Darstellung Organisation über Zahnräder

Zentral oder Dezentral? Ist diese Frage überhaupt relevant? Welche Aufgaben sollen zentralisiert werden und wie? Welche Widerstände in den gewachsenen Strukturen und der eigenen Organisation sind zu überwinden? Wie mit den sehr unterschiedlichen Bereichen von Bau- vs. Liefer- und Dienstleistungen umgehen und mit welchen Nachteilen sehen sich zentrale Vergabestellen konfrontiert?

Der erste Teil der Beitragsreihe im cosinex-Blog hat sich mit den generellen Aufgaben einer zentralen Vergabestelle beschäftigt. In diesem zweiten Teil geht es um die Grundsätze für die Aufgabenverteilung zwischen Fachbereichen und zentraler Vergabestelle in konkreten Vergabeverfahren.


Die übrigen Teile der Reihe


Aufgabenverteilung zwischen Fachabteilungen und zentraler Vergabestelle

Als Grundlage für eine objektive Betrachtung ist eine möglichst präzise Bestimmung der Einzeltätigkeiten erforderlich, um eine genaue Zuordnung zu ermöglichen und späteres Zuständigkeitsgerangel zu vermeiden. Dabei werden sich die eigentlich unstreitig zuzuordnenden Aufgaben herauskristallisieren, zur überwiegenden Zahl der Aufgaben wird es aber erhebliche Diskussionen geben, die allerdings mit klaren Entscheidungen und nicht mit Formelkompromissen beendet werden müssen.

Bleiben wir zunächst bei den Fachabteilungen, die entsprechend ihrer Zuständigkeit ohnehin immer die Initiatoren einer Auftragsvergabe sind. Im VOL- bzw. VgV-Bereich wird ein Vergabevorgang regelmäßig durch die Bedarfsanalyse (qualitativ und quantitativ) ausgelöst, die in eine präzise, umfassende und erschöpfende Leistungsbeschreibung übergehen muss, einschl. der Festlegungen zu Fach- oder Teillosen. Übrigens müssen zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit dargelegt werden, sondern auch die Fragen zu Energieeffizienz, Lebenszyklusanalyse, Umwelt- und Arbeitsschutz, usw. so genau formuliert werden, dass im Rahmen der Angebote darauf vergleichbare und auswertbare Antworten erwartet werden können. In dieser frühen Phase des Verfahrens werden bereits grundsätzliche Festlegungen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf den späteren Wettbewerb und das wirtschaftliche Ergebnis haben. Daher ist es bei vielen öffentlichen Auftraggebern üblich, das Ergebnis der Bedarfsanalyse durch die Revision und/oder politische Gremien bestätigen zu lassen. Zum fachlichen Teil gehören selbstverständlich auch die Kostenschätzung, die Bestimmung des Leistungs- oder Lieferungszeitpunktes, die Sicherung der Finanzierung, die Herbeiführung der notwendigen Gremienbeschlüsse, die Erstellung der Vergabeunterlagen, aber auch Vorschläge zur Vergabeart, den Eignungs- und Zuschlagkriterien usw.

Wenn mit E-Vergabe gearbeitet wird ist es außerordentlich sinnvoll, bereits zum Start der Bedarfsanalyse eine elektronische Vergabeakte zu jedem Vorgang anzulegen, auf die alle beteiligten Mitarbeiter/innen Zugriff haben. Das erleichtert und beschleunigt den Ablauf erheblich.

Betrachtet man die VOB-Verfahren, wird die Rolle der Fachbereiche noch deutlicher, da dem Vergabeverfahren regelmäßig eine umfangreiche Planung zugrunde liegt, an der in vielen Fällen auch externe Fachleute – Architekten und Fachplaner für verschiedene Gewerke – beteiligt sind. Vermeintlich einfache Bauaufgaben gibt es so gut wie keine mehr. Ob Hoch- oder Tiefbau, alle Maßnahmen sind inzwischen so komplex, dass einer zwischen den handelnden Organisationseinheiten und Personen sorgfältig aufeinander abgestimmten Planung herausragende Bedeutung zukommt. Alle Änderungen von Planungen (vor allem, wenn sie nach der Auftragsvergabe erfolgen) enden in den bekannten Nachträgen und werden richtig teuer, viele Beispiele aus jüngster Zeit sind Beleg dafür. Aber wann hat ein Objekt die notwendigen Planungsreife erreicht, um von Ausschreibungs- oder Vergabereife sprechen zu können, so wie es in der VOB verlangt wird? Selbstverständlich liegt die Zuständigkeit für diese Beurteilung bei dem federführenden Fachbereich, dem die Koordination obliegt. Er ist allerdings gut beraten, wenn er sich hinsichtlich der vergaberechtlichen Fragen nicht nur rechtzeitig, sondern ständig mit erfahrenen Vergabefachleuten abstimmt.

