Das OLG Zweibrücken hat zu den Wechselwirkungen zwischen vergaberechtlichen Regelungen eines Bundeslandes und dem Rechtsschutz Stellung genommen.
Der Autor
Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.
Die historisch gewachsene Zweiteilung des Vergaberechts in das sogenannte EU-Vergaberecht und das nationale Vergaberecht führt auch zu einer Zweiteilung des Rechtsschutzes. Das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelte klassische Nachprüfungsverfahren greift nur bei Anwendbarkeit des EU-Vergaberechts.
In Bezug auf nationale oder sogenannte Unterschwellenvergaben ist zumeist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Mittel der Wahl, um Rechtsschutz in einem konkreten Vergabeverfahren zu erlangen.
Das OLG Zweibrücken hat in einer jüngeren Entscheidung (1 U 93/20 vom 11.10.2021) zu den Voraussetzungen eines entsprechenden Antrags sowie den Wechselwirkungen zwischen den vergaberechtlichen Regelungen eines Bundeslandes und dem Rechtsschutz Stellung genommen.
I. Der Sachverhalt
In Rheinland-Pfalz wird ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen gemäß VOB/A durchgeführt. Der geschätzte Auftragswert liegt unter dem EU-Schwellenwert. Das Angebot eines Bieters wird nach einem Bietergespräch wegen Vornahme einer unzulässigen Mischkalkulation von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Diesen Umstand rügt der Bieter nicht. Er wendet sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Landgericht und, nachdem dieser zurückgewiesen wurde, an das OLG Zweibrücken.
1. Exkurs zu den landesrechtlichen Bestimmungen
In Rheinland-Pfalz existiert ein spezieller Rechtsschutz für Unterschwellenvergaben, der in der „Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 26. Februar 2021“ geregelt ist – unseren Beitrag zum Thema finden Sie hier.
Demnach sind die Vergabeprüfstellen für die Prüfung der Einhaltung der von den Auftraggebern anzuwendenden Vergabevorschriften zuständig. Bewerber oder Bieter können unter näher definierten Voraussetzungen die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften beanstanden. Auch hier gibt es ‑ ähnlich der Systematik im EU-Vergaberecht ‑ eine Informations- und Wartepflicht. Grundsätzlich darf ein Vertrag erst sieben Kalendertage nach Absendung der entsprechenden Information geschlossen werden.
II. Die Entscheidung des OLG
Der Senat hat die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Unter anderem, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Hinsichtlich der maßgeblichen Verfahrensregeln für Vergabeverfahren sowie ihrer materiell-rechtlichen Anforderungen im unterschwelligen Vergabebereich habe sich eine weitgehend übereinstimmende obergerichtliche Rechtsprechung herausgebildet und verfestigt. Das gelte namentlich für die im Streitfall zu entscheidenden Rechtsfragen hinsichtlich einer Rügeobliegenheit zulasten des Bieters und in Bezug auf Mischkalkulationen und deren Folgen.
1. Keine Zuständigkeit des Landgerichts
Der Senat hält zum einen daran fest, dass bereits die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Zweibrücken nicht gegeben und dieser Umstand auch im Berufungsverfahren – ausnahmsweise – beachtlich war.
Es läge eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor. Deren maßgebliche Vorfrage – nämlich ob es sich um ein vergaberechtswidriges Verhalten der Verfügungsbeklagten im Unterschwellenbereich handele, wenn die Verfügungsklägerin im Verfahren wegen des von ihr unterbreiteten Angebots unberücksichtigt gelassen werde – würde sich nach Kartellrecht beurteilen.
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Insoweit würden bereits die VOB/A und die sonstigen im Streitfall maßgeblichen Vorschriften materielles Kartellrecht beinhalten. Ganz abgesehen davon müssten sich Vergabeentscheidungen ganz grundsätzlich auch an den Regelungen der §§ 19 ff. GWB messen lassen. Insoweit seien gem. § 87 GWB eigentlich die Landgerichte ausschließlich zuständig.
In diesem speziellen Fall sei aber auf die vorrangige Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 26.02.2021 (GVBI. S. 123) hinzuweisen, die auf dieses Verfahren Anwendung fände.
2. Rügeobliegenheit
Der Senat hielt zum anderen daran fest, dass der Bieter die ihn treffende Rügeobliegenheit verletzt habe. Spätestens nach einem zu dem vermeintlichen Vergabeverstoß geführten Bietergespräch hätte die Rüge erfolgen müssen. Hier verweist der Senat auf seine frühere Rechtsprechung, in der er auf die Rügeobliegenheit im Unterschwellenbereich hingewiesen hat.
Ausdrücklich stellte der Vergabesenat fest, dass die Bieterin ausblende, dass eine Wartefrist für die Zuschlagserteilung im Unterschwellenbereich in Rheinland-Pfalz existiere.
III. Hinweise für die Praxis
Mit den jeweiligen landesrechtlichen Vergabegesetzen wird auch in erheblichem Umfang der Rahmen für die Möglichkeiten des Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich festgelegt. Bieter und Bewerber sind gut beraten, sich mit diesen Regelungen vertraut zu machen.
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Titelbild: holdmypixels – Pixabay
Ich kann die Entscheidung des Landesgerichts schon nachvollziehen. Ich wusste nicht, dass in der Pfalz ein gewissen Rechtsschutz für Unterschwellen-Bereiche gilt. Gilt das auch bezüglich Rechtsschutz für Gewerbe?