In der Vergabepraxis kommt es vor, dass die Eignung des Zuschlagskandidaten erneut geprüft werden muss. Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat in einem jüngeren Beschluss (vom 25.08.2021, 1 VK 42 / 21) hierzu weiterführende Ausführungen getätigt.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Auslöser erneuter Eignungsprüfungen sind oft Wettbewerber, die nach der Vorab-Information (§ 134 GWB) in Kenntnis des Zuschlagskandidaten dessen Eignung infrage stellen. Auch kann es wie im vorliegenden Fall vorkommen, dass die Vergabestelle selbst Erkenntnisse erlangt, die einen Wiedereintritt in die Eignungsprüfung rechtfertigen.

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Dienstleistungsauftrag im Offenen Verfahren aus. Als Eignungskriterium war unter anderem gefordert: „Nachweis von mind. einem, vorzugsweise 3 vergleichbaren Referenzprojekten (Pfortendienst) der letzten 3 Jahre durch eine Eigenerklärung“, wobei Projektbezeichnung, Leistungszeit etc. anzugeben war.

Eine Bieterin bekam zunächst die Mitteilung von der Vergabestelle, dass nach dem derzeitigen Stand des Vergabeverfahrens beabsichtigt sei, ihr Angebot anzunehmen.

Noch in der zehntägigen Stillhaltefrist schloss die Vergabestelle die Bieterin vom Vergabeverfahren aus, weil sie angeblich ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern, Abgaben oder Beiträgen zur Sozialversicherung nicht nachgekommen sei. Wie sich später herausstellte, handelte es sich hierbei um eine Verwechslung. Diesen Irrtum der Firmenverwechslung nahm die Vergabestelle zum Anlass, die von der Bieterin angegebenen Referenzprojekte sowie deren Zertifizierung zu überprüfen.

Das an die Bieterin gerichtete Auskunftsersuchen konnte im Ergebnis die Zweifel an der Eignung nicht ausräumen, zumal herauskam, dass die Verträge der Referenzaufträge nicht mit der Bieterin, sondern mit einer anderen Firma geschlossen wurden. Die Bieterin hatte diesen Umstand in ihrem Angebot nicht offengelegt.

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II. Der Beschluss

Die Vergabekammer hielt den Nachprüfungsantrag für zulässig, aber unbegründet.

1. Kein Vertrauensschutz bei Eignungsprüfung

Zunächst führte sie im Hinblick auf die erneute Eignungsprüfung der Bieterin aus, dass es keine gesetzliche Regelung für den Schutz des Vertrauens der Bieter auf den Bestand der Beurteilung ihrer Eignung durch die Vergabestelle im Offenen Verfahren gebe. Hierfür bestünde auch kein Bedürfnis, da die Bieter den mit der Angebotserstellung verbundenen Aufwand zumindest im Wesentlichen bereits vor der Eignungsprüfung erbracht hätten.

Allerdings sei eine besonders kritische Prüfung geboten, wenn eine Vergabestelle ihre Beurteilung der Eignung zum Nachteil eines Bieters revidiere, insbesondere nachdem dieser einen Nachprüfungsantrag gestellt hätte. Maßstab sei, ob diese Entscheidung die im Interesse eines verantwortungsvollen Einsatzes öffentlicher Mittel gebotene Korrektur einer Fehleinschätzung darstelle oder von sachfremden Erwägungen getragen sein könnte.

2. Aufklärungsermessen verdichtet sich zur Aufklärungspflicht

Das dem öffentlichen Auftraggeber gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 VgV hinsichtlich der Bietereignung zukommende Aufklärungsermessen verdichte sich zu einer Aufklärungspflicht, wenn der öffentliche Auftraggeber durch eigene Recherchen Zweifel an der Eignung des Bieters erhalte.

Insoweit sei nicht zu beanstanden, dass die Vergabestelle den ihr unterlaufenen Irrtum der Firmenverwechslung u.a. zum Anlass genommen habe, die von der Antragstellerin angegebenen Referenzprojekte zu überprüfen. Im Gegenteil: Bei der Prüfung, ob die Verwechslung weitere bislang unentdeckte Fehler zur Folge hatte, handele es sich um eine mit Blick auf § 97 Abs. 2 GWB sowie § 122 Abs. 1 GWB gebotene Fehlerkorrektur der Vergabestelle.

