Justitia

Ob im Büro, privat oder einfach als wichtiger Dienst to go – die E-Mail ist das Kommunikationsmittel Nummer 1. Nichtsdestoweniger ist sie nach wie vor ein vergaberechtlicher Fremdkörper, bis vor kurzem sogar mit infektiöser Wirkung auf formgerecht, weil verschlüsselt eingegangene elektronische Angebote. Recht generisch wird immer noch erschreckend häufig insinuiert, dass die Angebotsabgabe – insbesondere jene im Wege der unterschwelligen Verhandlungsvergabe gemäß UVgO – zulässigerweise mittels einfacher E-Mail erfolgen kann. Ein Blick auf die doch heterogenen, landesspezifischen Unterschwellenvergabeordnungen lässt hier zunächst keine größeren Zweifel aufkommen. Dass es sich tatsächlich nicht so (einfach) verhält, können Sie diesem Gastbeitrag von Alexander Weyland, Leiter der Abteilung Beschaffungen / Vergabestelle bei CISPA Helmholtz Center for Information Security entnehmen.

Das Land NRW hat die entsprechenden Regelungen zur Kommunikation, zur Aufbewahrung von Angeboten bzw. Teilnahmeanträgen sowie zur Angebotsöffnung von der dort in Kraft getretenen UVgO ausgenommen – bei Verhandlungsvergaben bis zu einem Auftragswert von 25.000 Euro ist die Abwicklung dort via einfacher E-Mail ausdrücklich für zulässig erklärt. Die Angebotsabgabe per E-Mail ist sehr einfach, Anlagen sind schnell hinzugefügt, die Bearbeitung erfolgt auf gewohnte Art und Weise.

Vergaberecht ist aber bekanntlich Richterrecht, der Umgang mit Angebotsabgaben mittels einfacher E-Mail in den einschlägigen Vorschriften auch nicht explizit geregelt. Auch und gerade für solche Fälle setzt die Rechtsprechung die Grenzen für das rechtlich Zulässige – und das Ergebnis ist nach stetiger Rechtsprechung einstweilen doch sehr eindeutig – die Angebotsabgabe per E-Mail ist derzeit weder ober- noch unterhalb der Schwelle rechtlich zulässig.

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Die Anforderungen an die Textform gemäß § 126b BGB

Die Angebote sind in Textform entsprechend § 126b BGB mithilfe elektronsicher Mittel zu übersenden. Die Textform (§ 126b BGB) unterscheidet sich insoweit von der Schriftform (126 BGB) und der elektronischen Form (§ 126a BGB).

Die Legaldefinition der Textform fordert gemäß § 126b BGB u. a., dass eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird.

Grundsätzlich erfüllt die E-Mail die Anforderungen des § 126b BGB. Jedenfalls dann, wenn der Name des Erklärenden genannt und die E-Mail auch typischerweise auf der jeweiligen Festplatte des Empfängers oder auf dem entsprechenden Server des Empfängers gespeichert wird.

Bei Erklärungen in Textform ist keine eigenhändige Unterschrift oder Signatur erforderlich. Die Zuordnungs- und Abschlussfunktion der Unterschrift wird durch das Erfordernis der Namensangabe des Erklärenden ersetzt – auch hier hält die E-Mail mit. Im Kontext des Vergaberechts ergeben sich allerdings wesentliche, zusätzliche Anforderungen an die Verwendung der E-Mail.

Die E-Mail ist kein elektronisches Mittel i. S. d. § 38 UVgO, § 53 VgV

Der Auftraggeber muss bei der gesamten Kommunikation sowie beim Austausch und der Speicherung von Informationen die Integrität der Daten und die Vertraulichkeit der Teilnahmeanträge und Angebote gewährleisten. Bei elektronischen Angeboten ist die durch das Vergaberecht geforderte Vertraulichkeit durch Verschlüsselung sicherzustellen (§ 3 Abs. 2 UVgO, § 5 Abs. 2 VgV).

