Justitia

In einem elektronischen Vergabeverfahren versenden viele Vergabestellen ihre Informationen an die Bieter regelmäßig über Vergabeplattformen. Die Informationen werden dort zumeist in verfahrensindividuellen Bereichen oder sog. Projekträumen eingestellt. Bewerber oder Bieter können die Informationen dort einsehen und ggf. herunterladen. Bewährte Vorteile sind unter anderem, dass nicht nur der Zugriff der Bieter dokumentiert werden kann, sondern auch die Datenintegrität und Vertraulichkeit sichergestellt sind.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Diese Grundfunktion weisen viele in der Praxis seit Jahren gebräuchliche Vergabeplattformen auf, wobei sie sich bei einzelnen Funktionen unterscheiden.

In einem aktuellen Beschluss hat sich die Vergabekammer (VK) Südbayern (Beschluss vom 29.03.2019; Az: Z3-3-3194-1-07-03/19) mit der Frage der Zulässigkeit dieses Vorgehens zur Bereitstellung von Informations- bzw. Absageschreiben nach § 134 GWB befasst und in Bezug auf eine nicht auf der cosinex Technologie basierende Vergabeplattform u.a. festgestellt: „Die Mitteilung nach § 134 GWB kann nicht dadurch erfolgen, dass die Informationen nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB lediglich in einem internen Bieterbereich auf einer Vergabeplattform eingestellt wird, wo der Bieter diese abrufen kann.“

Seit diesem Beschluss reißt die Diskussion darüber nicht ab, ob und in wieweit die gängige E‑Vergabe-Praxis der Benachrichtigung vergaberechtswidrig ist, was sich bspw. in dem entsprechende Fachforum des Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW), aber auch in einer Vielzahl von Anfragen in unserem Support zeigt. Die Verunsicherung ist erheblich. Aus diesem Grund soll nachfolgend der Beschluss vor dem Hintergrund der Funktionsweise gängiger Vergabeplattformen beleuchtet werden, obgleich gegen diesen sofortige Beschwerde vor dem Vergabesenat des OLG München eingelegt wurde und er somit nicht rechtskräftig ist.

Da es hierbei auch entscheidend auf die konkrete funktionale Ausgestaltung der jeweiligen Lösung ankommt, ist darauf hinzuweisen, dass die diesbezüglichen Ausführungen aus Sicht der cosinex und mit Blick auf die Vergabeplattformen auf Basis der cosinex-Technologie getroffen werden, nach unserer Marktkenntnis wesentliche Aussagen aber auch auf eine Reihe weiterer Vergabeplattformen übertragbar sind.

Da eine Vielzahl rechtlicher Einzelfragen betroffen ist, empfiehlt sich eine gesonderte Betrachtung der jeweiligen Aspekte:

I. Bereitstellung des Informationsschreibens im Projektraum der Vergabeplattform

Die Entscheidung der VK bezog sich auf das Informationsschreiben gem. § 134 GWB, das die Vergabestelle in den Projektraum der Vergabeplattform zur Kenntnisnahme durch den Bieter hochgeladen hatte. Dies hielt die VK für unzulässig und hat ihre Entscheidung insbesondere auf die folgenden Argumente gestützt:

  • Das in § 134 GWB geforderte „Versenden“ der Information könne nicht durch ein Hochladen erfolgen, weil die Vergabeplattform nicht als Machtbereich des Bieters angesehen werden könne (nachfolgend 1.1).
  • Das Hochladen von Informationen auf einer Vergabeplattform wandele unzulässigerweise die Bringschuld der Vergabestelle in eine Holschuld des Bieters, da er die Information auf der Vergabeplattform abrufen müsse (nachfolgend 1.2).
  • Mit einer im Internet hochgeladenen Information lasse sich die Textform gem. § 126b BGB nicht wahren (nachfolgend 1.3).