Übrigens ist dringend anzuraten, bereits den gesamten Prozess der Planung in elektronischen Akten zu dokumentieren, die später – ganz oder teilweise – in eine E-Vergabeakte übergehen können. Eine ordentlich aufgebaute elektronische Akte hat den entscheidenden Vorteil, dass alle am Planungsprozess beteiligten Personen der jeweiligen Organisation jederzeit auf dem gleichen Wissensstand sind, da sie einen ständigen Zugriff auf diese Akte haben. Damit ist zumindest die organisatorische Voraussetzung geschaffen, um unliebsame Überraschungen, unnötige Doppelarbeit, Missverständnisse usw. wenn auch nicht ganz auszuschließen, so aber dennoch zu minimieren.

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Aufgaben der zentralen Vergabestelle

Außer den bereits beschriebenen generellen Aufgaben soll die zentrale Vergabestelle in den einzelnen Verfahren für alle rein vergaberechtlichen Fragen zuständig sein und diese verantwortlich entscheiden. Dazu gehören die Entscheidungen zu den vergaberechtlichen Eckpunkten, wie z.B. die Art des Verfahrens oder der Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien. Dabei dürfen die Fachdienste keineswegs außen vor gelassen werden, denn sie müssen ihre Auffassung in das Verfahren einbringen können.

Im Einzelfall sind Konflikte aufgrund unterschiedlicher Ansichten nicht auszuschließen, diese lassen sich aber unter Berücksichtigung der fachlichen oder vergaberechtlichen Zuständigkeit beurteilen und entscheiden. Letztlich müssen beide Sichtweisen zusammenfinden, denn was fachlich in Ordnung, vergaberechtlich aber „daneben“ ist, kann ebenso wenig veröffentlicht werden wie Beschreibungen, die vergaberechtlich tragbar sind, fachlich jedoch durchfallen. Übrigens hat dies dem Grunde nach nichts mit der beschriebenen Aufgabenteilung zu tun; solche Konflikte müssen eigentlich immer rechtzeitig erkannt und ausgeschlossen werden – wobei die Betonung auf „eigentlich“ liegt.

Zur formalen Abwicklung der einzelnen Vergabeverfahren gehören alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Ausschreibung. Vor dieser Veröffentlichung sollten alle Dokumente nochmals einer intensiven vergaberechtlichen Qualitätskontrolle hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit unterzogen werden, dies erspart im Zweifelsfall später erheblichen Ärger und Mehraufwand. Nur die zentrale Vergabestelle darf das Vergabeverfahren zur Veröffentlichung freigeben. Bei Anwendung der E-Vergabe hat auch nur die Vergabestelle einen direkten Zugriff auf das elektronische Vergabeportal. Änderungen und Ergänzungen der Vergabeunterlagen werden nur durch die zentrale Vergabestelle in das Verfahren eingebracht, sie ist auch für eine evtl. notwendige Aufhebung einer Ausschreibung zuständig und vergaberechtlich verantwortlich.

Die Abwicklung der gesamten Bieterkommunikation in einem E-Vergabeverfahren gehört ebenfalls zu den primären Aufgaben der Vergabestelle. Eingehende Fragen werden nur von dort beantwortet, nachdem zuvor die fachliche Stellungnahme des Fachbereichs eingeholt wurde (es sei denn, es handelt sich um rein vergaberechtliche Fragen). Die Vergabestelle entscheidet auch, welche Fragen und Antworten allen Bietern zugänglich gemacht werden müssen und welche Kommunikation sich nur zwischen dem Fragesteller und der Vergabestelle abspielt.

