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Nachdem wir immer wieder Anfragen erhalten, was unter sensiblen Produkten im vergaberechtlichen Kontext zu verstehen ist, sind wir der Frage nachgegangen und haben uns die landesrechtlichen Vorgaben in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen sowie Nordrhein-Westfalen für Sie angeschaut.

Der Begriff des „sensiblen Produkts“ wurde in Nordrhein-Westfalen mit der Rechtsverordnung zum TVgG NRW (RVO TVgG NRW) eingeführt und ist in der aktuellen Fassung in § 6 näher geregelt: Sensible Produkte im Sinne dieser Rechtsverordnung sind solche, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, verwendeten Materialen oder Struktur der internationalen Märkte – sofern sie aus bestimmten Herkunftsländern oder -gebieten stammen – ein besonderes Risiko aufweisen, dass die angebotenen Waren nicht unter Beachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Kernarbeitsnormen) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt wurden (vgl. auch § 7 RVO TVgG NRW).

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Als sensible Produkte gelten Bekleidung, insbesondere Arbeitsbekleidung, und Uniformen sowie Stoffe und Textilwaren; Naturkautschuk-Produkte (zum Beispiel Einmal- oder Arbeitshandschuhe, Reifen, Gummibänder); landwirtschaftliche Produkte (zum Beispiel Kaffee, Kakao, Orangensaft, Pflanzen, Tropenfrüchte wie Bananen und Ananas); Büromaterialien, die die Rohstoffe Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk enthalten; Holz; Lederwaren, Gerbprodukte; Natursteine; Spielwaren; Sportartikel (Bekleidung, Geräte); Teppiche und Informations- oder Kommunikationstechnik (Hardware).

Die insoweit kritischen Herkunftsländer ergeben sich aus der jeweils aktuellen DAC-Liste der Entwicklungsländer und -gebiete (vgl. hierzu auch die aktuelle DAC-Liste auf den Seiten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Für letztere gilt eine Nachweispflicht des Unternehmers wahlweise in der Form, dass er entweder ein Gütezeichen für das betreffende Produkt nach § 34 Abs. 2 VgV vorlegt, Mitglied einer Initiative ist, die sich für die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen einsetzt oder eine Erklärung eines unabhängigen Dritten abgibt, der fachlich geeignet ist, die Einhaltung der Mindeststandards zu beurteilen.

Vergleichbare Vorgaben finden sich auch in anderen Bundesländern, wobei der Begriff des „sensiblen Produkts“ kein rechtlich feststehender Begriff ist und so nur in Nordrhein-Westfalen verwendet wird. Je nach Landesrecht werden die Waren überwiegend neutral als „Produkt“, teilweise auch als „fair gehandeltes Produkt“ bezeichnet.

Regelung in Niedersachsen

So regelt etwa das Land Niedersachsen im Rahmen einer gesonderten Verordnung die Beachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (NKernVO). Neben der Legaldefinition der betroffenen Produktgruppen regelt die NKernVO u. a. auch die von den Unternehmen geforderten Nachweise, Kontrollmechanismen und Sanktionen bei möglichen Verstößen.

Danach haben die Vergabestellen gem. § 1 NKernVO darauf hinzuwirken, dass bei der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen die ILO- Kernarbeitsnormen für folgende Produktgruppen einzuhalten sind:

  • Sportbekleidung, Sportartikel, (z.B. Bälle, Schläger)
  • Spielwaren
  • Teppiche
  • Textilien und Bekleidung (zum Beispiel Arbeitskleidung , Uniformen, T-Shirts, Hemden, Hosen, Schuhe, Vorhänge)
  • Lederprodukte (zum Beispiel Botentaschen, Schuhe)
  • Billigprodukte aus Holz
  • Natursteine
  • Agrarprodukte (z.B. Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Orangen- und Tomatensaft sowie Blumen)

Anders als in der nordrhein-westfälischen Regelung werden hier bestimmte Produkte, bspw. solche aus der Informations- und Kommunikationstechnologie, nicht erfasst. Das zeigt, dass die in Rede stehenden Produktgruppen von jedem Landesgesetzgeber unterschiedlich definiert werden, sodass bei der rechtlichen Prüfung der Blick in die jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben (soweit vorhanden) zwingend wird.

Zur Bestimmung der kritischen Herkunftsländer verweist auch die niedersächsische Regelung auf die DAC-Liste.

Handelt es sich bei den Waren um solche aus den genannten Produktgruppen müssen Unternehmen entsprechend der Vorgaben in Nordrhein-Westfalen der Vergabestelle Nachweise darüber, dass die ILO-Mindestanforderungen eingehalten worden sind, in der Form erbringen, dass sie entweder ein Zertifikat einer unabhängigen Organisation vorlegen, ihre Mitgliedschaft in einer Initiative erklären, die sich für die Einhaltung der Mindeststandards einsetzt oder eine gleichwertige Erklärung eines unabhängigen Dritten vorlegen.

Zudem muss sich der Auftragnehmer auch vertraglich verpflichten, nur solche Waren aus den genannten Produktgruppen zu liefern, für welche die Mindeststandards der ILO- Kernarbeitsnormen unter Vorlage von Nachweisen eingehalten wurden. Eine entsprechende Vertragsklausel ist demnach mit den Vergabeunterlagen bekannt zu geben (§ 3 NKernVO).

