Werden elektronische Angebote abgegeben, tragen auch die Bieter eine erhebliche Verantwortung dafür, dass die softwaretechnischen Voraussetzungen – insbesondere die Aktualität der verwendeten Software – eingehalten werden. Darauf hat die Vergabekammer Südbayern in ihrem Beschluss vom 19.03.2018 – Z3-3-3194-1-54-11/17 hingewiesen. Der Sachverhalt macht dabei auch die zum Teil unterschiedlichen Funktionsweisen der E-Vergabeplattformen deutlich.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Zum Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Bauauftrag EU-weit aus. Nach den Vergabebedingungen waren Angebote oder Teilnahmeanträge über eine E-Vergabeplattform einzureichen. Weiter hieß es in der Bekanntmachung: „Im Rahmen der elektronischen Kommunikation ist die Verwendung von Instrumenten und Vorrichtungen erforderlich, die nicht allgemein verfügbar sind. Ein uneingeschränkter und vollständiger direkter Zugang zu diesen Instrumenten und Vorrichtungen ist gebührenfrei möglich unter (…).“

Weiter war vorgegeben, dass die Angebote u.a. „elektronisch in Textform“ über die E-Vergabeplattform abgegeben werden mussten.

Für die Abgabe von Angeboten war eine Registrierung notwendig; die elektronische Übermittlung des Angebotes sollte ausschließlich über das dort zur Verfügung gestellte Bietertool erfolgen.

Ein Unternehmen hatte bei der Angebotsabgabe „in Textform“ technische Schwierigkeiten und übersandte sein Angebot deswegen per E-Mail.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das Unternehmen mit einer veralteten Version der Bietersoftware gearbeitet hat, die – der Gesetzeslage vor 2016 entsprechend – die Abgabeart „in Textform“ nicht angezeigte.

Das Angebot wurde ausgeschlossen. Vor der Vergabekammer war zu entscheiden, ob der Ausschluss zu Recht erfolgte.

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Zur Entscheidung

Die Vergabekammer stellte fest, dass das Angebot zwingend wegen Verstoßes gegen die von der Vergabestelle festgelegte Form und wegen Verstoßes gegen die vorgeschriebene Datensicherheit nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VOB/A auszuschließen sei.

Zur Begründung führte die Vergabekammer in einer Begründungskette aus:

  1. Die Vergabestelle habe eine funktionierende E-Vergabepattform bereitgestellt.
  2. Sie habe den Bietern die notwendigen Informationen über die technischen Parameter zur Einreichung elektronischer Angebote gem. § 11 Abs. 3 VgV ordnungsgemäß zur Verfügung gestellt.
  3. Die aufgetretenen Probleme hätten sich in der Risikosphäre des Unternehmens abgespielt.

Im Einzelnen:

Die ordnungsgemäße Funktion der Vergabeplattform ergebe sich schon aus dem Umstand, dass es einem anderen Bieter gelungen sei, ein elektronisches Angebot abzugeben. Auch aufgrund der ausführlichen Erläuterungen während der mündlichen Verhandlung konnte ein technisches Problem der Plattform ausgeschlossen werden.

In diesem Zusammenhang wies die Vergabekammer darauf hin, dass der Verantwortungsbereich des öffentlichen Auftraggebers am Übergabepunkt beginne oder ende, also dort, wo die Daten seinen technischen Einflussbereich betreten bzw. verlassen. Es sei die Aufgabe des Bieters, auf seinem PC die notwendigen Updates und Installationen vorzunehmen. Er trage nämlich das Risiko, dass die elektronischen Mittel, die er verwende, funktionierten. Schließlich habe der öffentliche Auftraggeber hierauf keinen Zugriff, geschweige denn einen Einfluss. Seine Aufgabe und Pflicht liege deshalb darin, den Bietern die entsprechenden Informationen zur Verfügung zu stellen. Träten technische Schwierigkeiten beim Betrieb der verwendeten elektronischen Mittel auf, so seien die Folgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen sind. Vom Bieter selbst zu verantwortende Schwierigkeiten gingen zu seinen Lasten. Diese zählten zum Übermittlungsrisiko, das üblicherweise vom Absender zu tragen sei. Die Erstellung des Angebots und die Vorbereitung der Versendung des Angebotes fänden auf dem PC des Bieters statt und seien folglich seiner Sphäre zuzuordnen. Erst mit der Übermittlung des Angebots an die Vergabeplattform werde der Einflussbereich des öffentlichen Auftraggebers betreten.