Die Unternehmen haben Ihre Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote ober- wie unterschwellig mithilfe elektronischer Mittel einzureichen. Nun ist die E-Mail per se ein elektronisches Kommunikationsmittel. Diese Erkenntnis alleine lässt aber eben keine (vergabe-) rechtlichen Schlüsse zu, die zur Beantwortung der hier aufgeworfenen Fragestellung beitragen können. Denn die Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel und deren Einsatz ergeben sich zunächst aus § 7 Abs. 4 UVgO und § 10 VgV – und auch diese Regelungen lesen sich (möglicherweise zum Unmut vieler) recht eindeutig. So müssen elektronische Mittel, die vom öffentlichen Auftraggeber für den Empfang von Angeboten, Teilnahmeanträgen und Interessensbestätigungen sowie von Plänen und Entwürfen für Planungswettbewerbe verwendet werden u. a. eben auch gewährleisten, dass kein vorfristiger Zugriff auf die empfangenen Daten möglich ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 VgV) sowie auch nur die Berechtigten Zugriff auf die empfangenen Daten oder auf einen Teil derselben haben (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 VgV). Der Auftraggeber muss insoweit gewährleisten, dass vor Ablauf der Angebotsfrist niemand Kenntnis von den Angebotsinhalten nehmen kann. Aus technischer Sicht wäre eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für den Sendevorgang und eine verschlüsselte Aufbewahrung der Angebote bis zum Ablauf der Angebotsfrist nötig.

Im Übrigen müssen elektronisch übermittelte Teilnahmeanträge und Angebote auch mit entsprechender Verschlüsselung gespeichert werden (§ 39 UVgO, § 54 VgV) – auch dieses Tatbestandsmerkmal wird durch die „einfache“ E-Mail nicht erfüllt.

Die E-Mail ist damit kein elektronisches Mittel i. S. d. § 38 UVgO, § 53 VgV. Demzufolge bleiben einzig die Alternativen gemäß § 38 Abs. 4 UVgO (unterschwellig) und § 53 Abs. 2, 4 VgV (oberschwellig), um Teilnahmeanträge und Angebote entweder auf dem Postweg, per Telefax oder durch einen anderen geeigneten Weg oder durch Kombination dieser Mittel einzureichen.

Gerade weil die E-Mail dem Grunde nach ein elektronisches Kommunikationsmittel darstellt (das den besonderen Anforderungen im Vergabeverfahren aber nicht genügt), kann sie auch nicht Teil der unter- und oberschwellig definierten Ausnahmen von der elektronischen Datenübermittlung sein – eine Subsumtion unter § 38 Abs. 4 UVgO respektive § 53 Abs. 2, 4 VgV verbietet sich insoweit.

Folgerichtig läuft auch die vielzitierte Annahme, per Telefax übertragene Angebote seien ebenfalls nicht ausreichend verschlüsselt, ins Leere und kann die Angebotsabgabe via E-Mail in Ermangelung entsprechender Verschlüsselung denklogischerweise nicht legitimieren.

Bei der Einreichung eines Angebots per Telefax handelt es sich gerade nicht um eine elektronische Einreichung eines Angebots, auf die allein sich das Verschlüsselungserfordernis bezieht.[1]

Die hier explizit dargestellten Voraussetzungen werden durch die Angebotsabgabe via einfacher E-Mail nicht erfüllt – die geforderte Vertraulichkeit ist im Moment der Angebotsabgabe unwiederbringlich verloren.

Im Ergebnis scheitert die Angebotsabgabe via E-Mail in der Regel an den kumulativ zu lesenden (vergaberechtlichen) Anforderungen des § 10 VgV und ist damit kein zulässiges elektronisches Mittel, das vom öffentlichen Auftraggeber für den Empfang von Angeboten, Teilnahmeanträgen und Interessensbestätigungen etc. genutzt werden darf.

