Unter der Überschrift „Ein neuer Aufbruch für Europa – eine neue Dynamik für Deutschland…“ haben sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Ob damit eine neue Bundesregierung gebildet werden kann und dieser als künftige Leitlinie einer neuen Regierung wirksam vereinbart wird, hängt nunmehr vom kommenden Mitgliederentscheid der SPD Anfang März ab. Einen entsprechenden Beschluss vorausgesetzt, hält der Koalitionsvertrag auch für das Vergaberecht und hier insb. für die VOB(/A) einiges in petto.
Bereits in der vergangenen Woche meldete sich der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) mit einer Stellungnahme zu vermeintlichen Plänen einer Großen Koalition für eine Abschaffung der VOB, wohl anlässlich erster Papiere, die den Interessenvertretern der Verbände aus den Verhandlungsgruppen zur Verfügung gestellt wurden. In dieser erklärte Felix Pakleppa (Hauptgeschäftsführer des ZDB) in der Stellungnahme „Wer die VOB abschaffen möchte – und das wäre die Konsequenz einer solchen Vergabeverordnung – hat keine Ahnung von den Abläufen im öffentlichen Bau. Die VOB ist die Garantie für eine praxisgerechte und unbürokratische Vergabe in der Bauwirtschaft. Im dem rund 1.000 Seiten starken Werk beinhalten rund 900 Seiten die technischen Normen. Hier stellt sich die Frage, ob das Wirtschaftsministerium zukünftig sämtliche technische Normen regeln und in ein Gesamtwerk übernehmen möchte.“
Dabei dürfte es bereits zu diesem Zeitpunkt den künftigen Koalitionären kaum um die sehr umfassenden Teile der VOB/B, also die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen oder die VOB/C, die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, gegangen sein, sondern bestenfalls um die rund 100 Seiten der VOB/A, die zum Teil hochredundant etwa die in der VgV geregelten europarechtlichen Vorgaben stellenweise mit eigenen Formulierungen wiedergibt und damit in Details bei einigen Rechtsanwendern mehr Unsicherheiten auslöst, als Klarheit schafft.
Bereits seit der Integration der VOL/A sowie der VOF in die VgV (bzw. im Unterschwellenbereich der UVgO) schwelt die Diskussion, warum die Vorgaben zur Vergabe von Bauaufträgen der öffentlichen Hand (gemeint waren und sind nicht die in der VOB/B und VOB/C geregelten Vertragsbedingungen) nicht – ggf. mit erforderlichen Sonderregelungen für Bauvergaben – in die bestehenden Verordnungen integriert werden können. Berücksichtigt man allerdings, dass die VOB durch einen sog. Verdingungsausschuss (den DVA – Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen) bestehend auch aus Vertretern verschiedener Lobbyverbände erarbeitet wird, gibt dies u.U. einen Erklärungsansatz für den Widerstand Einzelner.
Der nun veröffentliche Koalitionsvertrag gibt in zwei Passagen die Richtung vor. So wird unter Punkt VI. (Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen) und hier Nr. 1 ausgeführt:
Die öffentliche Beschaffung ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Öffentliche Aufträge müssen mittelstandsfreundlich ausgeschrieben werden. Zur weiteren Vereinheitlichung des Vergaberechts prüfen wir die Zusammenführung von Verfahrensregeln für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen einerseits und von Bauleistungen andererseits in einer einheitlichen Vergabeverordnung.
Ein nur vermeintlicher Widerspruch ergibt sich zu Punkt IX. (Lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen), hier Nr. 4:
Die öffentlichen Bauleistungen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie fördern insbesondere den Mittelstand. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) als faire, wettbewerbsneutrale und von allen Bauverbänden getragene Verfahrensregelung garantiert gute Bauleistungen. Sie ist zu sichern und anwenderorientiert weiterzuentwickeln.
Diese sich ggf. auf den ersten Blick widersprechenden Ziele des Koalitionsvertrags lassen sich recht einfach auflösen: Integration der VOB/A, also der Regelungen zur Vergabe für öffentliche Auftraggeber in die VgV (Abschnitt 2 der heutigen VOB/A) bzw. in die VSVgV (Abschnitt 3) und für den Unterschwellenbereich in die UVgO (Abschnitt 1) unter Beibehaltung bzw. Fortentwicklung der VOB/B sowie der VOB/C.
Ein anderer Erklärungsansatz für den vermeintlichen Widerspruch der beiden Passagen wäre eine unzureichende Abstimmung zwischen den Arbeitsgruppen bei den Verhandlungen und fehlende Endredaktion. Eine solche möchte man trotz sicher Kräfte raubender Verhandlungen in den vergangenen Tagen den Beteiligten nicht unterstellen.
Viele Rechtsanwender in den Vergabestellen, die nicht ausschließlich Aufträge im Baubereich vergeben, dürften sich über eine Vereinheitlichung freuen.
Wie so häufig in den letzten Jahren darf mit Blick auf die weitere Entwicklung des Vergaberechts festgehalten werden: Es bleibt spannend!
Der Fortbestand der VOB ist allerdings nicht die einzige vergaberechtliche Frage, mit der sich der Koalitionsvertrag befasst.
Weitere Punkte zum Öffentlichen Auftragswesen
Weitere Punkte zum Vergaberecht betreffen:
- eine erweiterte Transparenz im Verkehrswegebau durch Öffentlich-Private Partnerschaften und hier die Vergabe von Konzessionen unter den (hier allerdings namentlich nicht genanntem) Aspekten und Anforderungen des Open Contracting (Seite 74),
- Aspekte zum Öffentlichen Personennahverkehr (Seite 79),
- die Auftragsvergabe im Bereich Verteidigung und Sicherheit und hier die Vorgaben des § 12 VSVgV (Seite 159 des Koalitionsvertrags).
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