Den Unterschied zwischen öffentlichem Auftrag und geförderter Maßnahme hat jetzt das OLG Düsseldorf grundlegend herausgearbeitet.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, aber auch in Bereichen wie Umweltschutz oder Bildung, werden erhebliche staatliche Gelder im Rahmen sogenannter Förderprojekte eingesetzt.

Der Fördermittelempfänger erhält Fördermittel, um eine bestimmte Leistung zu erbringen. Die (allgemeinen oder sonstigen) Förderbestimmungen sehen vor, dass die Vergabe von Aufträgen in solcherlei geförderten Projekten nach Maßgabe vergaberechtlicher Bestimmungen zu erfolgen habe. Immer wieder fraglich ist dabei, ob hiermit zwingend ein öffentlicher Auftrag vorliegt, sodass im Streitfall auch ein Rechtsschutz und der Weg vor die Vergabekammer eröffnet wird.

Den Unterschied zwischen öffentlichem Auftrag und geförderter Maßnahme hat jetzt das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 11.07.2018 (VII – Verg 1 / 18) grundlegend herausgearbeitet.

Da die Entscheidung des Vergabesenats völlig anders ausgefallen ist, als die der Vergabekammer, stellen wir Ihnen nachfolgend beide Entscheidungen vor.

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Zum Sachverhalt

Eine Kommune betrieb seit Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 Flüchtlingsunterkünfte auf ihrem Stadtgebiet in eigener Verantwortung. Lediglich bei der sozialen Betreuung der Flüchtlinge (Hilfestellungen bei der Lebensbewältigung), bedient sie sich der Unterstützung der örtlichen Wohlfahrtsverbände. Diese haben sich in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Ein religiöser Verein wird in der Arbeitsgemeinschaft durch einen Caritas-Verband vertreten.

Mit den zunehmenden Flüchtlingszahlen stieg bei der Kommune auch der Bedarf an sozialen Betreuungsleistungen.

Der religiöse Verein sowie weitere Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft übernahmen in Abstimmung mit der Stadt die soziale Betreuung der Flüchtlinge in den städtischen Unterkünften. Diese Leistungen wurden über Zuwendungsbescheide finanziert, die entsprechend zweckgebundene Zahlungen vorsahen.

2017 weihte die Stadt eine neue Flüchtlingsunterkunft ein. Die soziale Betreuung der Flüchtlinge übernahm dort der religiöse Verein, der hierfür eine Förderung beantragte und mit Bescheid der Stadt auch bewilligt bekommen hatte.

In einem Förderbescheid wurde explizit die Finanzierung von pauschal 2,5 Stellen Sozialarbeit für die Betreuung von Flüchtlingen in städtischen Unterkünften mit einem Personal-, Sach- und Gemeinkostenzuschuss in einer bestimmten Höhe gefördert.

Ein Unternehmen (der spätere Antragsteller) bot Betreuungsleistungen für Flüchtlinge kommerziell an. Nach erfolgloser Rüge stellt dieses einen Nachprüfungsantrag, um so die Ausschreibung dieser Leistung zu erreichen.

Zur Entscheidung der Vergabekammer

Der Nachprüfungsantrag hatte vor der Vergabekammer Erfolg. Die Vergabekammer stellte fest, dass die durch den Zuwendungsbescheid zustande gekommene Vereinbarung zwischen der Stadt und dem Fördermittelempfänger als Vertrag zu qualifizieren sei. Da letzterer nie ausgeschrieben wurde, sei er nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB von Anfang an unwirksam.

Zur Begründung führte die Vergabekammer aus, dass es sich bei dem Beschaffungsvorgang der Stadt um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag nach § 103 Abs. 4 GWB handele. Der Begriff des öffentlichen Auftrags sei funktional und weit auszulegen. Bei der Förderung durch die Stadt handele es sich ausdrücklich nicht um eine institutionelle Förderung.