Bis zur Submission verbleiben die eingegangenen und verschlüsselten elektronischen Angebote auf einem externen Server, wo sie unzugänglich aufgehoben sind und nur vom abgebenden Unternehmen zurückgezogen und geändert werden können. Eingehende Papierangebote werden bei der zentralen Vergabestelle mit Datum und Uhrzeit des Eingangs registriert und unter Verschluss gehalten. Die Submission wird von der zentralen Vergabestelle durchgeführt, die auch über den Ausschluss von Angeboten aus der Wertung unter formalen vergaberechtlichen, nicht fachlichen, Gesichtspunkten zu entscheiden hat. Die rechnerische Prüfung der Angebote (Übereinstimmung von Einzelsummen mit der angebotenen Gesamtsumme), die „Sicherung“ der Angebote sowie die Erstellung der Preisspiegel ist der nächste von der Vergabestelle zu erbringende Arbeitsschritt.

Wann eine zentrale Vergabestelle in die Abwicklung aller Vergabeverfahren einbezogen wird, muss durch bindende Anordnungen festgelegt werden. So ist es denkbar und bei einigen Auftraggebern üblich, erst ab einer bestimmten Auftragshöhe (und in unterschiedlicher Ausprägung) die formale Abwicklung zentral durchzuführen. Welche Wertgrenzen festgelegt werden und wie weit die Zuständigkeiten der beteiligten Stellen tatsächlich gehen, muss jeder Auftraggeber organisatorisch festlegen. Dabei spielt eine entscheidende Rolle, wie weit die E-Vergabe mit ihren beiden Komponenten, also dem Vergabeportal und der elektronischen Vergabeakte, bereits eingeführt ist und genutzt wird. Je weiter dieser Prozess fortgeschritten ist, umso sinnvoller ist die vollständige Abwicklung per E-Vergabe auch bei summenmäßig kleinen Vorgängen (wie z.B. einer freihändigen Vergabe, künftig Verhandlungsvergabe) und damit auch die Einschaltung der zentralen Vergabestelle. Diese Abwicklung ist letztlich unter allen Gesichtspunkten rationeller, schneller und sicherer als jede andere Form der Angebotsabfrage, insbesondere durch E-Mail oder gar Fax. Das Einstellen der Dokumente in das E-Vergabe-System, das Ausfüllen der verkürzten Erfassungsmasken und die Freigabe für das Vergabeportal dauern garantiert nicht länger als die Abwicklung dieses Vorganges per E-Mail. Der Abwicklung per Fax ist die E-Vergabe unter Sicherheitsaspekten wie auch zeitlich sowieso meilenweit überlegen.

Bedeutung der E-Vergabe für die Organisation

Selbstverständlich kann eine arbeitsteilige Aufgabenabwicklung in Vergabeverfahren auch ohne Nutzung elektronischer Medien eingerichtet werden und ordentlich arbeiten, das ist in der Vergangenheit mehrfach bewiesen worden. Es darf allerdings nicht verkannt werden, dass dies zu Abstimmungsproblemen und Verzögerungen in den Prozessen geführt hat, die insbesondere die zeitlichen Abläufe negativ beeinflusst haben. Dies ist aber keine Besonderheit von Vergabeverfahren, sondern findet sich in allen arbeitsteilig organisierten Prozessen wieder (und ist übrigens auch kein spezielles Problem in der öffentlichen Verwaltung).

Aber genau an diesem Punkt greifen die Vorzüge der E-Vergabe und bringen die entscheidenden Vorteile, die einerseits eine fachlich-fundierte, ordentliche Struktur der Prozesse ermöglichen, andererseits aber die sich daraus ergebenden Nachteile der herkömmlichen (manuellen) Organisation vollständig eliminieren.

Dreh- und Angelpunkt ist die elektronische Vergabeakte, die alle entscheidenden Vorteile bringt:

  • Alle am Verfahren beteiligten Personen haben jederzeit Einsicht in die Vergabeakte und sind damit immer auf dem aktuellen Wissensstand.
  • Jeder kann in seinem Themenfeld zu jeder Zeit an dem Vergabeverfahren arbeiten, ohne zunächst auf die Akte warten zu müssen.
  • Änderungen und neue Dokumente stehen sofort allen Beteiligten zur Verfügung.
  • Diskussionen, Abstimmungen zum Verfahren, Rückfragen usw. sind jederzeit und mit dem aktuellen Kenntnisstand möglich, da alle Beteiligten die in Frage stehenden Dokumente gleichzeitig einsehen können.

Insofern kommen erst mit der E-Vergabe alle Möglichkeiten und Vorteile dieser Organisationsform voll zur Geltung – oder anders formuliert: Die elektronische Vergabeakte überbrückt die räumliche Distanz zwischen den Beteiligten ebenso wie den bisher unvermeidlichen zeitlichen Verzug!

