher: 40.000 Euro)

Das Land hat im August 2022 weitere Vereinfachungen für Beschaffungen in Kraft gesetzt, die zur Bewältigung der Folgen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine dienen. Ein umfassender Bericht ist hier zu finden.

Sachsen

Das sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr erklärte auf Anfrage, dass ein Großteil der Beschaffungen im Kontext der Ukraine-Krise unter Anwendung der Regelungen zur Dringlichkeitsbeschaffung erfolge. Ansonsten seien in diesem Zusammenhang seitens des Freistaates Sachsen keine vergaberechtlichen Erleichterungen geplant.

Zudem seien im Sächsischen Vergabegesetz sowohl die Schwellenwerte für Freihändige Vergaben als auch die Anwendung der VOL/A und VOB/A durch entsprechende Bestimmungen vorgegeben. Eine Abweichung hiervon sei ohne Änderung des Sächsischen Vergabegesetzes nicht möglich.

Sachsen-Anhalt

Das Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt erklärte auf Anfrage, dass die bereits geltenden Vergabeerleichterungen auch im Kontext der Ukraine-Krise ein wirksames Instrument wären, um schnell und rechtssicher Beschaffungen durchführen zu können.

Das gilt für die Verlängerung der Auftragswerteverordnung vom 15.12.2021, veröffentlicht im GVBl. LSA Nr. 44 vom 21.12.2021 auf Seite 615 (PDF), bis zum 31.12.2022. Dabei wurden die Wertgrenzen für vereinfachte Vergabeverfahren (beschränkte Ausschreibung und freihändige Vergabe) erheblich angehoben und teilweise bis zur Obergrenze dessen, was der landesrechtliche Rahmen hergibt, ausgeschöpft also bis zum Schwellenwert ausgeweitet. Auch wurden in diesem Rahmen bereits die Wertgrenzen für Direktvergaben für Liefer- und Dienstleistungen auf 5.000 Euro und für Bauleistungen auf 10.000 Euro angehoben.

Schleswig-Holstein

Die Landesverordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu Gunsten Schutzsuchender wurde am 31.03.2022 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein veröffentlicht und trat am 01.04.2022 in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft.