Einige Vergabestellen werden solche Anrufe, zum Beispiel aus dem Referat für Öffentlichkeitsarbeit, kennen: Es muss sehr kurzfristig ein neues Logo für das nächste Altstadtfest her oder der Bürgermeister wünscht sich spontan für die feierliche Eröffnung des aktuellen Lieblingsprojekts in zwei Wochen eine kleine Homepage. Nicht selten sehen sich Vergabestellen oder Rechnungsprüfungsämter dann in der Rolle, erklären zu müssen, warum sich solche Leistungen auch bei weitester Auslegung und bestem Willen nicht unter den Ausnahmetatbestand der besonderen Dringlichkeit für eine freihändige bzw. Verhandlungsvergabe subsumieren lassen.

Eine Lösung gibt es aber: Die Designleistung einfach so günstig einkaufen, dass der freihändigen Vergabe nichts im Wege steht. Im besten Fall bleibt man sogar unterhalb der Wertgrenze von 1.000 € (nach Maßgabe der UVgO), sodass ein Direktkauf in Frage kommt.

Wie das funktionieren kann, haben wir in einem Praxistest ausprobiert. Der nachfolgende Erfahrungsbericht soll Vergabestellen und den für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Bedarfsträgern einen Einstieg in die Möglichkeiten von Designwettbewerben über internationale Ausschreibungsplattformen geben.

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Die Aufgabenstellung: Neues Logo für die Gruppe

Die cosinex und ihre Beteiligungen haben sich in den letzten Jahren – wie bereits in einem Beitrag vor einigen Tagen berichtet – zu einer Unternehmensgruppe im Bereich E-Government entwickelt. Um das breite Tätigkeitsspektrum, in dem wir tätig sind, deutlich zu machen, sollte die cosinex Gruppe eine neue Marke und damit natürlich auch ein neues Logo erhalten. Mit GovTech war der Name bzw. die Marke rasch gefunden, nun sollte zeitnah auch ein neues Logo her.

Bei Kreativ- und Designleistungen arbeiten wir häufig mit eigenen Ressourcen, zum Teil auch mit wenigen ausgewählten Agenturen zusammen. Für die reine Aufgabenstellung zur Gestaltung eines neuen Logos einerseits und Ideen für abzuleitende Designaufgaben andererseits wollten wir andere Wege ausprobieren.

Der klassische Weg in der Privatwirtschaft: Offene Designwettbewerbe

Zuvor ein kurzer Ausflug zur Beschaffung von Designleistungen in der Privatwirtschaft auf dem bislang „klassischen“ Weg: dem Designwettbewerb.

Bei der Beschaffung von Design- und anderen Kreativleistungen spielt – wie auch in der öffentlichen Hand – gerade der Preis als Auswahlkriterium nicht die entscheidende Rolle, da die Lösung ja „gefallen“ bzw. eine bestimmte Außenwirkung erzeugen soll, was insbesondere in förmlichen Ausschreibungen die Gestaltung von Auswahl- bzw. Entscheidungskriterien für Vergabeentscheidungen schwierig macht.

In der Privatwirtschaft haben sich Auswahlprozesse durchgesetzt, nach denen regelmäßig im Wettbewerb zwischen ausgewählten Werbeagenturen im Rahmen eines sog. „Pitch“ über den Auftragnehmer entschieden wird.

Bei einem solchen Designwettbewerb oder Agentur-Pitch wird ein Wettbewerb gestartet, dessen Ziel es ist, den geeigneten Partner zu finden. Der (private) Auftraggeber erstellt hierfür eine Aufgabe mit weiteren Erläuterungen und Hinweisen, dem sog. Briefing, was in wesentlichen Aspekten den Vergabeunterlagen in der öffentlichen Beschaffung ähnelt und lädt potentielle Auftragnehmer dazu ein, an der Auswahl teilzunehmen. Interessierte Bewerber reichen daraufhin Vorschläge ein. Die aussichtsreichsten Bewerber erhalten nach einem ersten Auswahlprozess die Möglichkeit, ihre Ansätze ggf. unter Berücksichtigung erster Rückmeldungen des Auftraggebers zu überarbeiten und in einer Präsentation vorzustellen. Das Verfahren ist, um den Bogen auf das Öffentliche Auftragswesen zu schlagen, den Architektenwettbewerben nicht unähnlich. Der Haken: Bei Design- bzw. Agenturleistungen handelt es sich nach dem Verständnis des Vergaberechts im Regelfall nicht um nicht beschreibbare freiberufliche Leistungen mit den entsprechenden rechtlichen Erleichterungen im Hinblick auf die Vergabe, sondern um klassische Dienstleistungen mit den gängigen Wertgrenzen bzw. Schwellenwerten und Vorgaben der VgV bzw. UVgO.

Ausgehend von diesem Verfahren haben sich internationale Plattformen bzw. Online-Marktplätze etabliert, die den zuvor beschriebenen Prozess elektronisch unterstützen, zum Teil deutlich verschlanken, Nachfrager und deren Projekte mit interessierten Anbietern zusammenbringen und es so einer Vielzahl von freiberuflichen Designern weltweit ermöglichen, an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen. Die Folge ist, dass solche Leistungen im Regelfall preislich unterhalb der Wertgrenze für einen Direktkauf bzw. einer Direktvergabe, jedenfalls aber im Bereich der freihändigen Vergabe, liegen.

Fraglich für uns dabei war im Vorfeld, ob die hierüber erzielbaren Wettbewerbsergebnisse auch qualitativ mit den klassischen Prozessen und Agenturleistungen mithalten können?

Unser Praxistest: GovTech

In vielen Fällen sind umfassende Corporate Design-Konzepte nicht erforderlich. Häufig genügen ein stimmiges Logo sowie einfache Vorgaben für Farben oder Designelemente, um Organisationseinheiten oder Projekte ins rechte Licht zu rücken. Dies galt auch für das neue Logo der GovTech-Gruppe.

Im ersten Schritt haben wir uns die gängigen Online-Marktplätze für Grafikdesign-Dienstleistungen angeschaut und der wohl aktuelle Marktführer war rasch ausgemacht: 99designs.

Das Angebot basiert auf dem klassischen Crowdsourcing-Prinzip. So verbindet der Marktplatz Auftraggeber und Designer. Über den oben bereits erwähnten Pitch-Wettbewerb können Designer an Wettbewerben teilnehmen, um Logos oder Webseiten, aber auch weitere Designs für Briefpapier, Infografiken o.ä. erstellen. Der Auftraggeber kann während des Wettbewerbs den Designern Rückmeldungen zu den Entwürfen geben und die Teilnehmer im Wettbewerb sukzessive auf die aussichtsreichsten eingrenzen, um am Ende den besten Entwurf auszuwählen. Der Wettbewerb wird durch die Auswahl eines Gewinner-Designs beendet; der entsprechende Designer bekommt dann das darin enthaltene und somit ausgeschriebene Preisgeld.

Der Prozess an unserem Beispiel im Detail:

Auswahl des richtigen Pakets

In preislicher Hinsicht wird je nach Designleistung vor dem Start ein „Paket“ ausgewählt, welches die Nutzungspauschale für die Plattform, aber auch das Preisgeld bzw. die Bezahlung für den Designer erhält, auf dessen Entwurf der „Zuschlag“ erteilt wird. Für die Entwicklung eines Logos wurde zwischen einem Bronze- (259 €), Silber- (439 €), Gold- (699 €) und Platin- (1.199 €) Paket unterschieden.

Nach einer eingehenden Befassung mit den Unterschieden der Pakete haben wir uns schließlich für das „Gold-Paket“ entschieden (vermutlich der „Golf“ unter den Editionen). Zumindest für professionelle Anforderungen sollte davon Abstand genommen werden, den (preis-)günstigsten Wettbewerb (Bronze) zu nehmen. Der Grund ist schlicht, dass mit einem insoweit „billigeren“ Paket natürlich auch das Preisgeld bzw. die Bezahlung für den Designer abnimmt und damit gerade für Profis der Anreiz, sich zu beteiligen, geringer ausfällt.