Die weiteren Vorteile:

  • Alle Zugriffe werden dokumentiert.
  • Änderungen an Dokumenten sind nachvollziehbar.
    In einer korrekt geführten E-Vergabeakte darf kein Dokument überschrieben werden. Um die notwendige Transparenz herzustellen, müssen die Änderungen nachvollziehbar sein, d.h. alle Versionen des Dokumentes müssen gespeichert werden und somit eine Versionierung erkennbar werden lassen.
  • Keine Vergabeakte darf gelöscht werden.
  • Kein Dokument darf gelöscht werden, auch unabsichtliches Löschen ist zu unterbinden.
  • Durch eine geordnete und wirksame Datensicherung können Vergabeakten nicht mehr „verschwinden“.

Entscheidend für den Erfolg ist allerdings eine an den Anforderungen der jeweiligen Verwaltung inhaltlich und technisch optimal durchorganisierte E-Akte. So sollten z.B.

  • elektronische Vergabeakten so strukturiert werden, dass die unterschiedlichen Phasen des Vergabeverfahrens abgebildet werden können (was die Übersichtlichkeit und den Zugriff erheblich erleichtert),
  • die anfallenden Dokumente diesen Phasen zugeordnet werden,
  • Zugriffsberechtigungen der Mitarbeiter/innen entsprechend dem Schutzbedarf in jeder einzelnen Phase des Verfahrens beschränkt oder erweitert werden können,
  • Zugriffsnachweise und insbesondere Veränderungsnachweise (bezogen auf jedes einzelne Dokument) nach Person, Zeit und elektronischer Adresse möglich sein,
  • die Möglichkeiten des Kopierens, Weiterleitens und Druckens von Dokumenten weitgehend vermieden (und bei bestimmten Dokumenten vollständig unterbunden), sowie alle diese Aktionen protokolliert werden.

Unzweifelhaft werden sich durch die Anwendung der E-Vergabe, insbesondere der elektronischen Vergabeakte, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Organisationseinheiten sowohl räumlich, als auch zeitlich mehr oder minder ganz auflösen.

Alle beteiligten Mitarbeiter/innen können nicht nur jederzeit den aktuellen Verfahrensstand einsehen, sondern auch aktiv an dem Vergabeverfahren arbeiten, Meinungen hinterfragen und Kompetenzen einbringen.

Dazu ist es zwingend notwendig, dass alle am Verfahren beteiligten Personen der Organisation aber auch ggf. externe Projektanten jederzeit über einen direkten Zugang zu der elektronischen Vergabeakte verfügen. Wenn dies nicht der Fall ist, tritt ein Medienbruch ein, der zu einer empfindlichen Störung des elektronisch unterstützten Arbeitsablaufes führt. Das führt nicht nur zu zeitlichen Verzögerungen, sondern kann auch Qualitätseinbußen nach sich ziehen.

Die Auffassung, die Bearbeitungswege würden durch die Trennung in fachliche und formale Abwicklung der Vergabeverfahren unnötig verlängert, kann bei organisatorisch und technisch vernünftiger Anwendung aller Komponenten der E-Vergabe klar widerlegt werden.

…Fortsetzung folgt mit dem dritten Teil, der sich im Hinblick auf die möglichen Aufgabenverteilungen zwischen zentraler Vergabestelle und Fachbereichen mit den konkreten Schritten eines Vergabeverfahrens befasst… nächste Woche Dienstag.


Die übrigen Teile der Reihe


Über den Autor

Werner Adams ist Dipl. Verwaltungswirt und Leitender Stadtdirektor a.D.. Er leitete 25 Jahre einige große Ämter der Stadt Köln, so das Schulverwaltungsamt, Wohnungsamt, Grünflächenamt, Amt für Stadtsanierung, das Bezirksamt Innenstadt, aber auch die Organisationsabteilung im damaligen Hauptamt und zuvor das Büro des Stadtdirektors. Zuletzt war er Chef des Zentralen Vergabeamtes.

Seit einigen Jahren unterstützt Hr. Adams Vergabestellen insb. aus dem Bereich der Kommunalverwaltung als Coach und Berater rund um die (Re-)Organisation aber auch zur Einführung der E-Vergabe.

Als Mitherausgeber der im Bundesanzeiger erscheinenden Zeitschrift „VergabeFokus“ betreut er die ständige Rubrik E-Vergabe.

Bildquelle: Julien Eichinger – fotolia.com