Nachhaltige Beschaffung macht Unis und das Studium lebenswert | Bild: Scott Rodgerson - Unsplash

In einem Beitrag aus einer Reihe zum Thema Nachhaltigkeit in Kooperation mit der Zeitschrift Kleine Kniffe beleuchten Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lützkendorf und Diplom-Kauffrau Christine Stecker die nachhaltige Beschaffung in wissenschaftlichen Einrichtungen.

Nachhaltige Beschaffung ist für viele Institutionen und Unternehmen eine praktische Möglichkeit, Prinzipien und Leitbilder einer nachhaltigen Entwicklung konkret umzusetzen. Durch entsprechend formulierte Ausschreibungen und die Vergabe von Leistungen oder bei Auswahl und Erwerb entsprechender Produkte trägt sie zu Ressourcenschonung und Umweltschutz sowie zu fairen Arbeitsbedingungen bei.

Die 2012 gestartete Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Nachhaltigkeit in der Wissenschaft – Sustainability in Science Initiative (SISI) unterstützt Hochschulen, außeruniversitäre Forschungsorganisationen und Studierenden-Initiativen dabei, Nachhaltigkeit in den verschiedenen Bereichen des Wissenschaftssystems zu implementieren. In zwei Förderprojekten wurde erforscht, wie sich nachhaltige Beschaffung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen umsetzten lässt.

LeNa-Projekt der außeruniversitären Forschungseinrichtungen

Die außeruniversitären Forschungsorganisationen Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft haben zusammen mit der Förderung des BMBF den Leitfaden Nachhaltigkeitsmanagement für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (LeNa) erarbeitet.

Planungs und Bauleistungen, Energie und Reinigung

„Grüne“ oder „nachhaltige Beschaffung“ ist eine von vielen Handlungsmöglichkeiten, die im Rahmen des Verbundprojekts LeNa ausführlich diskutiert wurden. Die Handreichung enthält umsetzungsorientierte Hinweise. Im Kontext der Planung, Errichtung und Bewirtschaftung von Gebäuden und baulichen Anlagen betreffen diese unter anderem

  • die Beschaffung von Planungs- und Bauleistungen unter Berücksichtigung einer besonderen Sachkunde in den Bereichen Ressourcenschonung, Umweltschutz, Komfort und Sicherheit, Lebenszykluskosten und Wirtschaftlichkeit sowie der gestalterischen und städtebaulichen Qualität bei zusätzlicher Einbeziehung von Nachhaltigkeitsbewertungssystemen;
  • die Beschaffung von Energiedienstleistungen, beispielsweise mit einer gezielten Abfrage von Primärenergie- und Emissionsfaktoren;
  • die Beschaffung von Reinigungsdienstleistungen unter besonderer Beachtung des Gesundheits- und Umweltschutzes.

Recyclingfreudigkeit und Rücknahmeangebote als Kriterien

Damit geht die Bandbreite konkreter Handlungsmöglichkeiten deutlich über die keineswegs zu vernachlässigende Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten beim Einkauf von Büromaterial, Möbeln oder Kleingeräten hinaus. Hier leistet oft schon die Orientierung am „Blauen Engel“ eine erste Hilfestellung. Nicht nur die Merkmale und Eigenschaften der Produkte selbst, sondern auch die nachzuweisende Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards bei der Herstellung sowie die Recyclingfreundlichkeit oder Rücknahmeangebote durch Hersteller werden zu wichtigen Kriterien einer nachhaltigen Beschaffung.

Mit der Umweltproduktdeklaration (EPD) und dem Umweltfußabdruck (PEF) stehen Informationsgrundlagen zur Verfügung, die abgefragt und in die Auswahlentscheidung einbezogen werden sollten. Hierbei entwickelt sich der carbon footprint zu einem wesentlichen Kriterium.

Good practice: Green IT & 100% Recyclingpapier an der Universität Vechta

Die Universität Vechta achtet bei der Beschaffung neuer IT-Geräte auf Energieeffizienz, intelligente Funktionen und CO2-neutrale Toner in Druckern. Darüber hinaus wird zu 100% durch den Blauen Engel zertifiziertes Recyclingpapier eingesetzt. Die Initiative Pro Recyclingpapier, in Kooperation mit der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung des Bundesinnenministeriums sowie dem Umweltbundesamt, hat deshalb die Universität Vechta im Jahr 2015 erstmals ausgezeichnet.

