In einer aktuellen Entscheidung (VK 2 – 154/17) hat sich die Vergabekammer des Bundes (VK-Bund) noch einmal grundsätzlich mit den Formerfordernissen bei schriftlichen Angeboten befasst. Demnach gilt nach wie vor: Bei schriftlichen Angeboten muss eine eigenhändige Unterschrift vorliegen. Eine eingescannte Unterschrift genügt nicht, weshalb das Angebot zwingend auszuschließen ist.
Der Autor
Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.
Zum Sachverhalt
Die Vergabestelle führte ein EU-weites Vergabeverfahren nach Maßgabe der VOB/A durch. Die Auftragsbekanntmachung enthielt den Hinweis: „Der Auftrag wird von einer zentralen Beschaffungsstelle vergeben.“ Auf dem entsprechenden Formblatt war angekreuzt worden, dass Angebote „schriftlich“ abzugeben sind.
Das Angebotsschreiben der späteren Antragstellerin (ASt) enthielt keine handschriftliche, sondern lediglich eine fotokopierte bzw. eingescannte Unterschrift. Gleichwohl vermerkte die Vergabestelle in ihrem Vergabevermerk: „Rechtsverbindliche Unterschrift: Ja“.
Nachdem das Angebot wegen verschiedener anderer Vergabeverstöße ausgeschlossen und der Zuschlag an ein anderes Unternehmen erteilt werden sollte, stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag.
In ihrer ersten Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag wies die Vergabestelle erstmals darauf hin, dass das Angebot der ASt auch deshalb auszuschließen sei, weil es mit der geforderten Schriftform nicht übereinstimme. Die eingescannte Unterschrift entspreche den Anforderungen an die Schriftlichkeit nicht (§ 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A).
Gleichzeitig verwies die Vergabestelle darauf, dass sie in Wirklichkeit keine zentrale Beschaffungsstelle sei. Insofern sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, die Abgabe von Angeboten mittels elektronischer Mittel in Textform zuzulassen. Die anderslautende Auftragsbekanntmachung sei insofern fehlerhaft.
Die Entscheidung: Privilegierung elektronischer Angebote im Hinblick auf die Authentizität und Nichtabstreitbarkeit?
Die VK-Bund hat in ihrer Entscheidung die Rechtslage rund um die eigenhändige Unterschrift noch einmal aufgearbeitet:
Ausgangspunkt der Vergabekammer ist die Schriftform nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A. Demnach müssen schriftliche Angebote unterschrieben sein. Die danach begründete Schriftform richte sich nach § 126 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorgabe muss das Angebot „eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet“ worden sein. Die eigenhändige Unterschrift diene dem Zweck, die Identität des Verfassers erkennbar zu machen, die Echtheit des Angebots zu garantieren und dem Auftraggeber als Erklärungsempfänger die Prüfung zu ermöglichen, ob das Angebot auch von dem darin benannten Bieter, mithin der ASt., stamme. Die Vorlage der Kopie einer Unterschrift bzw. einer eingescannten Unterschrift reichten somit nicht aus.
Ausdrücklich stellte die Vergabekammer fest, dass nach wie vor die Schriftform der Angebote gefordert werden dürfe. Im Gesetz werde derzeit lediglich die Möglichkeit eröffnet, Angebote mithilfe elektronischer Mittel i.S. des § 126b BGB abzufordern. In diesen Fällen wäre eine eigenhändige Unterschrift in Abweichung von der Maßgabe des § 126 BGB entbehrlich. Für öffentliche Auftraggeber wie die Vergabestelle, die keine zentrale Beschaffungsstellen im Sinne des § 120 Abs. 4 GWB sind, gelte aber eine Übergangsfrist bis zum 18. Oktober 2018: Bis zu diesem Datum könne von der Maßgabe des § 11 EU Abs. 4 VOB/A abgewichen und vorgeben werden, dass Angebote nicht elektronisch in Textform, sondern auf dem Postweg oder direkt übermittelt werden. Insofern sei das Vorgehen der Vergabestelle grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Vergabestelle fälschlicherweise als „zentrale Beschaffungsstelle“ bezeichnet hat. Für diese gelte nämlich die vorstehende Übergangsfrist nicht, so dass sie schon heute ausschließlich elektronische Angebote hätte zulassen müssen. Bei diesen besteht das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift nicht mehr, vielmehr darf (in engen Ausnahmefällen) bestenfalls eine fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signatur gefordert werden.
