Bei der Gestaltung von E-Vergabelösungen haben Entwickler die Möglichkeit, Software um Prüfroutinen zu ergänzen, die unnötige Fehler zu vermeiden helfen. Dies kann beispielsweise bei Fristenrechnern oder Vollständigkeitskontrollen ausgesprochen hilfreich sein. Dabei die richtige Balance zwischen unterstützender Software und unzulässiger „Bevormundung“ der Vergabestelle bzw. Bieter zu finden, ist mitunter anspruchsvoll, zumal die Vorstellungen der Nutzer erheblich divergieren.

Was dabei oft übersehen wird, ist der Umstand, dass das Vergaberecht hierfür feste Grenzen gezogen hat. Hierzu passt, dass die Vergabekammer Südbayern in einem kürzlich ergangenen Beschluss (vom 04.05.2018; Az: Z3-3-3194-1-05-03/18) zu der Frage Stellung genommen hat, ob eine Vergabeplattform die Abgabe unvollständiger Angebote technisch verhindern darf.

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Zum Sachverhalt

Die Angebotsphase eines Offenen Verfahrens geht dem Ende entgegen. Ein Bieter möchte – wie von der Vergabestelle gefordert – über die Vergabeplattform sein elektronisches Angebot abgeben. Die Plattform erkennt, dass eine GAEB-Datei unvollständig ist und verhindert deshalb die elektronische Angebotsabgabe. Das Angebot wird aufgrund der implementierten Prüfroutine nicht angenommen. Der Bieter sucht einen Ausweg und gibt das Angebot schriftlich ab.

Die Vergabestelle schließt das Angebot gem. § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A von der Wertung aus, da es verfristet und nicht in elektronischer Form abgegeben wurde.

Der Bieter wehrt sich gegen den Ausschluss und rügt, dass die Plattform sein Angebot aufgrund einer unzulässigen Vorprüfung nicht angenommen habe. Daraufhin ließ die Vergabestelle das Angebot doch zur Wertung zu. Im Ergebnis wurde dieses für den Zuschlag vorgesehen, was den übrigen Bietern im Rahmen der sog. Vorabinformation mitgeteilt wurde.

Daraufhin stellte der zweitplatzierte Bieter einen Nachprüfungsantrag. Zur Begründung führte er an, dass § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A zwingend den Ausschluss für den Fall vorsehe, dass das Angebot nicht formgerecht eingegangen ist. Ein darüber hinausgehendes Ermessen der Vergabestelle gebe es nicht. Ebenso könne aus § 14 EU Abs. 5 Nr. 1 VOB/A i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kein Angebot akzeptiert werden, weil es – aus nicht von dem Bieter zu vertretenden Gründen – verhindert wurde, ein formgerechtes Angebot abzugeben.

Zur Entscheidung

In der mündlichen Verhandlung äußerte die Vergabekammer ihre Rechtsauffassung. Daraufhin erklärte der Auftraggeber, dass er das Vergabeverfahren in den Stand vor dem Submissionstermin zurückversetzen werde.

Damit bedurfte es nur noch einer Entscheidung über die Kosten. Gleichwohl sind die geäußerten Rechtsansichten der Vergabekammer ausgesprochen interessant:

Nach Ansicht der Vergabekammer betrifft die Nachforderung fehlender Angebotsunterlagen oder einzelner Angebotsangaben die materielle Prüfung und Wertung der Angebote. Die hierfür geltenden Vorschriften könnten nicht dadurch umgangen werden, dass unvollständige Angebote aufgrund der Funktionsweise der Vergabeplattform nicht in den Machtbereich der Vergabestelle gelangten.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Der Ausschluss des Papierangebotes aufgrund des nicht formgemäßen Eingangs sei ebenfalls richtig. Es komme weder auf ein Verschulden, noch auf ein Vertreten-Müssen des Bieters an. Jedenfalls könne die nicht vorgesehene Zulassung papiergebundener Angebote nicht als geeignetes Mittel zur Behebung von Problemen bei der E-Vergabe angesehen werden.

Die Vergabekammer hat es auch abgelehnt, die im Bieterbereich der Plattform hochgeladenen Angebotsdateien unter Zugrundelegung zivilrechtlicher Grundätze zur Zugangsvereitelung als vergaberechtlich formwirksam anzusehen.

Die lediglich im Bereich für den Bieter hochgeladenen Dateien entsprächen nicht den Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 VgV. Darüber hinaus ließ die Vergabekammer offen, ob in diesen Fällen das Institut der Zugangsfiktion im Bereich der E-Vergabe auch im Vergaberecht angewendet werden könne.

Hinweise für die Praxis: E-Vergabe ist kein Entscheidungsautomat

Vergabesoftware kann unterstützen, darf aber nicht entscheiden. Auf diesen Nenner kann man die vorgestellte Entscheidung bringen. Gerade am Beispiel des Nachforderns von Unterlagen oder der Unerheblichkeit des Fehlens lediglich völlig nachgeordneter Preisbestandteile kann die Prüfroutine einer Software den Mitarbeiter der Vergabestelle nicht ersetzen. Das Vergaberecht eröffnet an vielen Stellen Ermessens- oder Beurteilungsspielräume. Diese sind von Menschen auszufüllen und nicht von Computern oder Programmen.

Bildquelle: BCFC – shutterstock.com