Darf ein öffentlicher Auftraggeber die Wahl der konzeptionellen Form der eingereichten Unterlagen des Bieters mit in die Wertung einfließen lassen? Ein Gastbeitrag von Dr. Sebastian Conrad erläutert einen hierzu veröffentlichten Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes.
Bauablaufplan: 0 Punkte
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb die Vergabe von Bauleistungen im offenen Verfahren aus. Mit den Angeboten sollten die Bieter u. a. einen Bauablaufplan einreichen. Die Zuschlagskriterien sahen eine Gewichtung des Preises mit 80% und eine Gewichtung der Leistung (technischer Wert) mit 20% vor. Für die Leistungsbewertung sollte u. a. der Bauablauf beurteilt werden. Maßgeblich für die Punktevergabe sollte sein, ob der Bauablauf plausibel dargestellt wird und inwieweit die Angaben zum Fahrzeug- und Geräteeinsatz eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung erwarten lassen.
Der Auftraggeber bewertete das preislich günstigste Angebot hinsichtlich des Bauablaufplans mit 0 Punkten. Zur Begründung dokumentierte er im Wesentlichen, dass der Bauablaufplan des Bieters wegen fehlender Übersichtlichkeit und schlechter Lesbarkeit nicht plausibel sei. Insbesondere könnten die einzelnen Vorgänge nur mit erheblichem Aufwand grob monatlich eingeordnet werden. Auch seien die Verknüpfungen und Abhängigkeiten der Vorgänge untereinander in der zeichnerischen Darstellung des Bauablaufs nicht erkennbar und somit nicht nachvollziehbar.
Nachprüfungsantag mit Erfolg
Der gegen den beabsichtigten Zuschlag eingereichte Nachprüfungsantrag des Bieters hatte Erfolg. Die 2. Vergabekammer des Bundes differenziert zutreffend zwischen dem Bauablauf selbst und dem den Bauablauf darstellenden Bauablaufplan.
Zuschlagskriterium war hier ausschließlich der Bauablauf, nicht aber die Art und Weise seiner Darstellung. Daher konnte auch nur der Bauablauf bewertet werden. Hiergegen hatte der Auftraggeber in den Augen der Vergabekammer verstoßen, da er bei seiner Bewertung allein auf die Form der Darstellung, nicht jedoch auf deren Inhalt abgestellt hatte.
In der Sache nicht begründet
Zudem war nach der Auffassung der Vergabekammer auch der Vorwurf, der Plan sei unübersichtlich und schlecht lesbar, in der Sache nicht begründet; denn der Bieter hatte gemäß den Vorgaben in den Vergabeunterlagen auch eine elektronische Fassung des Plans eingereicht, die nach der Einschätzung der Vergabekammer ein vollständiges Erfassen des Planes ermöglichte.
Der Auftraggeber musste sich damit an seinen eigenen Festlegungen festhalten lassen. Zwar wäre es wohl mit Blick auf § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB vergaberechtswidrig, bei der Angebotswertung die Form des Bauablaufplans in den Vordergrund zu stellen, wenn dieser selbst – wie hier – keine Funktion für die Bauausführung hat.
Wenn der Auftraggeber dennoch meint, die Lesbarkeit der Angebotsunterlagen erfordere eine bestimmte Form (z. B. einen bestimmten Aufbau der einzureichenden Pläne oder Konzepte), bleibt es ihm unbenommen, den Bietern entsprechende Vorgaben zu machen. Unterbleibt dies, können die Angebote nicht anhand ihrer Lesbarkeit bewertet werden.
Der Beschluss kann über diesen Link abgerufen werden.
Autor
Dr. Sebastian Conrad ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht im Berliner Büro der Kanzlei HFK Rechtsanwälte. Er vertritt öffentliche Auftraggeber und Bieter im Vergaberecht, insbesondere bei der Gestaltung von Vergabeverfahren und in Nachprüfungsverfahren. Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen daneben u. a. im Wirtschaftsverwaltungsrecht, im öffentlichen Bau- und Umweltrecht und in weiteren Bereichen des Verwaltungsrechts.
Dr. Sebastian Conrad ist ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Vergaberecht“ sowie Mitglied des Fachanwaltsausschusses für Vergaberecht bei der Rechtsanwaltskammer Berlin. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen, insbesondere zum Vergaberecht.
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