Nahezu jeder Bieter möchte sich im Vergabeverfahren von seiner besten Seite zeigen. Teilweise werden daher bei der Angebotsabgabe auch Informationen etwa zu Referenzprojekten abgegeben, obwohl diese von der Vergabestelle nicht bzw. noch nicht eingefordert waren. Welche Folgewirkungen dies haben kann, war nunmehr Gegenstand einer Entscheidung der Vergabekammer Berlin (30.11.2018, VK – B 2 – 25 / 18).

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Zum Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb Abbruch- und Erdarbeiten im denkmalgeschützten Bereich aus. Hierzu zählte ausweislich der Bekanntmachung:

„Abbruch und Entsorgung von Fundamenten, Schotterrasen; Erdabtrag, Transport und Zwischenlagerung des Bodens auf dem Grundstück. Herstellung einer Dränage im Bereich des Bauwerks. Danach Wiedereinbau des Bodens, Herstellung einer Anspritzbegrünung zur Bodensicherung.“

Zum Nachweis der Eignung war in der Bekanntmachung u.a. gefordert, dass drei Referenzen beigebracht werden sollen, wenn das entsprechende Angebot in die engere Wahl kommt. Dann wären die Referenzen innerhalb von sechs Tagen nach gesonderter Aufforderung der Vergabestelle vorzulegen gewesen.

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Ein Bieter reichte dennoch bereits mit seinem ersten Angebot unaufgefordert drei Referenzen ein.

Die Vergabestelle prüfte die eingereichten Referenzen und stellte fest, dass sie lediglich einen Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen Abbrucharbeiten, Schuttentsorgung und Reinigung belegen. Die vorgelegten Referenzen sowie die Angaben im Aufklärungsgespräch enthielten keinen Nachweis über einschlägige Erfahrungen im Erdbau, Garten- und Landschaftsbau sowie Tiefbau. Diese Bereiche waren aber erheblicher Bestandteil der Ausschreibung.

Aus diesem Grunde schloss sie das Angebot des Bieters vom Vergabeverfahren aus und teilte ihm mit, dass sie den Zuschlag auf ein Konkurrenzangebot erteilen wolle.

Dies rügte der Bieter erfolglos und stellte danach einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Er stützte ihn u.a. darauf, dass die eingereichten Referenzen aussagekräftig seien und seine Eignung belegen würden. Darüber hinaus habe die Vergabestelle gem. Ausschreibungsbedingungen Referenzen mit einer Frist von sechs Kalendertagen bei ihm erfordern müssen. Dies sei jedoch in vergaberechtswidriger Weise nicht geschehen.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer gab der Vergabestelle Recht.

Als Ausgangspunkt der Entscheidung verwies die Vergabekammer auf § 122 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 6 EU Abs. 1 VOB/A. Demnach werden öffentliche Aufträge an geeignete Unternehmen vergeben.

Nach den jeweiligen Absätzen 2 der vorgenannten Bestimmungen ist ein Unternehmen geeignet, wenn es die durch den Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien erfüllt. Bei der vom Auftraggeber daher nach § 16b EU Abs. 1 S. 1 VOB/A vorzunehmenden Prüfung der Eignung der Bieter handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dabei steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob

  • das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist,
  • der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat,
  • der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist,
  • keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und
  • nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.

Nach diesen Maßstäben sind Beurteilungsfehler des Antragsgegners vorliegend nicht ersichtlich.

Für die rechtliche Bewertung der Eignungsprüfung des Bieters ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Vergabestelle abzustellen.

Vor diesem Hintergrund war die Ausschlussentscheidung der Vergabestelle beurteilungsfehlerfrei. Insbesondere hat die Vergabestelle die Entscheidung über die Eignung des Bieters zutreffend auf die mit dem Angebot eingereichten Referenzen gestützt, keine Unterlagen nachgefordert und die vorgelegten Referenzen als nicht vergleichbar mit der ausgeschriebenen Leistung gewertet. Im Einzelnen:

Die Vergabestelle hat die Eignung des Bieters zu Recht auf der Grundlage der eingereichten Referenzen beurteilt. Zwar waren nach der Auftragsbekanntmachung Referenzen erst „innerhalb von 6 Kalendertagen nach Aufforderung vorzulegen“. Entgegen der Auffassung des Bieters musste die Vergabestelle gleichwohl die mit dem Angebot eingereichten Referenzen einer Eignungsprüfung zugrunde legen.