Die Rechtsprechung spricht eine deutliche Sprache

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17

Die Obliegenheit, elektronisch eingereichte Angebote zu verschlüsseln, trifft die Bieter unmittelbar aufgrund VOB/A, VgV und UVgO und richtet sich nicht nach den Vorgaben des Auftraggebers. „Dem Sinn und Zweck der Regelungen zur Datensicherheit würde es diametral zuwiderlaufen, wenn nicht auch der Bieter dem Gebot der Datensicherheit unterworfen wäre, weil nur er es in der Hand hat, für eine Verschlüsselung des Angebots bis zum Eingang bei der Vergabestelle zu sorgen.“ Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass dort dem Auftraggeber besondere Pflichten zur Gewährleistung der Datensicherheit auferlegt werden, nicht ableiten, dass der Bieter für die Datensicherheit keinerlei Verantwortung trägt und ihm freisteht, ein unverschlüsseltes Angebot einzureichen, dessen Geheimhaltung dann allerdings der Auftraggeber sicherzustellen hat. Aus der Richtlinie ergeben sich auch offensichtlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es dem nationalen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber versagt sein könnte, die Wertbarkeit eines Angebots davon abhängig zu machen, dass dieses vom Bieter verschlüsselt eingereicht wurde.[2]

Das OLG macht auch deutlich, dass eine einfache E-Mail nicht den Ansprüchen einer besonderen Verschlüsselung elektronischer Angebote[3] entspricht, die für die elektronische Angebotsabgabe gefordert wird. Ferner weist das Gericht treffend darauf hin, dass der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen nicht explizit (und auch nicht inzident) auf die Notwendigkeit der Verschlüsselung hinweisen oder selbige vorgeben muss.

Bei elektronisch einzureichenden Angeboten muss zudem durch technische Lösungen nach den Anforderungen des Auftraggebers und durch Verschlüsselung sichergestellt sein, dass die Angebote bis zur Öffnung unter Verschluss gehalten werden. [4]

Ein Ausschluss des Angebots ist bei einer Verletzung der erforderlichen Datensicherheit gemäß VgV, VOB/A und UVgO zwingend, weil die Regelung ohne jeden Vorbehalt vorsieht, dass ein Angebotsausschluss zu erfolgen hat, wenn die entsprechenden Vorgaben über die Verschlüsselung eines elektronisch eingereichten Angebots nicht eingehalten wurden.[5]

Die E-Mail infiziert nicht mehr

Nach bisheriger Rechtsprechung mussten auch Angebote, die beim Auftraggeber formgemäß, also entsprechend der geforderten elektronischen Mittel eingegangen sind dann aus formaljuristischen Gründen ausgeschlossen werden, wenn das (identische) Angebot im Voraus via E-Mail abgegeben wurde.

Die Verschlüsselung eines Angebots dient dem Zweck, das zentrale Anliegen im Vergaberecht, einen geheimen und damit manipulationsfreien Wettbewerb sicherzustellen, umzusetzen. Dieser Zweck würde unterlaufen, könnte ein verschlüsselt eingereichtes Angebot, das mit einem zuvor unverschlüsselt eingereichten Angebot identisch ist, gewertet werden.[6]

Ein form- und fristwirksam unterbreitetes Angebot war demgemäß auch dann auszuschließen, wenn es im Voraus via E-Mail (oder über das Kommunikationsportal des jeweiligen Plattformbetreibers) und damit unverschlüsselt sowie mit der Möglichkeit des vorfristigen Zugriffs abgegeben wurde.

Einstweilen wurde diese Rechtsfolge (nach Auffassung des Autors korrekterweise) korrigiert. Das OLG Frankfurt[7] stellt zunächst übereinstimmend fest, dass die Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Angebote und Teilnahmeanträge auf besondere Art und Weise dem vergaberechtlichen Grundprinzip des Geheimwettbewerbs dienen. Dieses zugrunde legend müsse davon ausgegangen werden, dass die Bieter entsprechend dieser Vorgabe ihre Angebote in Unkenntnis der Angebote übriger Bieter verfassen und absenden. Auch und gerade der in § 97 GWB niedergelegte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führe dazu, dass vorab in unzulässiger Weise unterbreitete Angebote (via E-Mail oder per Kommunikationsplattform) in der Wertung des Vergabeverfahrens verbleiben dürfen.[8]

