Geht es um die fachliche Leistungsfähigkeit, ist der Nachweis von Referenzen nach wie vor das wohl gebräuchlichste Eignungskriterium. Relativ unproblematisch erweisen sich in der Praxis die Fälle der Eignungsleihe, wobei sich der Auftragnehmer für eine Teilleistung auf die Eignung (Referenzen) seines Unterauftragnehmers beruft. Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Bewerberunternehmen erst vor Kurzem mit einem anderen Unternehmen fusioniert ist oder sich von einem anderen Unternehmen abgespalten hat.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Zu der Frage, unter welchen Umständen man sich dann auf die zur Referenz herangezogenen Leistungen, die von dem vorherigen Unternehmen erbracht wurden, berufen kann, hat nunmehr die Vergabekammer Südbayern in einem kürzlich ergangenen Beschluss Grundsätze herausgearbeitet (Beschluss vom 25.02.2021, Az: 3194.Z3-3-01-20–47).

Der Sachverhalt

Die Vergabe von Projektsteuerungsleistungen für einen universitären Neubau wurde EU-weit ausgeschrieben. Im Rahmen des vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs sollten zum Nachweis unter anderem maximal drei vergleichbare Referenzprojekte benannt werden. „Auflistung von geeigneten Referenzen über vom Bewerber in den letzten acht Jahren erbrachten Dienstleistungen.

Im weiteren Verlauf wurde ein Unternehmen als Zuschlagskandidat ermittelt. Der Zuschlagskandidat hatte als Referenzen Aufträge von verschiedenen Vorgängerunternehmen angegeben. Teilweise waren die Leistungen Gegenstand laufender Gerichtsverfahren und teilweise war der Leistungsumfang noch unklar. Als der zweitplatzierte Bieter über die anstehende Zuschlagserteilung informiert wurde, hat er einen Nachprüfungsantrag gestellt. Er legte unter Beifügung von Partnerschafts- und Handelsregisterauszügen dar, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Referenzübernahme eines anderen Bieters, insbesondere eines Vorgängerunternehmens, nicht vorlägen.

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Die Entscheidung

Die Vergabekammer hielt den zulässigen Nachprüfungsantrag teilweise für begründet. Im Ergebnis hat sie dem Auftraggeber untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Zuschlagskandidatin zu erteilen. Der Auftraggeber wurde verpflichtet, den Teilnahmeantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu prüfen.

Hierzu führte die Vergabekammer aus, dass sich der Zuschlagskandidat grundsätzlich auf die Referenzen seiner Vorgängerbüros berufen könne. Hierfür war ausschlaggebend, dass wesentliche Führungskräfte und Mitarbeiter, die an diesen Referenzaufträgen in den jeweiligen Vorgängerbüros mitgewirkt hatten, nach wie vor im Unternehmen sind. Dies reiche aus, da es bei der Vergabe von Projektsteuerungsleistungen insbesondere auf die Erfahrung der Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens und weniger auf unverändert übernommene, eingespielte Unternehmensstrukturen ankomme.

Allerdings könne sich ein Unternehmen nicht immer und ohne weitere Voraussetzungen auf Referenzen eines Vorgängerunternehmens berufen.

Wie ein Blick in die Richtlinienvorgabe des Art. 60 in Verbindung mit Anhang XII Teil II a) ii der Richtlinie 2014/24/EU zeige, könne der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit grundsätzlich nur durch vom Wirtschaftsteilnehmer selbst bereitgestellte bzw. erbrachte Lieferungen oder Dienstleistungen erbracht werden. Eine Rechtsgrundlage für die Zurechnung von Referenzen etwaiger Vorgängerunternehmen ist weder der Richtlinie 2014/24/EU, noch dem nationalen Recht zu entnehmen.

Ein neu gegründetes oder in seiner Unternehmensform verändertes Unternehmen könne daher nicht mit einem Unternehmen gleichgestellt werden, das unverändert weiterbesteht und sich daher auch dann auf erarbeitete Referenzen berufen könne, wenn wesentliche Mitarbeiter, die an den Referenzaufträgen mitgearbeitet haben, das Unternehmen verlassen haben. Ansonsten würde die Unterscheidung zwischen Unternehmensreferenzen und persönlichen Referenzen verwischt. In Anlehnung an das EuGH-Urteil vom 11.07.2019 (Rs. C-697/17 – Telecom Italia SpA) sei grundsätzlich eine rechtliche und tatsächliche Identität der Wirtschaftsteilnehmer erforderlich. Ausnahmen könnten nur gemacht werden, wenn die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs gewahrt seien.