Brandenburg – Grundlage in den Ausführungsbestimmungen

In Brandenburg findet sich die Regelung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 der Ausführungsbestimmung des Landes Brandenburg zur VOL/A. Nach Ziffer 5.1.3 haben die Vergabestellen des Landes in begründeten Fällen eine Eigenerklärung des Unternehmers zu verlangen, die Vertragsbestandteil wird. Die Abgabe einer Eigenerklärung kommt insbesondere bei folgenden Produkten in Betracht, falls diese in Afrika, Asien oder Lateinamerika hergestellt oder bearbeitet worden sind:

  • Sportkleidung, Sportartikel, insbesondere Bälle
  • Spielwaren
  • Teppiche
  • Textilien
  • Lederprodukte
  • Auffällig billige Produkte aus Holz
  • Natursteine;
  • Agrarprodukte wie z.B. Kakao, Orangen- oder Tomatensaft

Die geforderte Eigenerklärung muss hierbei die Zusicherung enthalten, dass die Herstellung bzw. Bearbeitung der Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit erfolgt ist. Kann diese Erklärung nicht abgegeben werden, so ist es ausreichend, dass der Unternehmer erklärt, dass er, sein Lieferant und dessen Nachunternehmer Maßnahmen ergriffen haben, um eine ausbeuterische Kinderarbeit auszuschließen.

Die Vorgaben im „Ländle“

Das Land Baden-Württemberg verfolgt einen anderen Ansatz und differenziert bei der Vergabe der öffentlichen Aufträge begrifflich nach Produkten, die nach den Mindeststandards der ILO- Kernarbeitsnorm hergestellt bzw. bearbeitet und solchen Produkten, die fair gehandelt worden sind.

Nach den Verwaltungsvorschriften der Landesregierung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (VwV Beschaffung) ist die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnorm eine zusätzliche Bedingung zur Vertragsausführung und kein Eignungs- oder Zuschlagskriterium. Die bietenden Unternehmen sind verpflichtet, eine vorgefertigte Erklärung gemäß Anlage 1 zu Ziffer 8.6.1.2 VwV Beschaffung darüber abzugeben, dass die ILO Kernarbeitsnormen bei folgenden Produktgruppen/ Produkten eingehalten wurden:

  • Sportbekleidung, Sportartikel, (z.B. Bälle, Schläger)
  • Spielwaren
  • Teppiche
  • Textilien und Bekleidung (zum Beispiel Arbeitskleidung, Uniformen, T-Shirts, Hemden, Hosen, Schuhe, Vorhänge)
  • Lederprodukte (zum Beispiel Botentaschen, Schuhe)
  • Billigprodukte aus Holz
  • Natursteine
  • Agrarprodukte (z.B. Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Orangen- und Tomatensaft sowie Blumen)

Auch hier kann der entsprechende Nachweis durch ein in der Leistungsbeschreibung verlangtes Gütezeichen oder in anderer Weise erbracht werden, die nicht weiter in der Verwaltungsvorschrift definiert ist. Als Alternative steht es dem Unternehmen frei, den Nachweis in der Weise zu erbringen, dass er konkrete Maßnahmen benennt, die er selbst, der Produkthersteller oder dessen direkter Zulieferer ergriffen haben, um die Beachtung der Mindestanforderungen der ILO- Kernarbeitsnormen bei der Herstellung bzw. Bearbeitung zu gewährleisten.

Die Vergabestellen können aber noch eine Stufe weitergehen und sog. fair gehandelte Produkte ausschreiben (Ziffer 8.6.2 VwV Beschaffung). Fair gehandelte Produkte sind als solche in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen und finden im Rahmen der Zuschlagskriterien Berücksichtigung. Begrifflich handelt es sich ebenfalls um Agrarprodukte wie Kaffee, Tee, Teppiche und Textilien etc. Nach den landesrechtlichen Vorschriften reicht es aber bei fair gehandelten Produkten nicht aus, dass bei ihrer Herstellung und Bearbeitung die ILO- Kernarbeitsnormen eingehalten werden. Da hier die faire Bezahlung der Arbeiter im Vordergrund steht, müssen die Produkte mit einem fairen Preis gehandelt worden und die Lieferkette des fair gehandelten Produkts transparent sein und zurückverfolgt werden können. Diese Kriterien müssen schließlich auch verifiziert und überwacht worden sein.

Grundlagen im Freistaat Bayern

Zwar hat der Freistaat bislang von einem eigenen Landesvergabegesetz Abstand genommen, doch auch hier sind die ILO-Kernarbeitsnormen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen von den Vergabestellen zu berücksichtigen. Ähnlich wie im Land Brandenburg findet die Thematik unter dem Aspekt der Vermeidung von ausbeuterischer Kinderarbeit ihren Niederschlag (Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 29.04.2008, Az.: B II 2- 515-252).

Danach haben die Vergabestellen in begründeten Fällen insbesondere bei nachfolgenden Produkten, die aus Afrika, Asien oder Lateinamerika stammen, eine Eigenerklärung von den Unternehmen zu verlangen. Dabei handelt es sich um:

  • Sportbekleidung, Sportartikel, insbes. Bälle
  • Spielwaren
  • Teppiche
  • Textilien
  • Lederprodukte
  • Billigprodukte aus Holz
  • Natursteine
  • Agrarprodukte wie z.B. Kaffee, Kakao, Orangen- oder Tomatensaft

Im Rahmen der Eigenerklärung hat das Unternehmen lediglich die Zusicherung abzugeben, dass die Herstellung bzw. Bearbeitung der zu liefernden Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit erfolgt ist. Kann der Unternehmer eine solche Zusicherung nicht abgeben, so hat er zuzusichern, dass er, seine Lieferanten und deren Nachunternehmer aktive zielführende Maßnahmen ergriffen haben, die die Annahme von ausbeuterischer Kinderarbeit ausschließt. Die Maßnahmen müssen in diesem Fall nicht konkretisiert oder durch Nachweise belegt werden.