Dieser erste Verstoß gegen die Vorgaben zur Einreichung der Angebote führt hier jedoch nicht dazu, dass nachfolgend nicht ein Angebot unter Einhaltung der Formvorgaben wirksam eingereicht werden konnte. Das formwirksam eingereichte Angebot vom […] wird insbesondere nicht durch das formwidrig eingereichte Angebot […] „infiziert“.“[9]

Das OLG Frankfurt bestätigt die Gefahr der Verletzung eines Geheimwettbewerbs, wägt aber im Interesse der Verfahrensbeteiligten und unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens ab. Sämtliche vergaberechtlichen Primärziele sind im Kontext zu betrachten und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verfolgen. Die bloße, abstrakte Gefahr, den zu schützenden Geheimwettbewerb durch (unzulässigen) vorfristigen Zugriff zu beeinträchtigen, dürfe jedenfalls nicht grundsätzlich zu einem Ausschluss jener Angebote führen, die „im Nachgang“ form- und fristgemäß eingereicht wurden.

Insoweit kommt es nicht allein auf den Umstand an, dass […] grundsätzlich der mit der unverschlüsselten Übersendung bedingte Sicherheitsmangel der Daten durch eine nachfolgende verschlüsselte Übermittlung nicht rückwirkend behoben werden kann. Die unverschlüsselt erfolgte Übermittelung selbst wird damit aber nicht rückgängig gemacht.“[10]

Diese Auffassung überzeugt. Die formwidrigen, weil unverschlüsselten Angebote via E-Mail bleiben weiterhin unberücksichtigt. Die latente Gefahr der Beeinträchtigung des Wettbewerbs muss aber richtigerweise mit einem direkten Ausschluss formgemäßer Angebote abgewogen werden. Sofern sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, die den Geheimwettbewerb durch die bloße vorfristige Zugriffsmöglichkeit oder mangelhafte Verschlüsselung gefährden, ist nach Auffassung des Autors in dieser Fallkonstellation im Sinne des Wettbewerbs zu entscheiden. Das Urteil des BGH[11] lässt das Pendel auch eher wettbewerbslastig ausschlagen – Ausschlüsse aus vielfach nur formalen Gründen sollen gerade verhindert werden. Die Entscheidung, die Gefahr des vorfristigen Zugriffs zu Gunsten des Wettbewerbs auszulegen ist dabei ausschließlich im Kontext der hier geschilderten Konstellation zu verstehen (auf ein formwidriges folgt ein formgemäßes Angebot). Ein formgerechtes Angebot sollte damit der Wertungsebene zugeführt werden dürfen, auch wenn es zuvor mit identischem Inhalt per einfacher E-Mail eingereicht wurde. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überwiegt den Schutz des Geheimwettbewerbes nur dann, wenn auf ein formwidriges Angebot fristgemäß ein formgerechtes folgt. Ein isoliertes, unverschlüsseltes Angebot mittels einfacher E-Mail muss sich indessen (derzeit) dem Gebot des geheimen Wettbewerbs unterordnen – es ist zwingend auszuschließen.