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1. Zum Absenden in den Machtbereich

Für gewöhnlich wird sowohl hinsichtlich des Versendens, als auch des Zugangs der Weg der Information nachgezeichnet: Sie verlässt den Machtbereich des Absenders und geht in den Machtbereich des Empfängers über. Wohl hiervon ausgehend argumentiert die VK, dass schon zweifelhaft sei, „ob ein Bereich der Vergabeplattform mit freigeschalteten persönlichen Informationen für einen Bieter nach derzeitiger Verkehrsauffassung überhaupt als Machtbereich des Bieters angesehen werden könne.“

Bezogen auf die postalische Übermittlung hat der BGH zu der entsprechenden Vorgängerregelung des § 134 GWB (§ 13 Satz 2 VgV a.F.) ausgeführt, dass es für die „Abgabe“ darauf ankomme, wann der Absender „diese Schriftstücke also aus seinem Herrschaftsbereich so herausgegeben hat, dass sie bei bestimmungsgemäßem weiteren Verlauf der Dinge die Bieter erreichen, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“.1 Bei postalischen Angeboten ist dies einfach: Nach dem Absenden befindet sich der Brief nicht mehr bei dem Absender und ist bestimmungsgemäß nach Zugang bei dem Empfänger. Der Brief wechselt also körperlich von einem Machtbereich in den anderen.

Fraglich ist, ob dieser Grundgedanke eins zu eins auf elektronische Informationen übertragen werden kann. Bei E-Mail-Programmen verbleiben die Informationen elektronisch immer auch bei dem Absender. Der Empfänger erhält (untechnisch gesprochen) eine Kopie, die von seinem E-Mail-Server heruntergeladen werden kann.

Berücksichtigt man diese Besonderheiten der elektronischen Informationsversendung, bestehen bzgl. des Versendens einer elektronischen Information zweierlei Voraussetzungen:

  • Zunächst muss die Information den Macht- bzw. Herrschaftsbereich des Absenders dergestalt verlassen haben, dass sie von ihm nicht mehr durch einseitigen Akt zurückgeholt, gelöscht oder verändert werden kann.
  • Zusätzlich muss sie so zielgerichtet mit einem elektronischen Mittel auf den Weg gebracht worden sein, dass sie bei bestimmungsgemäßem Verlauf den Machtbereich des Empfängers erreicht.

In Bezug auf das Hochladen einer Information in einem Projektraum einer Vergabeplattform kommt es nun entscheidend auf die technische Ausgestaltung und die entsprechende Nutzungsvereinbarung an:

Was das Versenden anbelangt ist entscheidend, ob die hochgeladene Information durch den „Versender“ nach dem Hochladen noch in irgendeiner Form verändert werden kann. Ist es der Vergabestelle durch die konkrete technische Ausgestaltung der Vergabeplattform nicht möglich, eine hochgeladene Information zu verändern, zu löschen oder sonst zu verändern, hat sie den Machtbereich der Vergabestelle ebenso verlassen wie eine versendete E-Mail. Wird das Hochladen durch den Einsatz zertifizierter Zeitstempel dokumentiert, kann selbst der Termin des Absendens nicht verändert werden bzw. bleibt nachvollziehbar.

Was den mutmaßlichen Zugang in den Herrschaftsbereich des Empfängers anbelangt, ist entscheidend auf die AGB bzw. Nutzungsbedingungen der Vergabeplattform abzustellen: Hat sich die Vergabestelle mit dem Bieter im Wege besonderer Nutzungsbedingungen darauf geeinigt, dass die Informationsbereitstellung in einem für diesen Bieter reservierten Teil des Projektraums oder Bereich einer Vergabeplattform erfolgt, fungiert dieser Projektraum als elektronisches Postfach des Bieters. Ob die Information im Wege eines E-Mail-Versands an ein angegebenes E-Mail-Konto oder durch Hochladen in den vereinbarten Projektraum gelangt, macht bereits technisch einen nur geringen Unterschied. Im rechtlichen Sinne eines Bereitstellens bzw. des Absendens der Information aber jedenfalls nicht mehr: Im Ergebnis ist die Information im Postfach des Bieters. Dass dieses Postfach dem Machbereich des Bieters zugerechnet werden kann, ergibt sich schon daraus, dass er der Nutzung des Postfaches zugestimmt hat. Außerdem kommt es wieder auf die konkrete Ausgestaltung an: Kann er jederzeit auf diese Informationen zugreifen, ohne dass der Versender diesen Zugriff in irgendeiner Weise beeinflussen kann, sind diese Informationen in seinem Machtbereich gelangt.