Briefing für die Designer

Um den Designern, die sich an dem Wettbewerb beteiligen wollen, eine möglichst gute Arbeitsgrundlage zu bieten, ist im ersten Schritt ein sog. Briefing zu erstellen. Das Briefing enthält eine Beschreibung der Organisation oder des Projektes, für das das Logo (oder eine andere Grafikdesign-Leistung) erstellt werden soll.

Hierbei werden auch verschiedenste Stilrichtungen in Form von Beispielen vorgestellt, aus denen der Auftraggeber einige auswählen muss, um den Designern einen weiteren Hinweis zu geben, in welche Richtung es gehen soll.

Für unser Briefing haben wir uns für eine Beschreibung in englischer Sprache entschieden. Der Grund war, dass die Anzahl der Designer, die (weltweit) angesprochen werden, dadurch deutlich größer wird, als bei einem rein deutschsprachigen Wettbewerb. Die Vielzahl internationaler Teilnehmer in unserem Fall (u.a. mit dem Gewinner des Wettbewerbs aus Indonesien) hat uns hierbei Recht gegeben.

Erste Wettbewerbsphase

Der Wettbewerb wird nach der Freigabe durch den Auftraggeber in der Plattform ersichtlich. Alle Interessierten aus einem Pool von aktuell über eine Millionen registrierter Designer haben hiernach die Möglichkeit, an dem Wettbewerb teilzunehmen. In unserem Fall haben sich ca. 100 Designer mit ersten Logo-Entwürfen beteiligt. Über den Gesamtprozess hinweg sind dadurch ca. 330 verschiedene Designs eingereicht worden. Erfreulicherweise ist die Plattform funktional auf eine solche Menge von Entwürfen vorbereitet und bietet verschiedene Bewertungs- und Ablehnungsfunktionalitäten an, die dabei helfen, erste Entwürfe auch intern zu bewerten und damit zu gruppieren.

In unserem Fall war Schwerpunkt des Briefings, dass sich das Logo an die dort weiter beschriebenen Designvorgaben der cosinex anlehnen sollte und insb. die speziell für das bestehende cosinex Logo entwickelte Schriftart aufnehmen sollte, ohne diese jedoch 1:1 zu kopieren. Die Varianz der Entwürfe war trotz der relativ engen Vorgaben erfreulich. Die Vorschläge enthielten teilweise Ansätze, die mit der Schriftart experimentierten, teilweise aber auch solche, die ein Signet, also ein Zeichen als Ergänzung zum Schriftzug, vorsahen.

Hier drei Beispiele von drei verschiedenen Designern aus den über 300 Entwürfen.

Mittels der vorgenannten Funktionen wurden in unserem Fall u.E. unbrauchbare Entwürfe direkt abgelehnt und Entwürfe, die für den weiteren Auswahlprozess in Frage gekommen sind, mit einer Bewertung vorqualifiziert. Für diese erste Wettbewerbsphase steht einem ein definierter Zeitrahmen zur Verfügung, bis die Designer für die Finalrunde ausgewählt werden müssen. In diesem Zeitraum hat ein Team von drei Personen bei cosinex die Entwürfe gesichtet, bewertet und aussichtsreichen Designern Rückmeldungen bzw. Verbesserungsvorschläge zukommen lassen. Nach der definierten Laufzeit und weiter verbesserten Entwürfen wurden vier Finalisten ausgewählt.

Finale phase – Auswahl des Gewinners

Die vier Finalisten haben dann, basierend auf noch detaillierteren Rückmeldungen, ihre Designs weiter verfeinert oder zusätzliche Entwürfe erstellt, die im Zusammenspiel mit unseren Ideen entstanden sind. Auch in dieser Phase hat der Auftraggeber ein Zeitlimit für die finale Auswahl des Gewinner-Designs. Wie wir festgestellt haben, helfen diese zeitlichen Begrenzungen sowohl den Designern, als auch den Auftraggeber, fokussiert bei der Sache zu bleiben und die verschiedenen Entwürfe für den Auswahlprozess präsent zu behalten.

