Das sogenannte „Zwei-Umschlag-Verfahren“ ermöglicht es, die Angebotsprüfung und qualitative Wertung durchzuführen, ohne Kenntnis von den Angebotspreisen zu erhalten. Mit ihm kann nicht nur der Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Angebotspreise gesteuert werden, sondern zudem auch der Personenkreis eingegrenzt werden, der Zugriff auf die Preise erhalten soll. Gleichwohl dieses Vorgehen insbesondere im Zusammenhang mit Planungsleistungen in der Praxis Einzug gehalten hat, lässt es sich auch auf eine Reihe anderer Bereiche und Anwendungsfälle übertragen. 

Ursprünglich sollte mit diesem Verfahren gerade im Bereich der Planungsleistungen eine Verbesserung der Qualität der gestalterischen Lösung und damit eine weitere Abwendung von einem reinen Preiswettbewerb erreicht werden. Es wurde unter anderem vom Verband Beratender Ingenieure (VBI) vorgeschlagen. In der vom VBI vorgebrachten Variante sollen zuerst nur die technischen und gestalterischen Lösungen bewertet werden. Anhand von Bewertungskriterien werden beispielsweise die drei besten Lösungen ermittelt. Erst von diesen werden anschließend die dazugehörigen Umschläge mit den Preisangaben geöffnet. Nach einem vorher festgelegten Schlüssel sollen technische und gestalterische Lösung und der Preis gewichtet und das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden.

Je nach den Zielen der Vergabestelle kann die so entstehende grundsätzliche Trennung der Preisangaben von den sonstigen Angebotsinhalten auch für eine Reihe weiterer Prozesse und Anforderungen Anwendung finden. Was in der vordigitalen Zeit bzw. bei postalischer Angebotsabgabe – vergleichbar der Einreichung der Urkalkulationen – über eine Umschlag-in-Umschlag-Methode (Zwei-Umschlag-Verfahren) recht einfach realisierbar war, bedarf bei einer elektronischen Abbildung der Kommunikation und Prozesse neuer Funktionen.

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Aufgrund der zunehmenden Anfragen steht eine entsprechende elektronische Abbildung im cosinex Vergabemanagementsystem (VMS) seit Juli letzten Jahres zur Verfügung.

Technische Abbildung des Zwei-Umschlag-Verfahrens

Einstellung der Sperrung des Zugriffs auf die Preisdokumente

Bei der Erfassung der Verfahrensangaben einer Ausschreibung kann im Menüpunkt „Angebote“ ausgewählt werden, ob ein Zugriff auf sogenannte „Preisdokumente“, also der Dokumente, die Angaben zu Preisen beinhalten (können), bis zu einer manuellen Freigabe durch einen entsprechend berechtigten Nutzer während der Angebotsprüfung/-wertung gesperrt werden soll.

Kategorisierung der Angebotsdokumente im Bereich Angebotsöffnung

Eine Freigabe dieser Preisdokumente für die weitere Wertung muss anschließend explizit durch hierfür berechtigte Benutzer vorgenommen werden und wird entsprechend protokolliert.

Unter dem Menüpunkt „Freischaltung Preisdokumente“ im Bereich „Angebotsprüfung / -wertung“ können – beispielsweise nach einer Angebotsprüfung und Wertung qualitativer Aspekte sowie ggf. einer Anpassung der Personen, die Zugriff auf die Vergabeakte erhalten – die Preisdokumente unter Protokollierung des Zeitpunkts und des Nutzers, der die Freigabe erteilt, angebotsübergreifend freigegeben werden.

Für die Nutzung der Funktion ist keine Anpassung der bestehenden Konfigurationen erforderlich, da sie bereits im Produktstandard zur Verfügung steht.

Vergaberechtliche Grenzen des Zwei-Umschlag-Verfahrens

Die Anwendung des Zwei-Umschlag-Verfahrens ist insbesondere mit Blick auf die Bestimmungen zur Angebotsöffnung im Einzelfall allerdings kritisch zu hinterfragen. § 14 Abs. 2 Nr. 1 lit. b EU VOB/A sieht ausdrücklich vor, dass die Endbeträge im Öffnungstermin zu protokollieren sind. Im Bereich der VgV fehlt nach Ablösung des § 17 EG VOL/A zwar eine entsprechende explizite Bestimmung in § 55 VgV (Angebotsöffnung) bzw. § 8 VgV (Dokumentation und Vergabevermerk). In der Literatur wird allerdings davon ausgegangen, dass das Dokumentationsgebot nach wie vor verlange, u.a. die Endbeträge der Angebote in das Öffnungsprotokoll aufzunehmen.1

Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HTVG) sieht für Planungsleistungen unter den in § 16 Abs. 3 HTVG genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Anwendung des Zwei-Umschlag-Verfahrens bereits ausdrücklich vor. Der Umschlag mit dem Preis wird dementsprechend erst nach vorläufig abschließender Wertung sowie Reihung und Ausschluss der Leistungsangebote geöffnet.

Es bleibt abzuwarten, wie die Nachprüfungsinstanzen bei Liefer- und Dienstleistungen diese Frage bewerten werden. Jedenfalls im Hinblick auf elektronische Angebote und die hier technisch regelmäßig ausgeschlossene Manipulationsmöglichkeit der Angebotspreise erscheint die Bestimmung zur Dokumentation der Angebotspreise im Angebotsöffnungstermin aus korruptionspräventiver Sicht nicht mehr nötig. Gleiches gilt für das Vier-Augen-Prinzip bei der Angebotsöffnung.

Jedenfalls im Bereich der „Sonstigen Verfahren“, also der Ausschreibungen, die nicht nach Maßgabe vergaberechtlicher Vorgaben durchgeführt, aber ebenfalls im VMS optional abgebildet werden können, scheint eine entsprechende Nutzung möglich.

Verbesserte Abbildung Ihrer Prozesse

Diese und zahlreiche in den letzten Versionen hinzugekommene Funktionen helfen Nutzern unserer Lösungen dabei, ihre Prozesse noch differenzierter elektronisch zu unterstützen.

Vergabestellen, die mit unserer Unterstützung die Nutzung dieser oder weiterer neuer Funktionen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Anforderungen planen und einführen oder einen Überblick über die Änderungen der letzten Versionen erhalten möchten, bieten wir eintägige Best-Practice-Workshops an. Im Rahmen dieser Workshops stellen erfahrene Projektleiter der cosinex die Neuerungen vor, beantworten konkrete Fragestellungen und geben individuelle Tipps in Bezug auf die Anwendungsgebiete der Teilnehmer. Der Workshop erfolgt vor Ort und ist für bis zu zwölf Teilnehmer konzipiert. Bei Interesse senden Sie uns eine E-Mail an produktberatung@cosinex.de.

Bildquelle: Adobe Stock – GaudiLab

Fussnoten

  1. vgl. etwa Schnelle in Müller-Wrede, VGV/UVgO-Kommentar, § 55 VgV Rn. 33 m.w.N.; ebenso: Koch in Burgi/Dreher, Vergaberecht, 2. Band, § 55 Rn. 20 m.w.N.