Hierzu ein Beispiel: Wäre die Vergabeplattform technisch so aufgebaut, dass der Teil des Projektraums für den Bieter (Bieterpostfach) auf einem anderen Server betrieben würde (wie z.B. zukünftige „XVergabe-Clients“), würde die Information aus einer Vergabeplattform technisch über Schnittstellen, ggf. aber auch via E-Mail an einen Bereich für Bieter bzw. das Bieterpostfach versendet werden. Im Ergebnis läge eine Information in einem elektronischen Postfach. Dies wäre dann wohl ein Versenden im Sinne der Vergabekammer. Würde die Nachricht auf dem Wege des Hochladens von der Vergabestelle dort eingestellt, sei dies nach dem Verständnis der VK kein „Absenden“ obwohl die identische Information an gleicher Stelle eingegangen wäre. Jedenfalls im Hinblick auf die Frage des Absendens scheint die Differenzierung zwischen dem Hochladen in einer Vergabeplattform und der Übersendung via E-Mail daher nicht sachgerecht.

2. Zu Bring- und Holschuld

Die VK hat Bedenken, ob das Hochladen einer Information mit dem Gesetzeszweck vereinbar ist. „Zudem bestehen erhebliche Bedenken, dass durch eine bloße Einstellung der Information in den Bieterbereich einer Vergabeplattform der Normzweck des § 134 GWB, nämlich die frühzeitige Information von nicht zum Zuge kommenden Bewerbern und Bietern erfüllt werden kann, da hierdurch eine vom Normgeber nicht gewollte Hol-Obliegenheit des Bieters entstünde.“

Auch hier scheint wieder ein an die gute alte Post angelehntes Verständnis bei der Vergabekammer zu herrschen. Demnach erfüllt man eine Bringschuld mit Eingang des Briefes bzw. Eingang der E-Mail bei der E-Mail-Adresse des Bieters.

In technischer Hinsicht wird dabei zunächst übersehen, dass diese E-Mail im Regelfall den Adressaten nicht – vergleichbar einem Brief – erreicht. Je nach Funktionsweise des E-Mail-Programms wird dem Bieter auch bei der E-Mail technisch gesehen nur das Vorliegen einer Nachricht angezeigt. Erst wenn er die E-Mail öffnet, wird sie von dem meist externen Server auf seinen Rechner heruntergeladen oder verbleibt (wie beim Einsatz von Webdiensten wie GMX, Google-Mail und Co.) auch dauerhaft (nur) auf diesen Servern. In der Diktion der Vergabekammer gedacht, „holt“ der Adressat die E-Mail auch vom Server ab. Bereits diese Überlegungen zeigen, dass die Übertragung des postalischen Verständnisses auf die elektronische Kommunikation auch im Bereich der E-Vergabe ersichtlich an ihre Grenzen stößt.

Unter dem Blickwinkel des „Absendens“ ist entscheidend, dass ein Ablauf in Gang gesetzt wird, wonach die elektronische Information den Bieter erreicht. Nach dem Gesetzeszweck soll der Bieter durch die Vergabestelle i.S. des § 134 GWB informiert werden. Genau dieser Zweck ist erfüllt, wenn die Information das mit dem Bieter vereinbarte elektronische Postfach erreicht. Die Information ist – wie oben gezeigt – in den Machtbereich des Bieters gelangt. Anders wäre es auch nicht zu sehen, wenn die Information in Form eines Briefes in einem mit dem Bieter vereinbarten Postfach hinterlegt würde. Warum eine „Bringschuld“ in eine Holschuld“ gewandelt wird, wenn man ein elektronisches Postfach in einer Vergabeplattform nutzt, dies aber bei einer E-Mail anders sein soll, erschließt sich rechtlich wie technisch nicht.

