Der Ausschluss eines Angebotes wegen vorangegangener Schlechtleistung eines Bieters wird zumeist unter dem Aspekt diskutiert, welche Verfehlung einen Ausschluss rechtfertigt. Der Vergabesenat bei dem OLG München hat in einem jüngst ergangenen Beschluss erläutert, wie die Vergabestelle vorgehen muss, damit der Ausschluss auch hält (Beschluss vom 29.01.2021, Verg 11 / 20).
I. Der Sachverhalt
Einem Unternehmen wurde ein Reinigungsvertrag wegen (angeblicher) Schlechtleistung im Bereich Grund- und Unterhaltsreinigung von dem öffentlichen Auftraggeber im März 2020 außerordentlich gekündigt.
Der Autor
Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.
In einem einen Monat später begonnen Vergabeverfahren (Los 1 Grund- und Unterhaltsreinigung; Los 2 Glasreinigung) gibt das Unternehmen ein Angebot für beide Lose ab. Die Leistungen für Los 2 hatte bislang dieses Unternehmen zur Zufriedenheit erfüllt.
Mitte Mai 2020 informierte die Vergabestelle die Antragstellerin, dass die Erteilung des Zuschlags für Los 2 an eine Wettbewerberin beabsichtigt sei. Das entsprechende Angebot des Unternehmens sei nach § 124 Abs. 1 Ziff. 7 GWB ausgeschlossen, da bei der Ausführung der o. g. Reinigungsleistungen erhebliche Mängel aufgetreten seien. Die Fortführung des gestörten Vertragsverhältnisses sei nicht zumutbar.
Im Vergabevermerk führte der Auftraggeber zur Begründung des Ausschlusses im Wesentlichen aus, im Vorfeld der Kündigung des Reinigungsvertrags seien des Öfteren Mängel der Reinigungsleistung aufgetreten. Vor allem seien unzählige erhebliche und dokumentierte Mängel bei der Reinigung festgestellt worden. Ein milderes Mittel, um ein sauberes Schulhaus zu garantieren, sei nicht in Sicht. Der Ausschluss sei geeignet, um für die Auftragserteilung eine andere, voraussichtlich besser geeignete Firma über die Auswertungsmatrix finden zu können.
Nach erfolgloser Rüge stellte das Unternehmen einen Nachprüfungsantrag.
Während des Nachprüfungsverfahrens sprach der Auftraggeber erneut die außerordentliche Kündigung des Reinigungsvertrags, u. a. wegen eines nicht angezeigten Nachunternehmereinsatzes, aus. Im ergänzten Vergabevermerk wurde ausgeführt, das Vertrauensverhältnis sei wegen des erst im Nachprüfungsverfahren bekannt gewordenen Nachunternehmereinsatzes zerrüttet und es herrsche „ein großes Misstrauen und ein ungutes Gefühl“ gegenüber dem Unternehmen.
Gegen den Ausschluss bei Los 2 wandte sich das Unternehmen an die Vergabekammer. Diese sah letztlich den Ausschluss als von dem Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllt an, weshalb das Unternehmen nunmehr mit der sofortigen Beschwerde gegen den Ausschluss vorging.
II. Die Entscheidung
Nach Ansicht des Vergabesenats sei die Ausschlussentscheidung so, wie sie getroffen wurde, rechtlich nicht haltbar. Damit war das Verfahren in das Stadium vor der Entscheidung über den Ausschluss zurückzuversetzen.
Dabei verkannte der Senat nicht, dass es Vorfälle gab, aufgrund derer man einen Ausschluss des Unternehmens in Betracht ziehen könnte. So hätten die wiederholten Beanstandungen der Reinigungsleistungen sogar zu Rechnungskürzungen und einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt. Ebenso sei der ohne schriftliche Zustimmung erfolgte Nachunternehmereinsatz grundsätzlich unzulässig.
Rechtlich problematisch sei allerdings, wie diese Aspekte bislang berücksichtigt wurden, wobei sich Rechtsfehler insbesondere unter den vier folgenden Gesichtspunkten ergaben:
1. Keine Dokumentation
In Bezug auf den gekündigten Reinigungsvertrag werde auf „erhebliche Mängel“ Bezug genommen, wobei aber keine näheren Einzelheiten geschildert würden. Ob die vom Antragsgegner herangezogenen Aspekte die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllten, könne mangels hinreichend ermittelter Tatsachengrundlage nicht abschließend vom Senat beurteilt werden. Es bedürfe insoweit auch keiner vertieften Prüfung und Entscheidung.
2. Keine vorherige Anhörung
Der Vergabesenat bemängelte, dass das Unternehmen vor dem Ausschluss nicht angehört wurde.
Gemäß § 124 Abs. 1 GWB komme ein Ausschluss eines Bieters nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Daraus folge die Pflicht des Auftraggebers, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhalte, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen.
Ausdrücklich verwies der Vergabesenat darauf, dass die Stellungnahme des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren die Anhörung mit nachfolgender ergebnisoffener Prognose- und Ermessensentscheidung durch den Antragsgegner nicht ersetzen könne.
3. Mangelnde Prognoseentscheidung
Der Vergabesenat verwies darauf, dass Auftraggeber vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB eine dokumentierte Prognoseentscheidung zu treffen hätten. Darin müssten sie darlegen, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten sei, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde.