3. Referenzen nicht dargelegt

Zunächst stellte die Vergabekammer fest, dass eine Referenz bereits nach der Wortbedeutung und der allgemeinen Verkehrsauffassung die eigene Leistung eines Bieters darstelle. Da ein Bieter in seinem Angebot nur Erklärungen und Verpflichtungen für sich im eigenen Namen abgebe, können sich seine Angaben ohne ausdrückliche anderweitige Angaben nur auf ihn selbst beziehen.

Handele es sich bei einem Bieter nicht um den Auftragnehmer, d.h. Vertragspartner des Referenzgebers, sei für jede Referenz die Offenlegung erforderlich, welche konkrete Tätigkeit über welchen Zeitraum in welcher Funktion erbracht wurde oder ob eine Eignungsleihe vorliege. Denn Referenzen für Leistungen, die beispielsweise als Nachunternehmer für den Auftragnehmer erbracht worden seien, könnten die technische und berufliche Leistungsfähigkeit ausschließlich für die durch den Bieter selbst erbrachte Nachunternehmerleistung belegen.

Um die Eignung eines Bieters, bei dem es sich nicht um den Vertragspartner des Referenzgebers handelt, überhaupt beurteilen zu können, sei folglich die Kenntnis des Auftraggebers von Art, Dauer und Ausgestaltung der Teilhabe an der Leistungserbringung erforderlich.

4. Zweifelbehaftetes Angebot nicht annahmefähig

Eine derartige ausdrückliche Offenlegung sei dem Angebot der Antragstellerin hinsichtlich keines der als Referenzen angegebenen Projekte zu entnehmen. Zusätzlich sei die Bieterin dem Aufklärungsverlangen der Vergabestelle nicht nachgekommen.

Aus Sicht der Vergabekammer ist die Rechtsfolge klar: Verweigere ein Bieter die geforderten Aufklärungen, sei das Angebot zwingend auszuschließen. Denn ein zweifelbehaftetes Angebot sei nicht annahmefähig. Diese Wertung folge auch aus dem Rechtsgedanken des § 15 EU Abs. 2 VOB/A. Reagiere ein Bieter auf das Aufklärungsverlangen mit unzureichenden Angaben, stünde dies einer Weigerung gleich.

Vorliegend sei insbesondere unklar geblieben, bei welchen der angegebenen Projekte die Bieterin Auftragnehmerin war. Zum Teil habe die Bieterin in ihrer Antwort erstmalig darauf verwiesen, dass sie „quasi als Kooperationspartner der Firma X1“ tätig geworden sei.

Dies stelle nach Ansicht der Vergabekammer eine nicht berücksichtigungsfähige Änderung des Angebots dar. Ein Bieter müsse sich an dem objektiven Erklärungsinhalt seines Angebots festhalten lassen. Die Informationsgewinnung im Rahmen einer Aufklärung dürfe nicht zu einer Änderung des Angebots führen.

Selbst wenn die Auskunft berücksichtigungsfähig wäre, wäre diese zudem unzureichend. Was unter einer „Quasi-Kooperationspartnerschaft“ mit der anderen Firma zu verstehen sei, habe die Bieterin nicht dargelegt. Welche konkrete Tätigkeit die Bieterin über welchen Zeitraum in welcher Funktion erbracht haben will, sei unklar.

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5. Zur Angemessenheit der Aufklärungsfrist

Angesichts der nur kurzen Aufklärungsfrist von nur zwei Tagen verwies die Vergabekammer zunächst darauf, dass die VgV keine Regelung zur Länge der Frist enthalte. Die Angemessenheit könne in Anbetracht der unterschiedlichen Inhalte von Aufklärungsbegehren folglich nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Sei die Aufklärung leicht zu erteilen, könne im Extremfall eine Frist von zwei Tagen angemessen sein.

Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Vergabestelle die Bieterin gerade nicht zur Vorlage von noch zu beschaffenden Nachweisen, sondern lediglich zur Stellungnahme zu bereits vorgelegten Angebotsbestandteilen aufgefordert habe. Dies sei in der Frist leistbar gewesen.

III. Hinweise für die Praxis

Referenzen bieten zweifelsohne sehr wertvolle Hinweise zur Eignung von Bietern und Bewerbern. Die gängige Praxis der Eigenerklärung – auch bei Referenzen – kann allerdings dazu führen, dass falsche Angaben zu den Referenzen unentdeckt bleiben. Vergabestellen sind daher gut beraten, zumindest bei den Zuschlagskandidaten die Referenzen zu überprüfen. Das ist hierbei keinen Vertrauensschutz der Bieter gibt, hat der vorstehende Beschluss noch einmal klargestellt.