3. Zur Textform

Als maßgebliches Argument sah die Vergabekammer an, dass die Bekanntgabe einer Information im Internet nicht der geforderten Textform gem. § 126 b BGB entspreche.

„Bei Erklärungen, die in das Internet eingestellt werden, dem Empfänger aber nicht übermittelt werden, ist die Textform allenfalls gewahrt, wenn es tatsächlich zum Download kommt.2

Da die Rechtswirksamkeit einer Information nach § 134 GWB aber nicht von der Zufälligkeit abhängen kann, dass ein Bieter sie herunterlädt (was im vorliegenden Fall wohl auch gar nicht vorgesehen ist), kann das bloße Freischalten der Information auf der Vergabeplattform den Anforderungen des § 134 GWB nicht genügen.“

Geht man den Verweisen der Vergabekammer auf das BGH-Urteil nach, so erscheint die Rechtslage differenzierter bzw. bestätigt die zitierte Quelle eine andere Rechtsaufassung. Als Ausgangspunkt verweist die Vergabekammer richtigerweise darauf, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Textform gem. § 126b BGB bestimmte Anforderungen an die Informationsweitergabe stellt. Die Erklärung muss in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder auf andere Weise erkennbar gemacht werden.

Erforderlich ist damit ein „dauerhafter Datenträger“. Der Begriff „dauerhafter Datenträger“ bezeichnet dabei jedes Medium, das es dem Empfänger gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht. Hierzu gehören nach Urteil des BGH insbesondere Disketten, CD-Roms, DVDs und die Festplatte des Computers des Adressaten, auf der die elektronische Post gespeichert wird. Ausdrücklich verweist der BGH darauf, dass Internet-Websites dagegen nur dann dazu zählen, wenn sie die in der Definition des Begriffs „dauerhaftes Medium“ enthaltenen Voraussetzungen erfüllen. Hierzu verweist der BGH seinerseits auf ein Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 27.1.2010.3

Entscheidend ist ein Blick in das zitierte Urteil: So hat der EFTA-Gerichtshof in diesem Urteil gerade festgestellt, dass auch eine Internet-Website ein dauerhaftes Medium in dem aufgezeigten Sinne sein kann, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Als erstes Kriterium muss das Medium dem Empfänger ermöglichen, persönlich an ihn gerichtete Informationen zu speichern.
  • Das zweite Kriterium ist, dass das fragliche Medium dem Empfänger ermöglichen muss, die für ihn bereitgestellten Informationen so zu speichern, dass diese während eines für den Informationszweck angemessenen Zeitraums abgerufen werden können.
  • Das dritte Kriterium ist, dass das Medium die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Daten ermöglichen muss.

Zunächst ist die Rechtslage im Beschluss der Vergabekammer daher verkürzt wiedergegeben: Der Download einer Information ist nicht unbedingte Voraussetzung einer rechtswirksamen Information nach § 126b BGB.

Fraglich ist bereits, ob man – wie die VK ohne nähere Erläuterung unterstellt – einen auf sichere Kommunikation ausgelegten Projektraum einer Vergabeplattform als „Internet-Website“ begreifen kann. Näher liegt hier die Analogie zu dem elektronischen Postfach des Bieters. Aber selbst wenn: Überträgt man die dargestellten Grundsätze des EFTA-Urteils auf die E-Vergabe-Lösungen, sind die vorstehenden Kriterien zumindest bei den Lösungen auf Basis der cosinex Technologie (und mutmaßlich auch bei einer Reihe der am Markt gängigen Softwareprodukte) bereits hierdurch übererfüllt, als dass im Regelfall die deutlich strengeren Anforderungen an die elektronische Kommunikation im Sinne der §§ 9 ff. VgV an die Lösung angelegt werden.

