Vergaberecht

Die Frage, welche Informationen in welchem Umfang bzw. Detailtiefe in der Bekanntmachung angegeben werden müssen und welche Anforderungen an die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen im elektronischen Verfahren bestehen, ist in den vielfältigen Detailfragen komplexer als der Normtext in GWB, VgV & Co. auf den ersten Blick vermitteln.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

Alle Beiträge von Norbert Dippel »

Im letzten Blog-Beitrag in dieser Reihe haben wir uns mit der Frage beschäftigt, was darunter zu verstehen ist, dass die Vergabeunterlagen im Sinne des § 41 VgV direkt abrufbar sein müssen. Eine Frage, die auch in unserem Support-Team immer wieder auftaucht und die in engem Zusammenhang zur direkten Abrufbarkeit steht, betrifft die digitale Bekanntmachung

  • der Leistungsbeschreibung
  • der Zuschlagskriterien und
  • der Eignungskriterien.

Aus diesem Grund erläutern wir nachfolgend, wie bei einem Verweis aus der Vergabebekanntmachung auf digitale Unterlagen umzugehen ist. Nachfolgend stellen wir die entsprechenden Regelungen vor:

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Leistungsgegenstand bzw. Leistungsbeschreibung

Eher unproblematisch ist die Regelung des § 121 Abs. 3 GWB: „Die Leistungsbeschreibung ist den Vergabeunterlagen beizufügen.“ Grund hierfür ist, dass die Leistungsbeschreibung die Grundlage der Angebotserstellung und der späteren Leistungsphase bildet. Deshalb ist sie Pflichtbestandteil der Vergabeunterlagen, was auch in sämtlichen Vergabeverordnungen nochmals betont wird (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 VgV, § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VSVgV, § 8 EU Abs. 1 NR. 2 VOB/A). Selbstverständlich muss die Leistungsbeschreibung vollständig bereitgestellt werden. Insbesondere darf nicht auf Unterlagen Bezug genommen werden, die noch nicht fertiggestellt sind oder – noch schlimmer – erst in der Ausführungsphase bereitgestellt werden sollen. Ohne Leistungsbeschreibung sind die Vergabeunterlagen schlichtweg unvollständig.

Wird auf die Vergabeunterlage verlinkt, bezieht sich dies grundsätzlich auch auf die Leistungsbeschreibung.

Der Auftragsgegenstand ist in der Bekanntmachung somit nur insoweit zu umreißen, als dass interessierte Bewerber erkennen können, ob eine für sie interessante Leistung enthalten sein könnte. Eine detaillierte Beschreibung hingegen kann in der Leistungsbeschreibung d.h. in den Vergabeunterlagen erfolgen.

Verlinkung auf Zuschlagskriterien

Ebenfalls relativ unproblematisch gestaltet sich eine etwaige Verlinkung mit Blick auf die Zuschlagskriterien: Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden (§ 127 Abs. 5 GWB). Der Auftraggeber hat hier die freie Wahl, wie er verfahren möchte. Auch eine Konkretisierung der in der Vergabebekanntmachung veröffentlichten Zuschlagskriterien erst in den Vergabeunterlagen ist möglich und im Fall differenzierter Kriterienkatalog der Regelfall. Werden hierbei die Grenzen einer Konkretisierung überschritten und es stellen sich inhaltliche Abweichungen zu den bekanntgemachten Kriterien ein, sind diese Abweichungen unbeachtlich. Zuschlagskriterien müssen klar und eindeutig formuliert und als solche erkennbar sein.