Hochschulisches Verbundprojekt HOCHN

Mit dem Projekt HOCHN fördert das BMBF einen Verbund aus elf Universitäten und Hochschulen, die sich in einem Forschungsprojekt mit der Frage auseinandersetzen, wie nachhaltige Entwicklung in den verschiedenen Handlungsfacetten von Hochschulen gesamtinstitutionell gelingen kann. In der ersten Projektphase wurden Handlungsleitfäden unter anderem zum Thema nachhaltiger Betrieb an Hochschulen erarbeitet, wozu auch die nachhaltige Beschaffung gehört. Hierbei wird der Versuch unternommen, einerseits Hemmnisse, aber auch Treiber und konkrete Maßnahmen aufzuzeigen. In der zweiten Projektphase werden diese Leitfäden erprobt und angewendet.

Neue Impulse im Gebäudebereich

Bei der Beschaffung berücksichtigen nachhaltigkeitsorientierte Hochschulen umweltbezogene, soziale und ethische Aspekte. Viele Hochschulen können jedoch nicht autonom beschaffen, sondern sind in ihren Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen eingeschränkt. Hemmnisse im Gebäudebereich sind beispielsweise dann vorhanden, wenn die Liegenschaften nicht in Händen der Hochschulen, sondern der Länder liegen, und wirtschaftliche Aspekte bei der Beschaffung noch nicht mit nachhaltigen Lebenszykluskosten zusammenkommen. Gedeckelte Investitionen bei Neubauten verhindern nachhaltigere Bauweise oder Investitionen mit Vorreitercharakter.

Auch hier ist ein Umdenken dringend vonnöten, da Errichtung und Nutzung von öffentlichen Gebäuden letztlich aus Steuergeldern finanziert sind. Erfrischend wäre zum Beispiel der Ansatz von cradle-to-cradle (C2C): Nicht weniger schlecht beschaffen, sondern richtig. Klimaaktive Produkte leisten einen Mehrwert zum Klimaschutz und richten keinen Schaden für die Umwelt an. Sie gehen 1:1 wieder in Stoffkreisläufe ein, ohne degradiert zu werden. Technische Kreisläufe setzen auf die Nutzung, nicht den Besitz.

Fazit: Weitere Forschung notwendig

Diverse Beispiele des Gelingens (so etwa auf der HOCHN-Online-Landkarte) zeigen, wie die nachhaltige Beschaffung in wissenschaftlichen Einrichtungen gelebt wird. Gleichzeitig ist weitere Forschung notwendig, wie sie das BMBF mit der SISI Initiative ermöglicht, um Nachhaltigkeit weiterhin im Forschungssystem auszubauen.

  • Die LeNa-Handreichung zur nachhaltigen Beschaffung in außeruniversitären Forschungseinrichtungen finden Sie hier
  • Der Leitfaden nachhaltige Beschaffung an Hochschulen des HOCHN-Projekts finden kann hier heruntergeladen werden.

Autoren

Diplom-Kauffrau Christine Stecker Koordination BMBF-Projekt „Nachhaltigkeit an Hochschulen (HOCHN)“, Universität Hamburg

Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lützkendorf Leiter des Lehrstuhls für Ökonomie und Ökologie des Wohnungsbaus, KIT-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

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Kommunen und Behörden kaufen täglich Produkte und Dienstleistungen ein. Das Gesamtvolumen wird auf ca. 350 Mrd. EUR jährlich geschätzt. Mit diesem Volumen gibt es große Potenziale, ökologische und soziale Standards durchzusetzen. In Zusammenarbeit mit dem Magazin für nachhaltige Beschaffung „Kleine Kniffe“ (https://nachhaltige-beschaffung.com/) beleuchtet cosinex den Aspekt des nachhaltigen Einkaufs in seinen vielfältigen Facetten.

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