So ermöglichen die Lösungen auf Basis unserer Technologie das Speichern der Informationen, den längerfristigen Zugriff und auch die Unveränderbarkeit der eingestellten Informationen. Insofern wären die Voraussetzungen an die Textform auch nach dem von der VK selbst mittelbar zitierten EFTA-Urteils umfassend erfüllt.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

II. Zugang über Nutzungsbedingungen bzw. AGB

Verstärkt wird diese Argumentation insbesondere dann, wenn die Nutzungsbedingungen bzw. AGB der jeweiligen Vergabeplattform – wie meist – ausdrücklich regeln, dass eine in den Projektraum eingestellte Nachricht für den Bieter als zugegangen gilt. In diesen Fällen haben sich Vergabestelle und Bieter ausdrücklich auf die Form des Informationsaustausches (und hier sogar zu der Frage des Zugangs) geeinigt.

Auch wenn die Regelung auf die Absendung abstellt, kann es auf den Zugang wohl gerade in den Fällen ankommen, wenn dem betroffenen Bieter oder Bewerber die Information zu keinem Zeitpunkt zugegangen ist. So führt ein fehlender Zugang dazu, dass schon keine ordnungsgemäße Information vorliegt, welche die Frist in Gang setzen würde.4

Ein weiterer Punkt, der auch gegen den alternativen Einsatz einer E-Mail spricht.

III. Anforderungen an die elektronische Übermittlung nach § 134 GWB

Neben den vorgenannten Ausführungen zur Zulässigkeit der Bereitstellung der Mittelungen (auch) über eine E-Vergabeplattform lohnt es, zu einem weiteren Aspekt einige Überlegungen anzustellen.

So sieht § 134 GWB in Absatz 1 eine Information nach Maßgabe der Textform vor. Aus Absatz 2 ergibt sich aufgrund der Privilegierung der elektronischen Übermittlung im Umkehrschluss, dass für die Übermittlung der Informationsschreiben nicht zwingend elektronische Mittel zu verwenden sind.

Damit stellt § 134 GWB eine Ausnahme vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation nach § 97 Abs. 5 GWB dar, der die unionsrechtlichen Vorgaben der EU-Vergaberichtlinie umsetzt,5. Im Lichte der Richtlinie gelesen, darf hiernach nur in einzelnen (ausdrücklich genannten) und eng auszulegenden Ausnahmen ein zulässiges Abweichen von der elektronischen Übermittlung erfolgen.

Auch wenn § 134 GWB seinen Ursprung in der Rechtsmittelrichtlinie findet, umfassen die entsprechenden Informationsschreiben doch Daten, die zwischen Auftraggeber und Unternehmen im Sinne des § 97 Abs. 5 GWB ausgetauscht werden.

Dies bedeutet, dass jedenfalls dann, wenn die Daten auf „elektronischem Weg versendet“ werden, an diese die Maßstäbe des § 97 Abs. 5 GWB bzw. aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 113 Nr. 4 GWB die Anforderungen der §§ 9 ff. VgV anzulegen sind.

Dass der „elektronische Weg“ des § 134 GWB sprachlich von der „elektronischen Übermittlung“ abweicht, ist dem Umstand geschuldet, dass § 134 GWB im Wesentlichen auf § 101a GWB a.F. bzw. § 13 VgV a.F. beruht und redaktionell wohl nicht angepasst wurde. Fernliegend erscheint, aus der sprachlichen Unterscheidung rechtlich abweichende Maßstäbe an die elektronische Übermittlung anzulegen.

Im Ergebnis sind damit an die Absendung und den elektronischen Weg des § 134 Abs. 2 GWB die Anforderungen des § 11 VgV (und hier insb. Abs. 2) zu stellen. So dürfen für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren ausschließlich solche elektronischen Mittel verwendet werden, die die Unversehrtheit, die Vertraulichkeit und die Echtheit der Daten gewährleisten.

