Von Interessenten wie auch von einigen Vergabestellen, die unsere Lösungen für die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen nutzen, aber noch keine elektronischen Angebote oder Teilnahmeanträge zulassen, werden wir immer wieder gefragt, welche Voraussetzungen für die Entgegennahme elektronischer Angebote existieren. Vor diesem Hintergrund möchten wir mit diesem Beitrag einen Überblick über die Anforderungen aus Sicht der Vergabestellen sowie einige Tipps im Hinblick auf unsere Lösungen für die Praxis geben.

Einsatz der elektronischen Signatur auf Seiten der Vergabestellen?

Häufig wird die Frage gestellt, ob auf Seiten der Vergabestelle für die Entgegennahme und Öffnung elektronischer Angebote auf dem PC des Sachbearbeiters eine Software zu installieren ist oder ob eine elektronische Signatur (z.B. fortgeschrittene elektronische Signatur) benötigt wird. Die Antwort lautet kurz und knapp: Nein! Die Angebotsöffnung bzw. Öffnung der Teilnahmeanträge erfolgt innerhalb der entsprechenden Module Vergabemarktplatz oder Vergabemanagementsystem gänzlich webbasiert und ohne den Einsatz elektronischer Signaturen.

Sowohl vor der letzten EU-Vergaberechtsreform als auch in der aktuellen VOL/A waren bzw. sind elektronische Angebote mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Einen Sonderfall stellen Angebote im sogenannten Mantelbogenverfahren dar, welches im Kern eine Variante der postalischen Angebotseinreichung darstellt (analog der elektronischen Steuererklärung mit handschriftlich unterschriebenem Mantelbogen).

Dies bedeutet, dass eine elektronische Signatur für die Unterschrift auf Seiten der Bieter erforderlich war bzw. in Einzelfällen heute noch ist. Für die Vergabestelle hingegen besteht keine rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeit für den Einsatz einer elektronischen Signatur. Mit Einführung der Textform nach § 126b BGB entfällt ohnehin die Notwendigkeit des Signatureinsatzes auch auf Bieterseite (zur elektronische Textform vgl. auch den Beitrag in unserem Blog).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit auch der Einsatz einer qualifizierten PKI-Infrastruktur (Public Key-Infrastruktur) entbehrlich wird. Vielmehr sehen u.a. §§ 9 und 10 der VgV bzw. §§ 11 sowie 11a der VOB/A strikte Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel vor, die beispielsweise mit dem Einsatz einfacher E-Mails nicht abbildbar sind und daher den Einsatz einer geeigneten und abgestimmten PKI-Infrastruktur obligatorisch machen.

Aufgrund dieser Anforderungen und Rahmenbedingungen setzen wir in unseren Lösungen auf die PKI-Infrastruktur „Governikus“ auf Basis des OSCI-Standards. Die elektronischen Angebote und Teilnahmeanträge werden in diesem Kontext (Ende-zu-Ende verschlüsselt) über das OSCI-Protokoll zu einem OSCI-Intermediär transportiert (gesonderter Server), welcher entsprechende qualifizierte Zeitstempel ausstellt und die ggf. notwendigen Signaturprüfungen durchführt. Der Intermediär verwahrt die elektronischen Angebote / Teilnahmeanträge bis zur Angebotsöffnung im Vergabemarktplatz (vgl. hierzu auch den Blog-Beitrag zur Datensicherheit und E-Vergabe).

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Welches Signaturniveau zulassen?

Mit der Anlage eines neuen Vergabeverfahrens im Vergabemarktplatz entscheidet der Sachbearbeiter, ob elektronische Angebote / Teilnahmeanträge zugelassen sind und welches Signaturniveau gefordert wird.

Wird für ein Vergabeverfahren die elektronische Angebotsabgabe durch den Sachbearbeiter freigeschaltet, erhalten die interessierten Unternehmen über den Projektraum Zugriff auf das kostenfreie Bietertool, mit dessen Hilfe elektronische Angebote / Teilnahmeanträge zusammengestellt, validiert, bei Bedarf elektronisch signiert und an den OSCI-Intermediär übermittelt werden können.

Das durch den Sachbearbeiter vorgegebene Signaturniveau spiegelt sich dabei im Bietertool in Form der angebotenen Signaturmöglichkeiten wider. Wird etwa die elektronische Textform nicht zugelassen, erhält der Bieter im Bietertool auch keine Möglichkeit das Angebot auf diesem Weg „zu signieren“.

Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die den ausschließlichen Einsatz einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach § 53 Abs. 3 VgV (et al.) bzw. § 38 Abs. 6 UVgO erforderlich machen, empfiehlt es sich, neben der elektronischen Textform diese beiden Varianten ebenfalls zuzulassen. Damit erhält der Bieter die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen auch auf diese elektronischen Signaturmöglichkeiten zurückzugreifen. Für diese gilt: Ein Mehr an Rechtssicherheit und Nichtabstreitbarkeit – mithin der Rechtsverbindlichkeit der Angebote – schadet nicht.

An dieser Stelle empfehlen wir im Zusammenhang mit der fortgeschrittenen elektronischen Signatur auch immer die qualifizierte elektronische Signatur zuzulassen, da diese im rechtlichen Sinne kein Aliud, sondern ein „Mehr“ im Vergleich zur fortgeschrittenen elektronischen Signatur darstellt.

Ablauf der Angebotsöffnung

Innerhalb der Anwendung Vergabemarktplatz kann durch die jeweilige Verfahrensbetreuung individuell (d.h. auf Wunsch jeder Vergabestelle) eine Vorabanzeige über die Anzahl der eingegangenen elektronischen Angebote vor Ablauf der Angebotsfrist per Konfiguration aktiviert werden. Die entsprechenden Informationen werden dann sowohl auf der persönlichen Startseite als auch in den Modulen des Projektraums angezeigt und können bspw. von Vergabestellen (insbes. für weniger förmliche Vergabeverfahren) dazu genutzt werden, die Leistungsbeschreibung zu überprüfen oder weitere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, wenn (kurz) vor Ablauf der Angebotsfrist keine elektronischen Angebote eingegangen sind.

Erst mit Ablauf der Angebotsfrist kann die Angebotsöffnung bzw. Submission der elektronischen Angebote im Vergabemarktplatz durchgeführt und auf die elektronischen Angebote / Teilnahmeanträge zugegriffen werden. Für das erforderliche 4-Augen-Login müssen sich zwei registrierte Nutzer der Vergabestelle, die über die Rolle „Angebotsöffner“ verfügen und zudem Mitglied des Projekt-Teams der jeweiligen Ausschreibung sind, innerhalb der Angebotsöffnung mit ihren jeweiligen Zugangsdaten authentifizieren.

Während nach der (alten) VOB/A (2012) bei Bauausschreibungen eine Angebotsabgabe bis zur Öffnung des ersten Angebotes auch über die Angebotsfrist hinaus möglich war, sind nach der neuen VOB/A (2016) nur Angebote zur Öffnung zuzulassen, die bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangen sind. Die Angebotsfrist muss also vor dem bzw. zeitgleich zum Termin der Angebotsöffnung / Submission liegen. Damit entfällt die Vorgabe, dass bei gleichzeitiger Zulassung von elektronischen und postalischen Angeboten im Bereich der VOB/A zunächst die elektronischen Angebote zu öffnen waren.

Nach dem erfolgreichen 4-Augen-Login werden die elektronischen Angebote / Teilnahmeanträge mit einem Klick vom OSCI-Intermediär abgeholt und in der Vergabeplattform bereitgestellt.

Die Entschlüsselung und Bereitstellung der elektronischen Angebote / Teilnahmeanträge erfolgt voll automatisiert im Hintergrund. Die vom Bieter im Bietertool erfassten Eckdaten zum Angebot werden für die Befüllung des Angebotsöffnungs- oder Submissionsprotokolls angezeigt und die mit dem Angebot übersandten Angebotsdateien zum Download zur Verfügung gestellt. Zusätzlich erhält der Sachbearbeiter ein Prüfprotokoll mit allen relevanten Informationen zu dem jeweiligen elektronischen Angebot wie z.B. den Zeitpunkt des (vollständigen) Eingangs des elektronischen Angebotes auf dem OSCI-Intermediär, das Ergebnis etwaiger Signaturprüfungen u.v.m. Soweit zusätzlich das vorgelagerte Vergabemanagementsystem (VMS) eingesetzt wird, stehen die elektronischen Angebote für eine automatisierte Verarbeitung in einem speziellen VMS-Dateiformat zum Download bereit.

In jedem Fall ermittelt der Vergabemarktplatz mit der Abholung und Bereitstellung der elektronischen Angebote zusätzlich die relevanten Hashwerte, um diese z.B. im Fall des Mantelbogenverfahren eindeutig abgleichen zu können.

Fazit: E-Vergabe „so einfach wie möglich“

Angesichts der hohen Kritikalität und Anforderungen an die Abgabe und Entgegennahme elektronischer Angebote kann der Hinweis Albert Einsteins „die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher zu machen„, durchaus zu einer Maxime für die E-Vergabe erhoben werden.

Keine elektronische Signatur oder Softwareinstallation, trotzdem sicher und einfach! Bei Einsatz entsprechender Lösungen existieren für das Zulassen elektronischer Angebote und der Angebotsöffnung für Vergabestellen keine Hürden. Eine einfache Auswahl beim Anlegen des Verfahrens genügt, um elektronische Angebote zuzulassen.

Alle relevanten Erfordernisse rund um Ver- und Entschlüsselung der Angebote sowie die Signaturprüfung bei qualifizierten elektronischen Signaturen werden rechtssicher, komfortabel und weitgehend automatisiert erfüllt.