Die Vergabestelle habe gem. § 11 Abs. 3 Nr. 2 VgV die notwendigen Informationen über die technischen Parameter zur Einreichung von Angeboten etc. mit Hilfe elektronischer Mittel ordnungsgemäß bereitgestellt. Zu dem Kreis der notwendigen Informationen zählten vorliegend:

  • die Benennung der technischen Voraussetzungen beim Bieter für die elektronische Angebotsabgabe,
  • die Anleitung zur Verwendung der Vergabeplattform,
  • die Anleitung zur Installation der erforderlichen Software – eines Bietertools – durch den Bieter auf seinem PC,
  • deren Bedienung sowie
  • die Aktualisierung der Software mittels eines Updates.

Das Zurverfügungstellen im Sinne dieser Vorschrift beinhalte einerseits das tatsächliche Vorhandensein und andererseits die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Beide Voraussetzungen seien erfüllt, indem die Vergabestelle bereits in der Bekanntmachung auf die E-Vergabeplattform unter Angabe der Internet-Adresse hingewiesen habe.

Nach Auffassung der Vergabekammer gehöre zu diesen Informationen nicht der Hinweis, dass die vom Bieter verwendete Programmversion veraltet sei und welche Konsequenzen es habe, wenn ein oder sogar mehrere Updates nicht durchgeführt werden. Nähmen Unternehmen an EU-weiten Ausschreibungen teil, könne inzwischen von einem allgemeinen Kenntnisstand ausgegangen werden, dass das Unterlassen von durchzuführenden Updates zu Funktionseinbußen bei Computerprogrammen führen kann.

Ausdrücklich wies die Vergabekammer darauf hin, dass die Vergabestelle die entscheidungserheblichen Informationen derart zur Verfügung stellen müsse, dass (bezogen auf die zu verwendenden elektronischen Mittel) ein durchschnittlich versierter Bieter von ihnen Kenntnis erlangen könne. Die Art und Weise des Zurverfügungstellens korreliere deshalb mit der Wichtigkeit der Information und damit, ob es sich um allgemeine oder auftragsbezogene Informationen handele. Von den hier entscheidungserheblichen Informationen, also der Installation, Bedienung und Aktualisierung des Bietertools, habe der Bieter Kenntnis nehmen können, sobald er sich auf der Vergabeplattform bewege.

Hinsichtlich der Art und Weise der Informationsbereitstellung führte die Vergabestelle weiter aus, dass es sogar kontraproduktiv wäre, wenn der öffentliche Auftraggeber sämtliche wichtigen Informationen in einem einzigen Dokument der Vergabeunterlagen aufnehmen würde (bspw. Aufforderung zur Abgabe eines Angebots). Dies würde deren Übersichtlichkeit einschränken und eher dazu beitragen, dass die entsprechenden Ausführungen gar nicht gelesen würden.

Vorliegend habe die Vergabestelle die umfangreichen Ausführungen zum Bietertool sinnvollerweise in einem eigenen Handbuch gebündelt. Darauf habe der Bieter zugreifen können, wenn er das Bietertool benutzt. Da die Benutzung dieses Tools unumgänglich sei, um ein Angebot abgeben zu können, habe nicht nur jeder Bieter die Möglichkeit, vom Handbuch Kenntnis zu nehmen. Es habe sich geradezu aufgedrängt, bei Problemen dieses zu Rate zu ziehen. Aus Sicht der Vergabekammer mache es im Hinblick auf die Kenntnisnahmemöglichkeit keinen Unterschied, ob das Handbuch in den Vergabeunterlagen, auf der Vergabeplattform oder im Reiter „Hilfe“ des Bietertools eingesehen werden kann.