Auch wenn der Beschluss (wie auch die aktuelle Kommentarliteratur) quasi selbstverständlich davon ausgeht, dass eine Absagemittelung nach § 134 GWB per E-Mail übermittelt werden kann, muss doch festgestellt werden, dass gerade eine einfache E-Mail technisch keine der Anforderungen des § 11 Abs. 2 VgV erfüllt.

E-Mails bieten ohne Einsatz gesonderter Verschlüsselungsmethoden oder ergänzender Techniken im Hinblick auf die Integrität, also der Unversehrtheit der Daten, einen geringeren Schutz als eine einfache Postkarte. Keinesfalls kann davon gesprochen werden, dass eine E-Mail die Unversehrtheit der Daten „gewährleistet“. Die fehlende Vertraulichkeit beim Einsatz von E-Mails ist mit dem Vergleich zur Postkarte schon fast sprichwörtlich und dass eine E-Mail die Echtheit von Daten in keiner Weise sicherstellt, kann jeder nachvollziehen, der schon mal SPAM von manipulierten Absendern erhalten hat.

Insofern stellt sich in Bezug auf die in Rede stehende Entscheidung der VK die Frage, wie denn eine Information gem. § 134 GWB erfolgen kann, wenn die E-Mail eigentlich unzulässig scheint?

IV. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf

Dass Unternehmen, die sich auf verschiedene öffentliche Aufträge bewerben, regelmäßig ihre „elektronischen Briefkästen“ innerhalb der verschiedenen Vergabeplattformen auf mögliche Posteingänge prüfen müssen, mutet unkomfortabel an. Letztlich gilt dies aber beispielsweise bei Nachsendungen geänderter Vergabeunterlagen, Antworten auf Bieterfragen sowie Nachforderungen von Eignungsnachweisen u.ä. in gleicher Weise.

Allein dies genügt nicht, um an die elektronische Übermittlung von Informationsschreiben nach § 134 GWB rechtlich andere Anforderungen zu stellen, als an die übrige Kommunikation zwischen Vergabestelle und Unternehmen.

Damit wird die Bereitstellung in einem Projektraum bzw. dem Bereich für Bieter innerhalb einer Vergabeplattform, soweit die oben dargestellten Voraussetzungen eingehalten werden, durchaus die nach § 134 GWB gebotene Form wahren.

V. Hinweis für die Praxis

Es bleibt spannend, wie das OLG München die in Rede stehenden Fragen bewertet. Abhängig vom Ausgang würden ungeachtet der vorstehenden vorläufigen Rechtsmeinung selbstverständlich etwaige erforderliche Anpassungen auch in der Software Vergabemarktplatz erfolgen.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist Vergabestellen anzuraten, die weitere Rechtsentwicklung aufmerksam zu verfolgen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Selbstverständlich halten wir Sie im Rahmen unseres Blogs unterrichtet.

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Fussnoten

  1. BGH v. 09.02.2004 – X ZB 44/03; ähnlich Maimann in Kulatz/Kus/Portz/Prieß, § 134 GWB Rz. 39
  2. Ellenberger in Palandt § 126b BGB Rn. 3 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 29.04.2010, I ZR 66/08; BT-Drucks. 17/12637 S.44
  3. E-4/09, VersR 2010, 793 Tz. 65 f. – Inconsult
  4. Dreher/Hoffmann in Burgi/Dreher, Beckscher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. § 134 GWB, Rn. 79, zuvor Dreher/Hoffmann NZBau 2009, 216 (218); ebenso Leinemann, Das neue Vergaberecht, Rn. 85 und Braun in Ziekow-Völlink § 101a Rn. 77)
  5. Art. 29 Abs. 1 der RL 2014/34/EU, Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 der RL 2014/24/EU und Art. 40 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 der RL 2014/25 EU