E-Angebote aus Sicht der Bieter

Aus Sicht der Bieter gestaltet sich der Prozess kaum schwieriger. Ein einfaches Bietertool, welches aus dem Projektraum heraus gestartet und mit einem Klick automatisch auf dem Rechner des Bieters installiert wird, übernimmt die lokale Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Angebotsinformationen auf dem PC des Bieters. Zusätzlich erfolgen lokale Hashwert-Berechnungen (eindeutige Identifizierungsmerkmale des elektronischen Angebotes), die u.a. auch für das Mantelbogenverfahren benötigt werden.

Im Bietertool selbst werden dann (ggf. je Los) nur die wichtigsten Eckdaten erfasst und die Dateien (ggf. auch Leistungsverzeichnisse aus dem VMS) ausgefüllt / zum Angebot hinzugefügt. So einfach wie die Angebotsöffnung in der Vergabestelle verhält sich dann auch die Verschlüsselung des gesamten Angebotspaketes, die im Hintergrund voll automatisiert erfolgt. Die Anbringung fortgeschrittener und qualifizierter elektronischer Signaturen wird ebenso unterstützt wie die Textform nach § 126b BGB.

Neben Teilnahmeanträgen ist, soweit von der Vergabestelle zugelassen, auch die Abgabe von Nebenangeboten oder die Abgabe mehrerer Hauptangebote möglich sowie im Bedarfsfall das Zurückziehen einzelner oder mehrerer Angebote (vor Ablauf der Angebotsfrist).

Der Bieter kann jederzeit sehen, wie viele Haupt- und / oder Nebenangebote er abgegeben hat, für jedes Angebot erhält er zudem eine Quittung, die u.a. auch den Zeitstempel des vollständigen Eingangs auf dem OSCI-Intermediär ausweist.

Exkurs: Die Suche nach der Quote

Während immer mehr Vergabestellen nur noch elektronische Angebote zulassen, beginnen einzelne Vergabestellen erst jetzt damit, überhaupt elektronische Angebote entgegenzunehmen. Ein viel diskutiertes Thema ist hierbei die Quote elektronischer Angebote.

Die erreichbare Quote elektronischer Angebote ist, wenn nicht ausschließlich elektronische Angebote zugelassen werden, weitgehend abhängig von der ausgeschriebenen Leistungen bzw. der Struktur des Markts, in dem beschafft wird, und weicht zudem häufig auch regional ab. Nutzen viele Auftraggeber bei regionalen Gewerken die E-Vergabe bereits seit Jahren, ist die Quote entsprechend hoch.

Ob also nur ein Teil der Angebote die Vergabestelle elektronisch erreichen oder 100% hängt damit nicht nur von der Qualität und intuitiven Nutzerführung der eingesetzten Lösung, als vielmehr von externen Umständen ab und davon, ob die Vergabestelle z.B. nach einem Übergangszeitraum schlicht nur noch elektronische Angebote zulässt. Technische Hürden hierfür gibt es bei unseren Modulen nicht.

Dabei unterstützen wir Bewerber bzw. Bieter durch regelmäßige Praktiker-Seminare in Kooperation mit dem Deutschen Vergabeportal und dem Bundesanzeiger Verlag; unser kostenfreies Service- und Support-Center mit Schulungsvideos und Anleitungen steht allen Unternehmen 24/7 zur Verfügung und ein qualifiziertes Support-Team berät Bieter bei Fragen rund um die Angebotsabgabe montags bis freitags zwischen 8 und 18 Uhr mit Rat und Tat über vielerlei Kanäle (per E-Mail, Ticket-System oder telefonisch).

Autoren

Carsten Czyszewski (Dipl.-Inf.)

Carsten Czyzsewski verantwortet seit fast zehn Jahren als Produktmanager mit seinem Team die Weiterentwicklung der Software Vergabemarktplatz. Hierbei hat er die u.a. Einführung verschiedener landesweiter E-Vergabeplattformen auf Basis des Vergabemarktplatz in unterschiedlichen Bundesländern technisch begleitet.

Als Governikus Certified Professional ist er Experte für die elektronische Angebotsabgabe und Signatur und vertritt die cosinex GmbH gemeinsam mit Hr. Schneider unter anderem in der technischen Arbeitsgruppe des XVergabe-Standardisierungsgremiums.

Thorsten Schneider (Dipl.-Inf.-Wirt.)

Thorsten Schneider ist Leiter des Geschäftsbereiches Projekte, Service & Support der cosinex und seit 2014 Prokurist. Mit seiner Erfahrung aus über 100 erfolgreichen Einführungsprojekten verfügt er über eine umfassende Expertise zu den Anforderungen der Vergabestellen im Bereich der E-Vergabe.

Zudem vertritt er die cosinex u.a. als Mitglied der Projektgruppe E-Vergabe sowie im Arbeitskreis Öffentliche Aufträge beim BITKOM e.V. und als Mitglied der technischen Arbeitsgruppe des XVergabe-Standardisierungsgremiums.