Weiter führte die Vergabekammer aus:

  • Besondere Angaben über die technischen Parameter zur Einreichung von Angeboten in einem bestimmten Vergabeverfahren seien sinnvollerweise in die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes nach § 8 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A oder § 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VgV aufzunehmen;
  • Allgemeingültige Angaben könnten hingegen in den Bewerbungsbedingungen nach § 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VgV – der die Bewerbungsbedingungen als Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens definiere – oder vorliegend in den Teilnahmebedingungen nach § 8 EU Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4 VOB/A gemacht werden.

Dabei sei es nach Sinn und Zweck der Regelung jedoch unschädlich, wenn Angaben fälschlicherweise in die Aufforderung zur Angebotsabgabe anstatt in die Bewerbungsbedingungen aufgenommen würden oder umgekehrt. Die Einordnung könne zum einen schwierig sein und zum anderen müsse der Bieter ohnehin sämtliche Vergabeunterlagen lesen. Hier sei folglich der Verweis auf das Bietertool in der „Ergänzung der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots – Teilnahmebedingungen bei elektronischen Vergabeverfahren über die Vergabeplattform“ ausreichend gewesen.

Die Vergabekammer vertritt daher die Auffassung, dass der Antragsgegner die notwendigen Informationen gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 2 VgV in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt habe.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Bewertung

Die Vergabekammer hat mit dem Beschluss nicht nur den Bietern eine erhebliche Mitverantwortung für das ordnungsgemäße Funktionieren des elektronischen Vergabeprozesses zugeschrieben, sondern auch die bereits an anderer Stelle ausgeführte Trennung der Risiko- und Verantwortungssphären zwischen Vergabestelle und Bieter – insbesondere im Prozess der Angebotsabgabe – bestätigt.

In technischer Hinsicht erscheint die Zuschreibung der Verantwortung ausschließlich in die Sphäre des Bieters im konkreten Fall diskussionswürdig. Unzweifelhaft sind solche Bietertools Annex der E-Vergabeplattformen. Deren Funktionsfähigkeit gehört damit grundsätzlich in die Sphäre der Vergabestelle. Lediglich dadurch, dass kein Update durchgeführt wurde, könnte die Verantwortung in der Sphäre des Bieters liegen.

Das Entstehen eines solchen Problems ist aber für Lösungsanbieter durchaus verhinderbar. So erfolgen bei Einsatz des cosinex Vergabemarktplatz Updates des Bietertools im Regelfall weitgehend automatisiert und nicht in der Form, dass – wie wohl im vorliegenden Sachverhalt – der Nutzer darauf hingewiesen wird, dass eine neue Version zur Verfügung steht. Den Sachverhalt auf unsere E-Vergabeplattform übertragen: Spätestens beim ersten Aufruf des Bietertools für eine elektronische Angebotsabgabe wäre das Bietertool auch auf die neue Version (einschließlich der Möglichkeit, das Angebot via Textform einzureichen) aktualisiert worden.

Jedenfalls im Ergebnis ist der Vergabekammer zuzustimmen. So wäre der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 17.03.2017, 15 Verg 2 / 17) folgend das übermittelte Angebot via E-Mail jedenfalls aufgrund der fehlenden Verschlüsselung auszuschließen gewesen. Vielmehr hätte der Bieter die fehlende Möglichkeit zur Abgabe des Angebots in elektronischer Textform ggü. der Vergabestelle rügen müssen, statt (wie im dort entschiedenen Fall sogar auf Anraten der Vergabestelle) das Angebot per E-Mail zu übersenden.

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