Ehemaliges preußisches Regierungsgebäude in den Rheinanlagen von Koblenz, Sitz der Leitung des BAAINBw (Quelle)

Derzeit rücken einmal mehr vermeintliche Mängel bei der Beschaffung für die Bundeswehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Der Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr tritt dem mit einer lesenswerten Wortmeldung entgegen.

Läuft ein öffentliches Vorhaben gut, haben Politik und Fachbereiche einen guten Job gemacht. Gibt es Probleme bei der Beschaffung, wird hingegen reflexartig auf das Vergaberecht oder auf die Vergabestelle als die wahrscheinlichsten Störquellen verwiesen.

Mit Blick auf die dringender werdenden Ausstattungsdefizite der Truppe ist nun das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) verstärkt in die Kritik geraten.

In einer lesenswerten Presseerklärung zeigt der Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr e.V. (VBB) ein deutlich differenzierteres Bild auf. Wir überlassen Ihnen die Einschätzung, ob sich einige der dort aufgeworfenen Aspekte nicht auch auf andere Fachbereiche des Beschaffungswesens übertragen lassen:

„mehr oder weniger blank“

Am 24. Februar 2022 hat der russische Präsident mit dem Beginn der Invasion in die Ukraine das Völkerrecht gebrochen. Ein hochrangiger General reagierte in einer Weise, deren Auswirkungen auf die eigene Truppe nur erahnt werden können: Auf LinkedIn beklagte der Inspekteur des Heeres, dass das Heer, das er führen dürfe, „mehr oder weniger blank“ dastehe.

Sigmar Gabriel hat in einem Interview in der ARD-Sendung Maischberger am 24.02 2022 den vermeintlich Schuldigen an dem behaupteten Desaster der Bundeswehr indirekt ausfindig gemacht und deutliche Kritik am BAAINBw geäußert. Der Generalanzeiger (Bonn) vom 25.02.2022 zitiert ihn wie folgt: „Vielleicht ginge es für die Bundeswehr ohne Koblenz besser“. In der FAZ vom 01.03.2022 wird erneut plakativ die „Beschaffungsbürokratie“ bemängelt.

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Wer entscheidet über die Beschaffung der Bundeswehr?

Es stellt sich die Frage, was die hartnäckigen Kritiker der Beschaffung der Bundeswehr eigentlich genau kritisieren. Und schreiben sie dem BAAINBw in ihrer Kritik vielleicht eine Kompetenz zu, die es gar nicht hat?

Kritisieren sie die politischen Entscheidungen, die den Wehretat über Jahre unter der 2%-NATO-Vorgabe gelassen haben? Kritisieren sie den Beschaffungsprozess der Bundeswehr? Wissen sie, dass ganz am Anfang dieses Prozesses der – in der Regel langjährige – Planungsprozess der Bundeswehr steht?

Wissen sie, dass der Generalinspekteur der Bundeswehr die gesamtplanerische Verantwortung für die Konzeption der militärischen Verteidigung hat und dass diese in ihrer Gesamtheit unteilbar ist? Planung muss dabei eine strategische, fähigkeits- und innovationsorientierte Top-Down-Steuerung der Bundeswehr ermöglichen (so die Zentrale Dienstvorschrift A 400/6).

Die Kompetenzen des BAAINBw

Wissen sie, dass das BAAINBw erst auf der Grundlage der politischen Entscheidungen und der Auswahlentscheidungen die eigentliche Beschaffung, sozusagen die Bestellung und den Vertragsschluss vornimmt? Es ist nicht schädlich, zu wissen, dass das BAAINBw nicht über das „Ob“, das „Was“ und das „Wieviel“ einer Beschaffung entscheidet. Das BAAINBw hat keine Entscheidungsbefugnisse über Beschaffungsinhalte und Beschaffungsmengen, da diese allein von den Bedarfsträgern (Planungsamt und Kommando CIR) auf der Grundlage des jährlich angepassten Fähigkeitsprofils und den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln bestimmt wird.

Das BAAINBw ist als Teil der Exekutive bei jeder Vergabe an das europäische Vergaberecht, umgesetzt im GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), der VSVgV (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit) und der VGV (Vergabeverordnung) sowie der UVgO (Unterschwellenvergabeverordnung) gebunden. Mit der entsprechenden EU-Richtlinie im Jahr 2012 wurde das Vergaberecht justitiabel gemacht und die deutsche Industrie macht großen Gebrauch davon. Sollte eine Vergabe bis zum zuständigen OLG Düsseldorf angegriffen werden, ruht sie für ca. 1,5 Jahre. In diesen Tagen erst wird der langjährige gerichtliche Streit um das Sturmgewehr ein Ende finden.

Die Mitarbeiter des BAAINBw sind bereit

Wissen die Kritiker auch, dass die „Fesseln“ des Vergaberechts mindestens auf ministerieller Ebene, wenn nicht sogar auf parlamentarischer Ebene beseitigt werden müssten? Gibt es ministerielle Forderungen nach Ausnahmeregelungen für militärische Beschaffungen? Ist dies an den politischen Raum transportiert worden?

Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben, wie sie in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Scholz in der Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 27.02.2022 angekündigt wurde, schreckt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAAINBw nicht. Sie sind bereit, gemeinsam die Beschaffung für eine vollständig ausgerüstete Bundeswehr umzusetzen. Sie wissen aber auch, dass die Beschaffung von Material immer auch mit qualitativen und quantitativen Personalbedarf der Streitkräfte, Logistik, Instandsetzung sowie Infrastrukturforderungen verbunden ist, was stets als Ganzes betrachtet werden muss und ebenfalls Geld kostet. Aber das ist wiederum eine Frage der Planungsverantwortung des Generalinspekteurs (s.o.).

Ein erster Schritt zur Verbesserung

Beschaffung in der Bundeswehr umfasst einen langwierigen Prozess mit den Streitkräften als Nutzern, dem Planungsamt und Kommando CIR als Bedarfsträger und dem BAAINBw sowie Inhouse-Gesellschaften als Bedarfsdecker. Geprägt wird die Komplexität des Planungs- und Beschaffungsprozesses von gesetzlichen Vorgaben, internen Regelungen und Vorschriften, aber auch von den Interessen und dem Leistungsvermögen der Rüstungsindustrie.

Der erste Schritt zur Verbesserung wäre eine faire Analyse des Gesamtprozesses, um auf dieser Basis die Rahmenbedingungen zu verändern, die den Prozess bestimmen, und um im Ergebnis eine Beschleunigung zu erreichen. Diese transparente, lösungsorientierte Analyse muss unter Einbeziehung aller beteiligten Player erfolgen. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn die Interessen des zivilen Rüstungsbereiches nicht nur von Soldaten „vertreten“ werden.

Der reflexartige Fingerzeig auf ein Bundesamt, das nur ein Teil eines offenkundig problembehafteten Gesamtprozesses ist, greift dabei zu kurz. Auch die Verteilung der zusätzlichen 100 Milliarden Euro erfolgt nicht im rechtsfreien Raum, obgleich sich in der Rüstungsindustrie bereits eine Goldgräberstimmung breit macht.