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Insbesondere bestand keine Pflicht der Vergabestelle zur Einreichung von Referenzen aufzufordern oder diese gar nachfordern zu müssen. Unternehmen müssen sich grundsätzlich an den von ihnen in das Verfahren eingebrachten Unterlagen festhalten lassen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – Unterlagen ohne weitergehende Erklärung seitens des Bieters eingereicht werden. Insbesondere kann dem Auftraggeber nicht zugemutet werden, aus einer denkbaren Fülle eingereichter Unterlagen diejenigen herauszusuchen, die aus Sicht des Bieters erheblich für das konkrete Vergabeverfahren sein sollen und insofern Motivforschung zu betreiben. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe war nach dem objektiven Empfängerhorizont für den Antragsgegner zum oben genannten maßgeblichen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass – wie die Antragstellerin mittlerweile vortragen ließ – die eingereichten Referenzen lediglich der „allgemeinen Unternehmensdarstellung“ dienen sollten.

Spiegelbildlich zur Bindung der Bieter an bereits eingereichte Unterlagen ist der Auftraggeber auch – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – nicht berechtigt, diese erneut von dem Unternehmen zu verlangen und gegebenenfalls einen Ausschluss des Unternehmens auf eine unterbliebene Vorlage zu stützen (Rechtsgedanke des § 6b EU Abs. 3 Spiegelstrich 2 VOB/A). Diese Wertung deckt sich im Übrigen mit den Grundsätzen der Nachforderung. Denn auch insoweit gilt nach § 16a EU Satz 1 VOB/A, dass der Auftraggeber nur fehlende geforderte Erklärungen oder Nachweise nachverlangt. Liegen Unterlagen aber physisch vor, fehlen sie nicht im Sinne dieser Bestimmung. Demzufolge scheidet eine Nachforderung aus, wenn Referenzen vorliegen und lediglich entgegen der Anforderungen der Vergabestelle nicht mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind

Die Vergabestelle habe zutreffend gefolgert, die mit Angebotsabgabe eingereichten Referenzen seien mit der ausgeschriebenen Leistung nicht vergleichbar. Die Vergabestelle hat mit der Bekanntmachung keine ausdrücklichen Vorgaben zur Frage der Vergleichbarkeit aufgestellt. Es handelt sich dabei allerdings erneut um einen unbestimmten Rechtsbegriff, sodass dem Auftraggeber bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz wiederum ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt.

Nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben ist eine Referenzleistung vergleichbar mit der ausgeschriebenen Leistung, wenn sie dieser so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglicht. Dementsprechend bedeutet das Verlangen nach Referenzprojekten für vergleichbare Leistungen nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein muss. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Referenzleistungen den ausgeschriebenen Leistungen nach Art oder Umfang ähneln. Dabei ist grundsätzlich kein zu enger Maßstab anzulegen.

Selbst bei diesem weiten Maßstab lassen die eingereichten Referenzen keinen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters im Hinblick auf die ausgeschriebenen Leistungen zu, die in wesentlichen Teilen den Gewerken Erd- sowie Garten- und Landschaftsbau entstammen und zudem im Denkmalbereich stattfinden. Diese Bereiche wurden durch die Referenzen nicht belegt.

Hinweise für die Praxis

Bieter sind gut beraten, sich an die Vorgaben der Vergabestelle zu halten. Wer zu viel einreicht, kann Gefahr laufen, dass er daran festgehalten wird. Dies gilt übrigens auch bei der Anzahl der Referenzen: Sind beispielsweise drei gefordert und der Bieter reicht mehr ein, muss die Vergabestelle nur drei prüfen. Belegen sie die Eignung nicht, kann das Angebot ausgeschlossen werden. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet über die geforderte Anzahl hinaus Prüfungen vorzunehmen.

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