Ist die Entscheidung zur Beschaffung gefallen, stellt sich rasch die Frage nach den Wertungskriterien. Die Grundidee des Vergaberechts ist hier eindeutig: Es soll das wirtschaftlichste Angebot im Sinne des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses bezuschlagt werden. Demnach ist der Preis ein – wenn auch regelmäßig hoch anzusetzendes – Kriterium neben anderen.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Werden nicht-preisliche Kriterien herangezogen (zum Beispiel Qualität, Zweckmäßigkeit oder Ästhetik), stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese im Rahmen der Bewertungsmatrix benannt und erläutert werden müssen. Hierzu hat der Vergabesenat bei dem OLG Celle in einem jüngst ergangenen Beschluss (vom 15.03.2021, 13 Verg 1 / 21) am Beispiel des Kriteriums „Qualität der Konzepte“ Stellung genommen.

Der Sachverhalt

Die Auftraggeberin schrieb die Erbringung von Postdienstleistungen im offenen Verfahren aus. In den Vergabeunterlagen waren die Zuschlagskriterien wie folgt angegeben:

Kriterium/UnterkriteriumMaximal erreichbare Punktzahl
1. Angebotspreis700
2. Qualitätskonzepte
2.1. Logistikkonzept150
2.2. Personaleinsatzkonzept150
Max. Gesamtpunktzahl1000

Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit der höchsten Gesamtpunktzahl erfolgen.
Zu den Qualitätskonzepten wurde ausgeführt:

„Gewertet werden die konzeptionellen Ausführungen, die von den Bietern zu den einzelnen Unterkriterien mit dem Angebot abgegeben werden. Bieter sollten möglichst konkret und anschaulich erläutern, wie sie die Erwartungen des Auftraggebers erfüllen wollen. Die Angebote der Bieter werden im Verhältnis zueinander bewertet (sog. relative Angebotswertung). Das Angebot, das im Vergleich zu den anderen Angeboten die Erwartungen des Auftraggebers am besten erfüllt, erhält die Maximalpunktzahl im jeweiligen Unterkriterium. Die weiteren Angebote erhalten Punktzahlen entsprechend dem Umfang ihrer negativen Abweichung zum besten Angebot.“

Laut Vergabeunterlagen sollte das „beste Angebot“ mit 150 Punkte bewertet werden. Dementsprechend konnte man bspw. 90 Punkte erreichen, wenn folgendes Kriterium erfüllt wird: „Angebot weicht in geringem Umfang negativ vom besten Angebot ab“.

Sowohl hinsichtlich des Logistikkonzeptes als auch des Personaleinsatzkonzeptes waren in mehreren Spiegelstrichen Themen angegeben, auf die eingegangen werden sollte (bspw. Maßnahmen zum Schutz der Sendungen vor Diebstahl, Verlust oder Beschädigung; Aufgabenteilung im Personaleinsatz).

Ein Unternehmen hielt diese Bewertung u. a. für intransparent und damit für vergaberechtswidrig. Nach erfolglosem Nachprüfungsantrag legte es sofortige Beschwerde bei dem OLG ein.

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Die Entscheidung

Nach Ansicht des Vergabesenats habe das Unternehmen zu Unrecht den Umstand der fehlenden Angaben zur Gewichtung der Unterkriterien gerügt.

Zur Begründung wies er zunächst auf die allgemeinen Grundsätze hin: Die Zuschlagskriterien müssten so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet werde, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden könne und eine wirksame Überprüfung möglich sei, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen (§ 127 Abs. 4 Satz 1 GWB). Die Zuschlagskriterien spiegelten dementsprechend wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergäben. Hierfür sei ein weiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum eröffnet.

§ 127 Abs. 5 GWB schreibe vor, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssten. Das gelte sowohl für die Zuschlags(haupt)kriterien, als auch für die Unterkriterien.

Diesen Anforderungen werden die Zuschlagskriterien gerecht. Der Auftraggeber habe dort sowohl für die beiden Hauptkriterien Angebotspreis und Qualitätskonzepte, als auch für die Unterkriterien Logistikkonzept und Personaleinsatzkonzept die maximal erreichbare Punktzahl genannt. Soweit zum Logistikkonzept und zum Personaleinsatzkonzept jeweils noch mehrere Themen angeführt werden, auf die die Bieter bei der Darstellung der von ihnen vorgesehenen Logistikabläufe bzw. ihrer Personaleinsatzplanung mindestens eingehen müssen, handele es sich nicht um weitere Unter(unter)kriterien.