Es erscheine durchaus denkbar, dies bereits aus einer festgestellten erheblichen Schlechtleistung in der Vergangenheit abzuleiten, bedürfe dann aber auch einer entsprechenden Dokumentation. Im vorliegenden Fall sei zudem mit in Betracht zu ziehen, dass nur die Glasreinigung ausgeschrieben sei. Die Schlechtleistungen der Vergangenheit seien aber im Bereich der Grund- und Unterhaltsreinigung angefallen, die von unterschiedlichem Personal durchgeführt würden.
Vor der Prognoseentscheidung bedürfe es der Anhörung des betroffenen Unternehmens und einer Einbeziehung des Ergebnisses der Anhörung in die Prognoseentscheidung. Auch dies wäre in der Dokumentation niederzulegen. Vorliegend mangele es daran: Ausführungen dazu, weshalb der Auftraggeber davon ausgehe, das Unternehmen werde auch den neuen Reinigungsauftrag nicht ordnungsgemäß durchführen, also erneut mangelhaft reinigen, enthalte der Vermerk nicht.
4. Ermessensfehler
Der Ausschluss eines Bieters nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liege im Ermessen des Auftraggebers. Die Ermessensentscheidung sei von den Nachprüfungsinstanzen allerdings nur eingeschränkt überprüfbar (Ermessensausfall, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch).
Die im ursprünglichen und im ergänzten Vergabevermerk dokumentierte Ermessensausübung berücksichtige wesentliche Aspekte nicht.
Zum einen habe das Unternehmen bereits 12 Jahre beanstandungsfrei Reinigungsleistungen für den Auftraggeber erbracht, wohingegen die Mängel lediglich einen Zeitraum der letzten 10 Monate betrafen. Dies hätte berücksichtigt werden müssen.
Zum anderen könne man von einer mangelhaften Grund- und Unterhaltsreinigung nicht per se darauf schließen, auch die Glasreinigung werde voraussichtlich mangelhaft erbracht, zumal diese von anderem Personal erbracht werde. Auch hierzu verhalte sich der Vergabevermerk nicht.
Ausdrücklich wies der Vergabesenat darauf hin, dass es keine zulässige Ermessungserwägung darstelle, wonach der Ausschluss des Unternehmens ein geeignetes Mittel sei, um für die Auftragserteilung eine andere, voraussichtlich besser geeignete Firma über die Auswertungsmatrix finden zu können. Dass bei einem Ausschluss eines Bieters ein anderer Bieter zum Zuge kommen könne, sei eine denknotwendige Folge. Der Wunsch nach einem anderen Auftragnehmer sei aber per se noch kein Grund für den Ausschluss eines Bieters.
Zudem weise die Ermessensausübung Widersprüche auf. So werde in keiner Weise erklärt, weshalb das Unternehmen bezogen auf das streitgegenständliche Los 2 (Glasreinigung) ausgeschlossen werden soll, bezogen auf das andere Los (Grund- und Unterhaltsreinigung) aber nicht. Vielmehr habe der Auftraggeber das Unternehmen bezüglich des Loses 1 sogar im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem hier erklärten Ausschluss zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dies sei nicht nachvollziehbar, zumal die Mängel in dem Bereich der Grund- und Unterhaltsreinigung angefallen seien.
5. Keine „Heilung“ im Nachprüfungsverfahren
Abschließend wies der Vergabesenat darauf hin, dass die Ausführungen des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren eine ergebnisoffen getroffene, erneute Ermessensentscheidung nach der nötigen Anhörung des Unternehmens nicht zu ersetzen vermögen.
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III. Hinweise für die Praxis
Der Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zwingt die Vergabestelle schon im Vorfeld eines möglichen Ausschlusses zu förmlichem Handeln, da sie mit Blick auf die Schlechtleistung rechtliche Maßnahmen ergreifen muss (beispielsweise Kündigung, Vertragsstrafe oder Ersatzvornahme). Soll eine in der Vergangenheit liegende Schlechtleistung als Begründung für den Ausschluss in einem laufenden Vergabeverfahren dienen, entsteht ein Spannungsverhältnis: Das Interesse des Auftraggebers an der Integrität und Leistungsfähigkeit seines zukünftigen Leistungserbringers kann nicht in jedem Fall einen Ausschluss wegen Schlechtleistung rechtfertigen. Vielmehr hat auch der Bieter subjektive Rechte und kann verlangen, dass sein Angebot grundsätzlich in die Wertung aufgenommen wird. Der Ausschluss ist eine der schärfsten Sanktionen, weil er den Zutritt zum Wettbewerb verhindert.
Die Lösung dieses Spannungsverhältnisses erfolgt weitgehend anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Wie der Vergabesenat bei dem OLG München sehr grundsätzlich dargestellt hat, muss der Bieter vor einem Ausschluss angehört werden. Seine Sichtweise und seine Argumente müssen bei der Prognoseentscheidung, ob der Bieter auch zukünftig mangelhaft leisten wird, berücksichtigt werden. Und letztlich muss die Vergabestelle ihr Ermessen richtig ausüben.
Unabhängig davon gilt auch bei dem Ausschluss für die Vergabestelle: „Wer schreibt, der bleibt.“ Insoweit müssen diese Gründe ordnungsgemäß hinsichtlich Sachverhalt und daraus abgeleiteten Folgerungen dokumentiert werden. Denn eines hat der Vergabesenat deutlich gemacht: Eine Heilung der unterbliebenen Anhörung ist im laufenden Nachprüfungsverfahren nicht mehr möglich.
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