Die Gewährung von Fördermitteln sei vielmehr auf ein konkretes Projekt, nämlich die soziale Betreuung von Flüchtlingen in einer bestimmten Unterkunft bezogen. Damit stehe der Erbringung der Leistung durch den Fördermittelempfänger eine Gegenleistung der Stadt gegenüber. Einem Angebot vergleichbar, habe der religiöse Verein einen Förderantrag gestellt und einer Annahme vergleichbar, habe die Stadt das Angebot mit ihrem Zuwendungsbescheid angenommen.

Die Ausführung unterliege der Kontrolle der Stadt. Die Fördermittel seien funktional als Entgelt einzuordnen. Der für den Auftrag maßgebliche Schwellenwert – hier 750.000,- € für soziale Dienstleistungen – werde im konkreten Fall überschritten, womit es sich um einen öffentlichen Auftrag handele.

Gegen den Beschluss der Vergabekammer legten die Kommune sowie der beigeladene Caritas-Verband sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Zur Entscheidung des Vergabesenats

Der Vergabesenat stellte kurz und bündig fest, dass der Vergaberechtsweg zur Vergabekammer und zum Vergabesenat überhaupt nicht eröffnet sei, weil der in Rede stehende Vorgang kein öffentlicher Auftrag sei.

Der Begriff des öffentlichen Auftrags werde in § 103 GWB näher bestimmt. Dies seien entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen. Der Begriff des öffentlichen Auftrags setze – in Übereinstimmung mit der allgemeinen Wortbedeutung des entgeltlichen Vertrags – voraus, dass dadurch eine einklagbare Erfüllungsverpflichtung des Auftragnehmers begründet werde.

Mit dem Zuwendungsbescheid der Kommune sei keine Erteilung eines öffentlichen Auftrags verbunden gewesen; es fehle an einer für den öffentlichen Auftrag erforderlichen Verpflichtung des Fördermittelempfängers zu einer Primärleistung, hier: der Flüchtlingsbetreuung.

Mit dem Zuwendungsbescheid der Stadt sei zwar die Erwartung verbunden gewesen, dass sich der Fördermittelempfänger zuwendungskonform verhalte. Diese Erwartung wurde wegen seines eigenen wirtschaftlichen und karitativen Interesses wahrscheinlich auch erfüllt. Erzwingen ließ sich die von der Stadt gewünschte Leistung der sozialen Betreuung der Flüchtlinge aufgrund des Zuwendungsbescheids aber nicht. Sollte der Fördermittelempfänger die von ihm übernommene Aufgabe nicht erfüllt haben, blieb der Stadt nach dem Inhalt des Zuwendungsbescheids nur die Rückforderung der Zuwendung.

Abschließend verweist der Vergabesenat darauf, dass die Stadt nicht verpflichtet sei, soziale Betreuungsleistungen für Flüchtlinge nach den Vorschriften des Kartellvergaberechts auszuschreiben. Ob ein öffentlicher Auftraggeber einen durch einen öffentlichen Auftrag zu deckenden Beschaffungsbedarf habe, entscheide er allein. Erst wenn eine Entscheidung zugunsten der Erteilung eines öffentlichen Auftrags getroffen sei, werde der Anwendungsbereich des Vergaberechts eröffnet.

Dass die Stadt zur Gewährleistung der sozialen Betreuung der Flüchtlinge anstelle der Vergabe eines öffentlichen Auftrags nicht zum Mittel der Zuwendung greifen durfte, ergebe sich weder aus dem GWB selbst, noch aus sonstigen Vorschriften, die gegebenenfalls als vergaberechtliche Anknüpfungsnormen in Betracht kommen könnten.

Hinweise für die Praxis

Ein Förderbescheid macht noch keinen öffentlichen Auftrag. Diese Gleichung ist noch relativ einfach. Schwieriger wird es, wenn der Förderbescheid die Bedingung enthält, dass etwaige Unteraufträge im Wege des Vergaberechts zu vergeben sind.

Handelt es sich bei dem Fördermittelempfänger um einen öffentlichen Auftraggeber, sind diese Unteraufträge in aller Regel auch als öffentliche Aufträge zu qualifizieren. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich – wenn keine besonderen Umstände hinzutreten – nicht um öffentliche Aufträge im Sinne der Rechtsschutzmöglichkeiten unterlegener Bieter.

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