Auch wenn Referenzen in der Form von Büroreferenzen gefordert würden, seien Referenzen bei freiberuflichen Leistungen in gewissem Maße personengebunden. Aus diesem Grund lasse die Rechtsprechung zu, dass ein Bewerber, der durch Neugründung, Verschmelzung oder Abspaltung aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, das die Referenzen erarbeitet hat, sich auch auf diese Arbeiten als Referenz berufen könne, wenn er die gleichen Personen beschäftige und über das bisher vorhandene Know-how verfüge (u. a. in Anlehnung an: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2019 – Verg 36/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.07.2010 – 11 Verg 5/10).

Im vorliegenden Fall seien die vorgelegten Referenzaufträge von mindestens drei verschiedenen Unternehmen erbracht worden. Die Zuschlagskandidatin habe aber glaubhaft darlegen können, dass die Referenzaufträge ungeachtet der Unternehmensänderungen durchgehend von wesentlichen Führungskräften und Mitarbeitern erarbeitet wurden, die bis heute im Unternehmen beschäftigt seien.

Die Zurechnung von Unternehmensreferenzen, die teilweise von Vorgängerunternehmen eines Bewerbers erbracht wurden, setze nicht voraus, dass das Personal, das bei der Durchführung des zuzurechnenden Referenzprojekts in leitender Position tätig war, auch bei dem zu vergebenden Auftrag in leitender Position tätig werde. Vielmehr müssten die Referenzen – soweit der Auftraggeber nichts Näheres festgelegt habe – lediglich geeignet sein und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens eröffnen. Dementsprechend sehe § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV auch nicht vor, dass der Bieter im Rahmen der Abfrage von Unternehmensreferenzen anzugeben habe, welche Personen den Referenzauftrag in leitender Position ausgeführt hätten. Andernfalls würde bereits der anderweitige Einsatz oder die Nichtverfügbarkeit einzelner Führungskräfte, die an den Referenzen mitgewirkt hätten, dazu führen, dass sich das neu formierte Unternehmen auf diese Referenzen nicht mehr berufen könne, obwohl das erworbene Know-how noch im Unternehmen vorhanden sei. Dies würde einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für solche Unternehmen darstellen. Zudem würde dadurch auch die Unterscheidung zwischen unternehmensbezogenen Referenzen und personenbezogenen Referenzen weitgehend nivelliert. Wolle der Auftraggeber den Einsatz von Personal mit bestimmten Erfahrungen sicherstellen, müsse er dies ausdrücklich über die Forderung persönlicher Referenzen tun.

Allerdings hat die Vergabekammer der Auftraggeberin aufgegeben, zu prüfen, ob der Teilnahmeantrag der Zuschlagskandidatin aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Prozesse zutreffend bewertet wurde. Sollten aufgrund der Rechtsstreitigkeiten z. B. Leistungen wie Mitwirken bei der Durchsetzung von Vertragspflichten gegenüber den Beteiligten, Überprüfen der Nachtragsprüfungen durch die Objektüberwachung oder Mitwirken bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung der rechtsgeschäftlichen Abnahmen nicht vollständig erbracht worden sein, müsse dies Auswirkungen auf die Bewertung der Teilnahmeanträge haben.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Hinweise für die Praxis

Büroreferenzen über erbrachte Projektsteuerungsleistungen eines Vorgängerunternehmens können einem Bewerber nur zugerechnet werden, sofern eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren, und den Mitarbeitern in den neu gegründeten Unternehmen festgestellt werden kann. Dabei reicht es für die Berücksichtigung von Büroreferenzen aus, wenn sich die Personen, die die Referenzen erarbeitet haben, noch im Unternehmen befinden, sie müssen nicht im Projektteam für den konkreten Auftrag benannt sein.

In diesen Fällen ist Bewerbern somit anzuraten, schon im Teilnahmeantrag die Kontinuität der personellen Ressourcen darzustellen. Denn nur so kann der Auftraggeber in die Lage versetzt werden, die Referenzen sachgerecht zu prüfen und ggf. auch dem potenziellen Vorwurf der mangelhaften Eignung des späteren Zuschlagskandidaten seitens eines unterlegenen Wettbewerbers von vornherein wirkungsvoll zu begegnen.

Bei der Einreichung von Referenzen des Vorgängerunternehmens muss somit ein besonderes Augenmerk auf eine gewisse Kontinuität der personellen Ressourcen gelegt werden, um dem Auftraggeber einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bewerbers zu ermöglichen.

Bildquelle: BCFC – shutterstock.com