Mit der neuen Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen (VVöA) gibt der Freistaat nach Hamburg als zweites Bundesland die Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) für alle staatlichen Auftraggeber bei Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte vor und löst damit die VOL/A (1. Abschnitt) zum 01.01.2018 ab.
Als Wertgrenze für die Anwendung der Verhandlungsvergabe (als Nachfolgerin der freihändigen Vergabe) sieht die VVöA 50.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) vor.
Im Hinblick auf die elektronische Kommunikation bei Vergabeverfahren geht die VVöA für den Freistaat einen von der UVgO deutlich abweichenden Weg für Aufträge unterhalb von 25.000 Euro. So sieht § 38 UVgO vor, dass öffentliche Auftraggeber bei Aufträgen mit einem geschätzten Auftragswert von nicht mehr 25.000 Euro sowie bei beschränkten Ausschreibungen oder Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb von einer Entgegennahme elektronischer Angebote absehen können. Lässt der Auftraggeber jedoch unterhalb dieser Wertgrenze elektronische Angebote zu, gelten auch für diese die verhältnismäßig strengen Anforderungen der §§ 7 Abs. 4, 39 Satz 1 und 40 UVgO, d.h. dass der Einsatz einfacher E-Mails auch bei Angeboten für solche Aufträge faktisch nicht möglich ist. Die VVöA nimmt demgegenüber in Nr. 1.4 (jedenfalls für Verhandlungsvergaben) für staatliche Auftraggeber diese Regelungen bei Aufträgen bis 25.000 Euro ausdrücklich aus, womit auch die Entgegennahme von Angeboten via E-Mail ermöglicht wird.
Für die Kommunen ist laut Angabe des forum Vergabe e.V. eine vergleichbare Bekanntmachung in Vorbereitung, die allerdings keine Pflicht zur Anwendung der UVgO vorsehen soll, sondern die UVgO nur zur Anwendung empfiehlt.
Klare Übergangsregelungen zur UVgO
Für Vergabestellen und gleichermaßen auch Lösungsanbieter wie cosinex stellt sich bei Rechtsänderungen immer wieder die Frage, ob im Hinblick auf den Stichtag des Inkrafttretens die neuen Vorgaben für solche Verfahren gelten sollen, die bis dahin nur angelegt bzw. eingeleitet wurden oder ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung bzw. der Absendung der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots maßgeblich sein soll.
Hier ist die Verordnung – aus unserer Sicht – vorbildlich präzise: So findet gem. Nr. 5 der VVöA diese keine Anwendung auf Verfahren, die vor Inkrafttreten (01.01.2018) eingeleitet wurden.
Bayerisches Vergabegesetz „light“?
In einigen Bundesländern gehört es – meist je nach Farbenlehre der aktuellen Landesregierung – zum guten Ton, ausdrücklich kein „Vergabegesetz“ zu führen, welches etwa Aspekte der Nachhaltigkeit, einen (über dem bundesweit geregelten) Mindestlohn oder ähnliche Vorgaben für öffentliche Aufträge vorschreibt.
Die Verordnung zeigt allerdings die auch im Freistaat Bayern bestehende Regelungsdichte auf, die durchaus mit gängigen Vergabegesetzen anderer Bundesländer mithalten kann. Zu dem Strauß der anzuwendenden Regelungen gehören neben der VVöA – mit den Sonderbestimmungen zur Berücksichtigung bevorzugter Bieter im Sinne der Verordnung, einer Regelung zur Präqualifizierung sowie Regelungen zur Beteiligung kleiner und mittelständischer Unternehmen – (unverändert) die folgenden Vorgaben für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen:
- Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen (öAUmwR) vom 28. April 2009 (AllMBl. S. 163, StAnz. Nr. 19);
- Korruptionsbekämpfungsrichtlinie (KorruR) vom 13. April 2004 (AllMBl. S. 87, StAnz. Nr. 17);
- Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung zum öffentlichen Auftragswesen – Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit vom 29. April 2008 (AllMBl. S. 322, StAnz. Nr. 20);
- Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über das öffentliche Auftragswesen – Scientology-Organisation; Verwendung von Schutzerklärungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 29. Oktober 1996 (AllMBl. S. 701, StAnz. Nr. 44).
Die Verwaltungsvorschrift finden Sie auf der Verkündungsplattform der Bayerischen Staatsregierung unter diesem Link oder als Download hier.
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Titelbild: Philipp Bachhuber – Unsplash
In den Regelungen der §§ 7 Abs. 4, 39 Satz 1 und 40 UVgO sollen nach diesem Beirag „verhältnismäßig hohe Anforderungen“ liegen. Außer der verschlüsselten Aufbewahrung zwischen Eingang und Submission sehe ich keine nennenswerte Anforderung, und diese lässt sich leicht lösen – oder habe ich etwas übersehen?
Sehr geehrter Herr Schäffer,
durch den Verweis in § 7 Abs. 4 UVgO auf die §§ 10 bis 12 VgV gelten im Unterschwellenbereich die gleichen Anforderungen an die Mittel zur elektronischen Kommunikation wie auch im Oberschwellenbereich. Soweit Sie für die elektronische Kommunikation auf qualifzierte E-Vergabeplattformen setzen, stellen sich tatsächlich keine nennenswerten Herausforderungen jedenfalls für die Vergabestelle selbst. Soweit öffentliche Auftraggeber versuchen mit eigenen Bordmitteln den Anforderungen zu genügen, stellen sich diese jedenfalls als nicht trivial dar. Insoweit erschien uns eine Bezeichnung als „verhältnismäßig hoch“ durchaus angemessen.
Beste Grüße
Ihr
cosinex-Team