Bereits im August haben wir die Wahlprogramme der fünf Parteien mit realistischer Aussicht auf Regierungsbeteiligung auf ihre vergaberechtlichen Vorstellungen überprüft. Welche Forderungen haben es in den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geschafft?
Die öffentliche Hand als Vorreiterin des sozial-ökologischen Wandels (SPD), schlankere Vergabebestimmungen (FDP) und ein Bundestariftreuegesetz (Grüne): So leicht lassen sich die politischen Vorstellungen der Koalitionäre nicht unter einen Hut bringen – aber das gilt ja längst nicht nur für das Vergaberecht. Immerhin hat man sich im jüngst bekannt gewordenen Koalitionsvertrag sogar auf ein dezidiertes Kapitel verständigt.
Vergaberecht: Vereinfachen, beschleunigen …
Und das zeugt vom Ringen um den Kompromiss. Der Auftakt – man wolle öffentliche Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen – trägt wohl am deutlichsten eine liberale Handschrift. Erst danach folgt ein Bekenntnis zur sozialen und ökologischen (aber auch wirtschaftlichen und innovativen) Ausrichtung. Nicht ohne den Zusatz, weder die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen gefährden noch Zugangshürden für den Mittelstand, erhöhen zu wollen.
Klimakosten berechnen, zentrale Informationsplattform
Während einerseits neue Berichtspflichten angesichts der Ankündigung eines Systems zur Berechnung von Klima- und Umweltkosten unter Beteiligung der öffentlichen Hand dräuen, macht die Ankündigung des Aufbaus einer anwenderfreundlichen zentralen (Zugangs-)Plattform zu allen öffentlichen Auftragsbekanntmachungen sowie der Präqualifizierung der Unternehmen zunächst Hoffnung.
Denn die Bekanntmachung EU-weiter Vergaben kann zwar bereits weitgehend vollständig im Amtsblatt S der EU bzw. der entsprechenden Datenbank TED recherchiert werden, ein entsprechend verbindliches Pendant für nationale Vergaben fehlt jedoch noch.
Bemühungen, die ehemalige „bund.de“-Plattform in entsprechender Weise auszubauen, zeigten offenkundig nicht die politisch gewünschten Ergebnisse, sodass bereits vor Monaten entsprechende Projekte im Kontext des Online-Zugangsgesetzes (OZG) aufgelegt wurden. An diesen ist auch cosinex – unter Federführung der Länder Bremen und Nordrhein-Westfalen – als Lösungsanbieter unter anderem im Hinblick auf entsprechende Schnittstellen und Datenstandards beteiligt.
Die grüne Forderung nach einem Bundestariftreuegesetz findet sich in abgeschwächter Form im Kapitel Tarifautonomie: Demnach werde die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden. Dabei solle die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruhen.
Weitere Berührungspunkte mit der öffentlichen Auftragsvergabe ergeben sich zudem in dem Kapitel zur maritimen Wirtschaft (Seite 28 des Koalitionsvertrages) sowie Ausführungen zum öffentlichen Verkehr und neuen Mobilitätsangeboten (Seite 50 des Koalitionsvertrages)
Das Kapitel Vergaberecht des Koalitionsvertrags im Wortlaut
Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen. Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen. Wir werden die bestehenden Anforderungen entsprechend des europäischen Vergaberechts im nationalen Vergaberecht präzisieren. Die öffentliche Hand soll sich am Aufbau eines Systems zur Berechnung von Klima- und Umweltkosten beteiligen.
Wir wollen die rechtssichere Digitalisierung in diesem Bereich vorantreiben und dazu eine anwenderfreundliche zentrale Plattform schaffen, über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind und die eine Präqualifizierung der Unternehmen ermöglicht. Wir wollen schnelle Entscheidungen bei Vergabeverfahren der öffentlichen Hand fördern und unterstützen dabei Länder und Kommunen bei der Vereinfachung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Der Koalitionsvertrag bei der SPD, den Grünen und der FDP
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Titelbild: Greg Montani – Pixabay