Unterkriterien sind solche Kriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen würden, worauf es dem Auftraggeber ankomme. Hier seien Unterkriterien nur die beiden zum Hauptkriterium „Qualitätskonzepte“ genannten Kriterien „Logistikkonzept“ und „Personaleinsatzkonzept“. Die zu diesen Unterkriterien genannten näheren Inhalte stellten lediglich thematische Mindestanforderungen an die zu erstellenden Konzepte dar. Die angeführten Inhalte seien ausdrücklich nicht abschließend. Den Bietern werde mitgeteilt, auf welche Themen sie in einem Lösungskonzept mindestens eingehen müssen.

Demnach waren die Kriterien ausreichend transparent.

Das Unternehmen habe auch ohne Erfolg beanstandet, dass die Mitteilung fehle, wie das „beste“ Konzept ermittelt werden soll. Hierzu stellte der Vergabesenat zunächst fest, dass die vorgesehene relative Bewertungsmethode als solche nicht zu beanstanden sei. Es werde auch hinreichend deutlich, anhand welcher Kriterien die Ermittlung des „besten“ Konzepts erfolgen solle. Dabei werde in den Vergabeunterlagen beispielsweise ausgeführt: „Gewertet werden die konzeptionellen Ausführungen, die von den Bietern zu den einzelnen Unterkriterien mit dem Angebot abgegeben werden. Bieter sollen möglichst konkret und anschaulich erläutern, wie sie die Erwartungen des Auftraggebers erfüllen wollen.

Soweit Bieter ihre Konzepte für die Erfüllung von Qualitätskriterien schriftlich darstellen sollten, habe der Wettbewerb partiell die Prägung eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung gehabt. Der Auftraggeber habe nicht im Voraus weitere Kriterien mitteilen müssen, anhand derer sich ergebe, wie das beste Konzept genau ermittelt werden soll. Denn Sinn des Ideenwettbewerbs sei es gerade, Konzepte zu entwickeln. Die Forderung nach Angabe weiterer Kriterien, anhand derer die Qualität der Konzepte bemessen werden solle, würde darauf hinauslaufen, den Bietern direkt oder mittelbar Lösungskomponenten vorzugeben, die diese zwangsläufig aufgreifen würden, um in der Angebotswertung bestehen zu können. Damit würde der Auftraggeber gezwungen werden, Aufgaben zu übernehmen, deren Lösung er im Rahmen der funktionalen Ausschreibung in vergaberechtlich unbedenklicher Weise auf die Bieter delegieren wollte (unter Hinweis auf: BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – X ZB 3/17, juris Rn. 46).

Allerdings müsse der Auftraggeber nach Eröffnung der Angebote seine maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar sei, welche konkreten Details des jeweiligen Konzepts ausschlaggebend für die Punktevergabe gewesen seien. Die Begründung werde dazu alle Informationen enthalten müssen, die notwendig sind, um seine Entscheidungen nachvollziehen zu können.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Hinweise zur Praxis

Die vorstehend in Teilen wiedergegebene Entscheidung des OLG Celle zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber sehr bewusst einen weiten Rahmen gesetzt hat, damit auch kreative und sachangemessene Bewertungskriterien angelegt werden können. Angesichts der häufig anzutreffenden Praxis, den Preis als alleiniges Kriterium zu bestimmen, kann das Mut machen, vielleicht häufiger auch qualitative Kriterien zu veranschlagen.

Weitere Informationen rund um Wertung und Wertungsmethoden

Wer sich näher mit dem Themenkomplex „Wertungskriterien und Wertungsmethoden“ auseinandersetzen möchte, hat die Möglichkeit, die Schulung „Grundlagen und Auswahl geeigneter Wertungsmethoden“ in der cosinex Akademie zu besuchen. Eine Möglichkeit, tiefer in das Universum der Wertungsmethoden und der damit einhergehenden Herausforderungen und Lösungsmechanismen einzutauchen, bietet zudem unsere vierteilige Beitragsreihe „Wie man Äpfel mit Birnen vergleicht“.

Bildquelle: BCFC – shutterstock.com