Für die Verlinkung aus der Bekanntmachung „in“ die Vergabeunterlagen ergeben sich hierbei ebenfalls keine Besonderheiten, weil sie lediglich Bestandteil der Vergabeunterlagen sein müssen.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Verlinkung auf Eignungskriterien

Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen (§ 122 GWB). Im Vergleich zu den beiden vorstehend beschriebenen Regelungen fällt zunächst auf, dass der Gesetzgeber nicht explizit die Möglichkeit eröffnet, die Eignungskriterien bekannt zu machen oder den Vergabeunterlagen beizufügen. Ihnen kommt insoweit eine Sonderstellung zu, die sich auch in ihrer Behandlung der den Regelungen zu Grunde liegenden Vorgaben der EU-Richtlinien wiederspiegelt.

In verschiedenen Nachprüfungsverfahren sind die Vergabekammern und Vergabesenate davon ausgegangen, dass eine Verlinkung der Bekanntmachung mit den Unterlagen, die die Eignungskriterien enthalten, grundsätzlich zulässig ist.

In der praktischen Umsetzung haben sich in der Vergangenheit leider Fehler eingestellt, die wir in den folgenden Fallgruppen kurz darstellen wollen:

  • Fehler / Verlinkung auf den digitalen Vergabemarktplatz: Es ist für eine wirksame Bekanntmachung der Eignungskriterien und Nachweise unzureichend, wenn lediglich auf die Startseite einer Vergabeplattform (bspw. www.auftraege.bayern.de) verwiesen wird. Denn dort müsste sich der Bieter die entsprechenden Unterlagen aus hunderten von dort gespeicherten Vergabeverfahren heraussuchen. Es besteht die Verpflichtung des Auftraggebers, die geforderten Eignungskriterien und Nachweise in der Bekanntmachung zur Verfügung zu stellen und es ist nicht Aufgabe des Bieters, diese aus den zahlreichen Vergabeverfahren auf einer Vergabeplattform herauszufiltern (VK Südbayern, Beschluss vom 20.04.2018, Z 3 – 3 – 3194 – 1 – 59 – 12 / 17).
  • Verlinkung auf die Vergabeunterlagen: Ebenfalls wird es als nicht ausreichend erachtet, wenn in der Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen verwiesen wird, die unmittelbar online zugänglich sind. Sinn und Zweck von Regelungen wie § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 12 EU Abs. 3 Nr. 2 VOB/A i.V. mit Anhang V Teil C Nr. 11 lit. c) der Richtlinie 2014/24/EU bestehe darin, dass jedes in- und ausländische Unternehmen auf einen Blick erkennen kann, ob es als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt oder ob es sich eine Befassung mit den Vergabeunterlagen von vornherein ersparen kann (VK Nordbayern Beschluss vom 15.02.2018, Az.: RMF-SG21-3194-3-1). Bei der Verlinkung auf die Vergabeunterlagen als solches sei nicht gewährleistet, dass der Bieter über den Link aus dem Bekanntmachungstext ohne Weiteres die geforderten Eignungskriterien und Nachweise öffnen und ausdrucken kann. Der Bieter kann nicht auf einen Blick erkennen, ob er als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt.

Demgegenüber soll es ausreichend sein, wenn sich im Bekanntmachungstext hinsichtlich der Eignungskriterien ein Link befindet, über den man ohne Weiteres die entsprechenden Dateien mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen kann. Die Vergabekammer Südbayern ist daher der Auffassung, dass eine wirksame Bekanntmachung der Eignungskriterien (und insbesondere der Mindestanforderungen an die Eignung vgl. Art. 58 Abs. 5 der Richtlinie 2014/24/EU) eine Verlinkung auf den Speicherort des konkreten Dokuments mit den Eignungsanforderungen selbst erfordert (a.a.O.). Diese Formulierung wirft in zweifacher Hinsicht Fragen auf, was nicht verwundert, wenn Jura auf IT trifft:

Zunächst stellt sich die Frage, was der „Speicherort des Dokuments“ ist. Damit dürfte nicht der Ort gemeint sein, an dem sich die Datenbank befindet. Es dürfte wohl so zu verstehen sein, dass dies Internet-Adresse (sog. URL) meint, unter der die entsprechenden Informationen bzw. Dateien abgerufen werden können.