Keine Ausnahmen bei der Verhandlungsvergabe

Die UVgO befreit auch die Verhandlungsvergabe nicht von den Verpflichtungen, die sich rund um die elektronische Angebotsabgabe ergeben. § 39 UVgO gibt explizit vor, dass elektronisch übermittelte Teilnahmeanträge und Angebote zu kennzeichnen und zu verschlüsseln sind. § 7 Abs. 4 UVgO verweist ausdrücklich auf die Anforderungen an die Verwendung elektronischer Mittel gemäß §§ 10-12 VgV. Damit ergeben sich keine Lockerungen der einschlägigen Formvorschriften. Auch für öffentliche Aufträge, die im Wege der Verhandlungsvergabe vergeben werden, existiert die Maßgabe des Geheimwettbewerbs. Unter Berücksichtigung des Vorangestellten scheidet die einfache E-Mail auch für Verhandlungsvergaben aus. Nach Einschätzung des Verfassers lassen die Grundprinzipien des Vergaberechts auch keinen davon abweichenden Schluss zu. Auch und gerade für die Verhandlungsvergaben existiert kein rechtsfreier Raum, die vergaberechtlichen Grundwerte müssen ebenso für diese Vergabeart in Wirkung gebracht werden. Die Verhandlungsvergabe ist häuft das Mittel der Wahl. Es ist deswegen umso wichtiger, durch verbindliche Standards und eindeutige Prozesse, einen fairen, marktgerechten und transparenten Wettbewerb für all diejenigen zu schaffen, die sich um öffentliche Aufträge (auch mit marginalerem Auftragswert) bewerben. Nicht weniger wichtig ist die Tatsache, dass die Abwicklung von Vergabeverfahren über Vergabemanagementsysteme (zum Empfang von elektronisch verschlüsselten Angeboten) auch maßgeblich zur Korruptionsprävention beiträgt.

Fazit

Auch wenn verschiedene Gebietskörperschaften die Angebotsabgabe per einfacher E-Mail (bis zu einer bestimmten Wertgrenze) z. B. durch Runderlasse für zulässig erklären, ergeben sich bei Betrachtung der entsprechenden Vorschriften und Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung diametrale Schlüsse.

Die Angebotsabgabe via einfacher E-Mail scheitert auf allen Ebenen an den vergaberechtlichen Primärzielen. Diese Einschätzung mag man bedauern, vielleicht auch beklatschen, in jedem Fall fußt sie auf geltendem Recht und steht mit den entsprechenden Vorschriften im Einklang. Vergabestellen, die trotz des Vorangestellten zur „Anwendung der E-Mail“ legitimiert sind (etwa durch besagte Erlasse), haben wenig zu befürchten. Der effektive (Bieter-)Rechtsschutz ist weit überwiegend im Kartellvergaberecht, also oberschwellig zu Hause. Unterhalb der Schwelle kommt es deswegen selten zu gerichtlichen Überprüfungen. Sofern ein Auftraggeber (ggfs. entsprechend ermächtigt) gleichwohl eine Angebotsübertragung mittels E-Mail (schon in den Vergabeunterlagen oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe) zulässt und die Bieter diese Möglichkeit auch nutzen, darf dieser Umstand wiederum keinen zwingenden Angebotsausschluss zur Rechtsfolge haben.[12] Die Bieter machen in diesen Fällen ausschließlich von der Möglichkeit Gebrauch, die der Auftraggeber eröffnet hat. „Ein Verschulden des Auftraggebers ist vom Bieter aber nicht nicht zu vertreten.“[13] Kommt es oberschwellig zum Nachprüfungsverfahren, wird es zur Heilung des Vergaberechtsverstoßes vielmehr notwendig werden, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und den Bewerbern und Bietern eine Übermittlung ihrer Teilnahmeantrage und Angebote per vergaberechtskonformer (elektronischer) Mittel zu ermöglichen respektive vorzugeben.

Sicher, die Angebotsabgabe via E-Mail ist einfach(er), mithin auch für die Bieterschaft. Möglicherweise ist der Einsatz der E-Mail im Kontext des Vergaberechts auch wünschenswert. Allerdings verschreiben sich die öffentlichen Auftraggeber einem bestimmten Kodex. Prinzipien wie die Wettbewerbs-, Geheimhaltungs-, Transparenz- und Gleichbehandlungsgebote sind gesetzt. Das Zusammenspiel zwischen Auftraggeber und Bieter bedarf auch eines gewissen Vertrauensverhältnisses – die Bewerber und Bieter zahlen darauf maßgeblich ein. Die Wahrung der Vertraulichkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Preiskalkulationen, funktionalen Beschreibungen etc. sind dabei nativ zur Teilnahme am Vergabeverfahren.

