Um die Wirtschaft von unnötigen und belastenden Regelungen frei zu machen und Bürger und Unternehmen von entsprechenden Vorgaben zu befreien, wurden in der Vergangenheit die hinlänglich bekannten Entfesselungspakete ausgearbeitet und auf den Weg gebracht.
Bereits Ende letzten Jahres legte das Kabinett des Landes im Rahmen des „Entfesselungspakets II“ eine Gesetzesnovelle zur Änderung des EGovG NRW vor, die zugleich die Umsetzung der E-Rechnungsrichtlinie der EU (2014/55/EU) zum Gegenstand hatte. Dabei greift der Entwurf einige Grundgedanken der bereits erfolgten Umsetzung der Richtlinie auf Bundesebene (hier § 4a EGovG) auf, geht aber in Details darüber hinaus bzw. berücksichtigt auch Aspekte, die auf Bundesebene in der im September letzten Jahres gefassten Rechtsverordnung (Verordnung zur elektronischen Rechnungsstellung) für den Bereich der Bundesverwaltung geregelt wurden.
Der Entwurf sieht für einen neuen § 7a EGovG NRW in Absatz 1 vor, dass „unabhängig vom Auftragswert und vom Betrag der Rechnung“ elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten sind, wenn sie gegenüber einem öffentlichen Auftraggeber ausgestellt wurden. Gerade vor dem Hintergrund der relativ gesehen noch geringen Anzahl an elektronisch übermittelten Rechnungen spricht vieles dafür, dass diese Neuerung und die damit umgesetzte vollständige Öffnung gegenüber elektronischen Rechnungseingängen den Kern des Entfesselungsgedankens trifft. Dies wird auch deswegen anzunehmen sein, da die Vorgabe damit weit über die Anforderungen der EU-Richtlinie hinaus geht, die die Pflicht zur Entgegennahme elektronischer Rechnungen nur bei solchen Rechnungen vorsieht, die im Zuge EU-weiter Ausschreibungen übermittelt werden (vgl. Art. 1 der Richtlinie).
Analog der Regelung auf Bundesebene verortet das Land die E-Rechnung im E-Government-Gesetz und öffnet (notwendigerweise) hierfür den Anwendungsbereich des Gesetzes. So gelten nach § 1 sowohl des EGovG (des Bundes) wie auch des EGovG NRW die Regelungen zunächst (nur) für öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit, das Empfangen von Rechnungen aufgrund der vorherigen Vergabe öffentlicher Aufträge hingegen gehört zum Bereich der Fiskalverwaltung.
Die gewonnene Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Ausstellung von Rechnungen gilt jedoch gemäß § 7a Abs. 2 E-GovG NRW-E nicht uneingeschränkt. Wie auch in den Vorgaben des Bundes ist vorgesehen, dass eine Rechnung als elektronisch gilt, wenn Sie in einem strukturierten Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, welches ihre automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht. Erfreulicherweise stellt aber abweichend von den Vorgaben des Bundes Satz 2 der Regelung klar, dass Rechnungen, die aus einem strukturierten elektronischen Format und aus einem Abbild der Rechnung bestehen (hybrides Format) keine elektronische Rechnung im Sinne dieses Gesetzes darstellen. Solche hybriden Formate bestehen etwa dann, wenn die übermittelte Rechnung aus einem PDF besteht, die einen eingebetteten (maschinenlesbaren) Teil im XML-Format enthält. Einen solchen technischen Ansatz etwa verfolgt seit Jahren der Industrie-Standard ZUGFeRD. Gegen diesen hatte sich allerdings bereits der IT-Planungsrat zu Gunsten des neuen XRechnungs-Standards in seiner 23. Sitzung am 22.06.2017 entschieden. Einer der wesentlichen Vorteile des XRechnungs-Standards ist, dass die Daten ausschließlich in elektronischer Form vorliegen. Ein Auseinanderfallen der Angaben im PDF einerseits und denen in der eingebetteten XML ist damit nicht möglich.
XRechnung vs. ZUGFeRD
Der vermeintliche „Blattschuss“ auf das ZUGFeRD-Konzept wird vor allem vor dem Hintergrund des § 7a Abs. 3 EGovG NRW-E deutlich, der die Ausstellung von Rechnungen im hybriden Format nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung explizit ausschließt. Als Grundlage hierfür kann die in Richtlinie 2014/55/EU Artikel 2 Abs. 1 angeführte Erklärung angeführt werden, dass (nur) Rechnungen, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden, welches ihre automatische und elektronische Verarbeitung möglich macht, „elektronische Rechnungen“ darstellen. Für die Auslegung, dass nur Rechnungen, die ausschließlich in einem strukturierten elektronischen Format generiert werden, diesen Anforderungen genügen, spricht die hierdurch gewährleistete Medienbruchfreiheit, die eine Rechnungsübermittlung im PDF-Format nicht leisten kann. Weil die ZUGFeRD-Syntax Entwicklerangaben zufolge allerdings zu 100% konform mit den von der europäischen Kommission veröffentlichten Syntax-Vorgaben (UN/CEFACT-Datenmodell und UN/CEFACT-Syntax) sei, bleibt spannend, ob die hybride ZUGFeRD-Lösung sich dem Ausschluss noch entziehen kann oder ob sich deren Anwender hin zu einer strukturierten elektronischen Rechnungsübermittlung orientieren müssen.
Da die Nutzung einer hybriden Lösung – in der Rechnungsempfänger die strukturiert übermittelten Rechnungsdaten ignorieren können und auf die Rechnung im PDF Format zugreifen – aufgrund des Medienbruchs fehleranfällig ist, spricht indes vieles für die kompromisslose Umstellung auf strukturierte und damit vollständig automatisierte Lösungen.
Den Entwurf finden Sie auf den Seiten des Landtags Nordrhein-Westfalen unter diesem Link.
Tipps für öffentliche Auftraggeber aus NRW
Ab dem 01. April 2020 müssen auch die öffentlichen Auftraggeber aus NRW darauf vorbereitet sein, elektronische Rechnungen in strukturierter Form zu empfangen.
Eine weitere elektronische Verarbeitung, etwa im Rahmen eines integrierten E-Rechnungs-Workflows, mag sinnvoll sein, ist allerdings rechtlich nicht vorgegeben.
Angesichts des Umstands, dass neben XRechnung und (temporär) ZUGFeRD auch ausländische Rechnungsformate berücksichtigt werden müssen und eine bloße Entgegennahme via E-Mail (wie auch im Bereich der E-Vergabe) kaum geeignet scheint, empfiehlt es sich, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen.
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