Ebenso ist unklar, was genau unter „ohne Weiteres“ zu verstehen ist. Hier hat nunmehr die VK Nordbayern in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (vom 09.04.2018, RMF – SG 21 – 3194 – 3 – 5) Klarheit geschaffen, wobei sie sich explizit auf die vorangegangene Entscheidung der VK Südbayern bezog.

In dem zu entscheidenden Fall hat die Vergabestell unter Ziffer I.3 der Auftragsbekanntmachung einen Link angegeben. Öffnete im konkreten Vergabeverfahren ein interessierter Wirtschaftsteilnehmer diesen Link, zeigte sich unter anderem sofort sichtbar ein PDF- Symbol mit der Bezeichnung „124 Bekanntmachung zur Eignung …“. Bei diesem PDF-Dokument handelt es sich um das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen) des Vergabehandbuchs Bayern (VHB). Es war somit vorliegend gewährleistet, dass der Bieter ohne weiteres an das Formblatt 124 VHB mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen gelangte. Jeder Bieter konnte auf einen Blick erkennen, ob er als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt.

Entscheidend sei, dass ein Bieter, der die Bekanntmachung durchsieht, ohne Mitwirkung der Vergabestelle Kenntnis von den Eignungskriterien als auch von den vorzulegenden Unterlagen, mit denen die Eignung zu belegen ist, nehmen kann.

Der vorstehenden Entscheidung ist zuzustimmen. Für diese sprechen auch die Vorgaben der EU zur Erfassung und Übermittlung der Bekanntmachungen an das Amt für Veröffentlichungen, die nur dies technisch erlauben.

Am Beispiel der Auftragsbekanntmachung nach Maßgabe der Richtlinie 2014/24/EU (F 02): Abschnitt III. sieht für den Bereich der Teilnahmebedingungen (Eignungskriterien) in den Unterabschnitten III. 2 und  III.3. vor, dass diese entweder in einem auf nur 4.000 Zeichen begrenzten Textfeld beschrieben werden oder, dass ausgewählt wird „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“. Die Angabe eines Links bzw. konkreten Speicherortes einer einzelnen Datei oder weiterer Informationen ist als Eingabe hier nicht vorgesehen. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn die EU hier einen gesonderten Link in Bezug auf Eignungskriterien gefordert oder erwartet hätte, hätte sie hierfür die technischen Voraussetzung zur Eingabe einer Internet-Adresse bzw. eines Links – wie etwa in Abschnitt I.3 für die Auftrags- bzw. Vergabeunterlagen –  vorgesehen.

Damit dürfte auch die EU davon ausgegangen sein, dass bei Auswahl „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ eine Verlinkung auf die Auftragsunterlagen ausreichend ist.

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Eignungskriterien keinesfalls in anderen Regelungen „versteckt“ werden. Ebenso sollte ausgeschlossen werden, dass aus den Auftragsunterlagen auf weitere Quellen verlinkt wird, unter denen man sich dann die jeweiligen Informationen heraussuchen kann / muss.

Insoweit gelten die im papiergebundenen Verfahren entwickelten Grundsätze zu der Transparenz und Klarheit der Eignungskriterien im digitalen Verfahren sinngemäß weiter. Für die Vergabestelle ist deren Beachtung entscheidend. Wird dagegen verstoßen, gelten die Eignungskriterien als nicht wirksam eingebracht.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Fragestellung gerade zur „Verlinkung“ von Eignungskriterien derzeit sowohl in der Spruchpraxis der Vergabekammern im Fluss ist aber auch in den sozialen „Fach“-Netzwerken sehr kontrovers diskutiert wird. Insoweit wird letztlich Rechts- und Handlungssicherheit erst bestehen, wenn sich eine gefestigte Rechtsprechung der Vergabesenate gebildet hat.

Bildquelle: p365.de – Fotolia.com