Im Rahmen dieser Phase werden nicht nur die Logos nach Rückmeldungen des Auftraggebers feinjustiert, sondern die Verwendung des Logos auch in unterschiedlichen Medien dargestellt (Online, Visitenkarte, inverse Darstellung des Logos etc.), um die Wirkung besser beurteilen zu können.

Auszug von Entwürfen aus der letzten Wettbewerbsrunde

And the winner is …

Gewonnen hat in unserem Fall ein Designer aus Indonesien. Eine Stichprobe hat ergeben, dass sich Designer aus Deutschland, aber auch Albanien und den Philippinen, beteiligt haben, was die internationale Beteiligung der Designer über die Plattform u.E. eindrucksvoll dokumentiert.

Die Gründe, warum die Wahl unseres Auswahl-Teams auf diesen auf den ersten Blick u.U. „simplen“ Schriftzug gefallen ist, waren vielfältig und wurden intern differenziert diskutiert.

Abschließend betrachtet waren wir mit der Entscheidung, diesen Weg ausprobiert zu haben, sehr zufrieden. Natürlich waren in der Masse auch eine Reihe teils „kurioser“ Entwürfe dabei. Man konnte aber die unterschiedlichen Herangehensweisen in den Entstehungs- und Abstimmungsphasen gut nachvollziehen, was bei einem Design-Projekt immer hilfreich ist, auch um den eigenen Horizont – bezogen darauf, wie Designs entstehen – zu erweitern und diese angemessen bewerten zu können. Die Zusammenarbeit mit den ausgewählten Finalisten erfolgte dann äußerst professionell und hat aus unserer Sicht ein Ergebnis gefunden, welches sich mit den Ergebnissen klassischer Designwettbewerbe messen lassen kann bzw. aufgrund der Vielzahl eingereichter Ideen in der ersten Phase u.U. sogar übertrifft.

Übertragbarkeit auf öffentliche Auftraggeber

Die über solche Plattformen möglichen „Ausschreibungen“ sind vielfältig und decken zahlreiche Designleistungen ab. Dass auf diesem Weg allerdings nicht die Neuentwicklung des virtuellen Rathauses einer Kommune oder der Internet-Auftritt eines Ministeriums bedarfsgerecht abgedeckt werden kann, ist auch klar. Dennoch denken wir, dass mit solchen Plattformen zahlreiche kleinere Designleistungen auch durch öffentliche Auftraggeber schnell, schlank und aufgrund der Preise meist im Wege des Direktkaufs vergeben werden können, ohne das auf einen transparenten Wettbewerb verzichtet werden muss. Das Beispiel „GovTech“ zeigt vielmehr eindrucksvoll, dass sich ein internationaler (weltweiter) Wettbewerb mit rund 100 Teilnehmern auf diesem Weg sogar sehr einfach binnen weniger Tage abwickeln lässt.

Wesentliche Nachteile konnten wir nicht erkennen. Nutzer sollten sich nur bewusst sein, dass – wie im Kreativbereich allerdings allgemein üblich – nach den Nutzungsbedingungen der Plattform sowie den Vorgaben für die Übertragung der Nutzungsrechte zwischen Designer und Kunde weitreichende Rechte an den Arbeitsergebnissen zwar an den Auftraggeber übertragen werden, aber (auch) beim Designer verbleiben. Regelungen, die bei den angesprochenen kleineren oder temporären Projekten in der Praxis keine Hürde darstellen dürften, bei größeren Projekten vertraglich aber häufig doch abweichend zu Gunsten des Auftraggebers zu vereinbaren sein werden.

Bildquelle: georgejmclittle – fotolia.com

Zudem möchten wir uns bei den Designern „Blue09 creative“, „Eduard Moraru“, „yolanda santosa“ und „HR_99“  für die Erlaubnis bedanken, die oben vorgestellten  Logo-Entwürfe für diesen Blog-Beitrag verwenden zu dürfen. Ein Dank geht auch an 99designs für die Freigabe, den obigen Screenshot aus der Plattform verwenden zu dürfen.