Hierzu stellte die Vergabekammer fest, dass zentrale Beschaffungsstellen nur solche öffentlichen Auftraggeber seien, die für andere öffentliche Auftraggeber öffentliche Aufträge vergeben. Dies sei hier nicht der Fall, da die Vergabestelle nur für sich selbst beschaffe.
Letztlich könne sich die ASt. auf diese Falschbezeichnung auch nicht berufen, da sie gar nicht unter einem irgendwie gearteten, von ihr aufgrund der fehlerhaften Angabe in der Auftragsbekanntmachung etwaig angenommenen Rechtsschein gehandelt habe. Die ASt. habe nämlich kein Angebot nach den Maßgaben des § 11 Abs. 4 VOB/A-EU „in Textform mithilfe elektronischer Mittel“ vorgelegt, sondern dies schriftlich auf Papier eingereicht. Überdies hat die ASt. die Vorgabe der Schriftform in keiner Weise gerügt.
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Nach allem sei das Angebot der ASt. somit nach § 16 EU Nr. 2 i.V. mit § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A zwingend auszuschließen; ein Ermessen lasse die Vorschrift insoweit nicht zu.
Der Ausschluss wegen der nicht gewahrten Schriftform als einer – auf den ersten Blick – formalen Vorgabe sei auch nicht wegen Verstoßes gegen den höherrangigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 GWB rechtswidrig. Insbesondere stehe die Möglichkeit einer Nachforderung der fehlenden eigenhändigen Unterschrift nicht als ein milderes Mittel zur Verfügung. Die fehlende eigenhändige Unterschrift des Angebotes sei bereits keine fehlende Erklärung bzw. kein fehlender Nachweis i.S. des § 16a EU Satz 1 VOB/A. Sie könne bei vorgeschriebener Schriftform des Angebotes schlechthin nicht nachgefordert werden.
Auch sei der Ausschluss wegen der fehlenden eigenhändigen Unterschrift trotz der vorgelegten Kopie des Angebotsschreibens bzw. der darin enthaltenen Kopie der Unterschrift nicht unangemessen. Zweck des Schriftformerfordernisses und damit der von der Vergabestelle geforderten eigenhändigen Unterschrift sei gerade, dass die Abgabe verbindlicher und echter Angebote gewährleistet werden soll. Es soll nicht in der Hand eines Bieters liegen, sich nach Ablauf der Angebotsfrist ohne weiteres vom Angebot zu lösen. Liegt eine eigenhändige Unterschrift somit nicht vor, hat das Angebot unberücksichtigt zu bleiben. Daran ändere auch nicht, dass sich ein solcher Bieter – nach Ablauf der Angebotsfrist, insbesondere im Nachprüfungsverfahren – ausdrücklich zu seinem Angebot bekennt. Denn nach Ablauf der Angebotsfrist und Öffnung der Angebote kann ein derart nachträglich verbindlich gemachtes bzw. ggf. erstmals verbindlich und echt zurechenbar abgegebenes Angebot nicht mehr berücksichtigt werden (§ 14 EU Abs. 1 Satz 3 VOB/A bzw. § 97 Abs. 1 und 2 GWB). Demgegenüber muss das Interesse der ASt. an einer Beteiligung am Vergabeverfahren zurückstehen.
Letztlich blieb so nur die Möglichkeit, das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift mit dem Ausschluss zu ahnden.
Praxishinweis
Auch wenn mit der fortschreitenden Verbreitung der E-Vergabe mehr und mehr die Textform Einzug hält, gilt dies nur für die elektronische Angebotsübermittlung. Bei schriftlichen Angeboten ist nach wie vor eine eigenhändige Unterschrift erforderlich.
Faktisch werden damit elektronische Angebote im Hinblick auf die Formstrenge gegenüber schriftlichen bzw. postalisch übermittelten Angeboten deutlich privilegiert.
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