Fernab von bieterseitigen Rechtsansprüchen auf Einhaltung sämtlicher Vergabebestimmungen ist die Wahrung der vergabeartunabhängigen Grundprinzipien eine Art kleinster gemeinsamer Nenner zwischen Auftraggeber und Bieter. Die Begehrlichkeiten hinsichtlich der Legitimation der E-Mail sind nachvollziehbar. Die entsprechenden Rechtsvorschriften, die herrschende Meinung in der Literatur und die einschlägigen Beschlüsse sind es mit Blick auf das Vorangestellte allerdings auch. Die Angebotsabgabe per einfacher E-Mail riskiert das Grundvertrauen in den im Liefer- und Dienstleistungsbereich herrschenden Geheimwettbewerb. Ihn zu riskieren steht dabei grundsätzlich nicht im Verhältnis. Verfahrenseffizienz, Reduktion der Angebotsausschlüsse, die einzig auf dem Gedanken der formalen Ordnung beruhen und fortwährende Verfahrensvereinfachung sind dabei weiterhin richtig und wichtig. An den Grundfesten der vergaberechtlichen Maximen will die Judikative (derzeit) aber nicht rütteln, und das ist zumindest auch nachvollziehbar.

Im Ergebnis mag man konstatieren, dass die Legitimation der E-Mail und die damit verbundene Anwenderfreundlichkeit zu Gunsten der Rechtssicherheit, die auch und gerade pro Bieter wirkt, vorerst weichen muss. Einerseits könnte die E-Mail zumindest im Unterschwellenbereich zur Verfahrensvereinfachung beitragen, andererseits riskiert sie den systemimmanenten Geheimwettbewerb und damit die ohnehin schon sehr fragile Beziehung zwischen öffentlichen Auftraggebern und der Bieterschaft. Eine den Anforderungen der VgV entsprechende „E-Mail“ könnte die Lösung sein, was abzuwarten bleibt.

Dieser Beitrag ist bereits im Vergabefokus erschienen.
Bildquelle: BCFC – shutterstock.com

[1] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17, Rn. 46
[2] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17, Rn. 45
[3] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17, Rn. 49
[4] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17, Rn. 41
[5] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17, Rn. 48;
vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.02.2020 – Az.: 11 Verg 7/19
[6] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.03.2017 – Az.: 15 Verg 2/17, Rn. 56
[7] OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.02.2020 – Az.: 11 Verg 7/19
[8] OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.02.2020 – Az.: 11 Verg 7/19, Rn. 46
[9] OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.02.2020 – Az.: 11 Verg 7/19, Rn. 46
[10] OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.02. 2020 – Az.: 11 Verg 7/19, Rn. 46
[11] BGH, Urt. v. 18.06.2019 – Az. – X ZR 86/17
[12] OLG München, Beschl. v. 2.05.2019 – Az.: Verg 5/19
[13] OLG München, Beschl. v. 2.05.2019 – Az.: Verg 5/19, Rn. 41


Autor

Nach dem Studium zum Dipl.-Wirt.-Jurist (FH) und der Weiterbildung zum Fachwirt für Insolvenzmanagement (DIAI) war Herr Weyland 10 Jahre als Mitarbeiter der Rechtsabteilung in einer saarländischen Landesbehörde beschäftigt und dabei u. a. hauptverantwortlich für die vergabe- und vertragsrechtliche Rechtskontrolle diverser nationaler und europaweiter Vergabeverfahren. Im November 2018 hat Herr Weyland die Leitung der Abteilung Beschaffungen / Vergabestelle im CISPA – Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit übernommen. Des Weiteren ist er Referent für Vergaberecht, im Rahmen dessen seit 2015 Dozent beim Kommunalen Bildungswerk und der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft & Recht. Herr Weyland hält seit dem Sommersemester 2016 einen Lehrauftrag für Vergaberecht an der Hochschule Trier, Standort Birkenfeld.