Barrierefrei

Eine am vergangenen Freitag veröffentlichte EU-Richtlinie schreibt der öffentlichen Hand nicht nur die barrierefreie Ausgestaltung ihrer Internet-Angebote sondern auch etwaiger Apps für mobile Endgeräte vor und geht mit dem Adressatenkreis „Öffentliche Stelle“ weit über den Bereich der Kernverwaltung hinaus.

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Im Amtsblatt der EU wurde am 02. Dezember die neue Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen veröffentlicht (EU 2016/2102). Dank ihr soll Behinderten und älteren Menschen der Zugang zu Daten und öffentlichen Dienstleistungen im Internet deutlich erleichtert werden.

Dies entpuppt sich für Insider bei näherer Betrachtung angesichts der Barrierefreien Informationstechnik Verordnung (BITV) in Deutschland – und selbst im Vergaberecht mit der Neuregelung nach § 11 Abs. 2 VgV – in zweierlei Hinsicht als ein u.U. bedeutender, weiterer Schritt, der alle öffentlichen Auftraggeber in Deutschland betrifft, auch solche, die nicht zur sog. Kernverwaltung von Bund, Länder oder Kommunen gehören.

Öffentliche Auftraggeber im Fokus

Adressatenkreis der Richtlinie sind öffentliche Stellen. Bei der Frage, was unter öffentlichen Stellen im Sinne dieser Richtlinie zu verstehen ist, verweist diese auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24/EU, der sog. klassischen Vergaberichtlinie.

Betroffen sind mithin alle Internet-Angebote von Organisationen, die auch an Vorgaben des EU-Vergaberechts gebunden sind. Außen vor bleiben im Wesentlichen nur Rundfunksender. Damit geht der Anwendungsbereich weit über die bisherigen Vorgaben der BITV hinaus.

Mobil geht vor

Ein weiteres Novum auch gegenüber den nationalen Vorgaben betrifft die Gleichschaltung von klassischen Internet-Angeboten und Apps für mobile Endgeräte.

Je nach Statistik und Schwerpunkt der Auswertung fand im Juni (spätestens jedoch im November diesen Jahres) die von einigen Medien als „historische Wende im Word Wide Web“ bezeichnete Verschiebung des Schwerpunkts der Nutzungsformen statt. Erstmals überstieg die mobile Nutzung des Internets die Desktop-Nutzung. Dieser Entwicklung trägt die Richtlinie Rechnung, wenn sie in der Sache und den Anforderungen keine Differenzierung zwischen Webseite und App vornimmt. Aus technischer Sicht verschwimmen etwa durch die neuen Web-App-Technologien oder dem responsiven Design von Internet-Angeboten die Grenzen zwischen den beiden Welten ohnehin seit Jahren.

Barrierefreiheit in der E-Vergabe

Das Behindertengleichstellungsgesetz definiert in § 4 Barrierefreiheit wie folgt:

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

Mit dem ursprünglich aus dem Bauwesen stammenden Begriff der Barrierefreiheit und der vorgenannten Regelung soll vorgegeben werden, dass Web-Angebote von allen Nutzern unabhängig von ihren Einschränkungen oder technischen Möglichkeiten uneingeschränkt (barrierefrei) genutzt werden können.

Grundlage für die Bewertung sind Kriterienkataloge, die die „Zugänglichkeit“ im Sinne der Vorgaben und der konkretisierenden BITV 2.0 messbar machen. Ab bestimmten Punktewerten (meist von 100 aus gerechnet) gelten Internet-Angebote als gut oder eingeschränkt zugänglich. Je höher der Wert, desto höher der Grad der Barrierefreiheit. Aus diesem Grund wird gerade im IT-Umfeld der Begriff der Barrierearmut gegenüber dem scheinbar absoluten Begriff der Barrierefreiheit verwendet.

Barrierefreiheit in den Lösungen der cosinex

Da alle Lösungen der cosinex webbasiert sind, d.h. im Regelfall lediglich ein aktueller Internet-Browser ohne Installation lokaler Clients oder zusätzlicher Software benötigt wird, sind die ersten Grundanforderungen an einen barrierefreien bzw. barrierearmen Zugang bereits durch Wahl der Technologie erfüllt. Weitere Anforderungen werden seit Jahren meist schon in der Spezifikation der Lösung berücksichtigt.

Gleichwohl unsere Lösungen bereits hinreichend barrierearm im Sinne der vergaberechtlichen Anforderungen ausgestaltet sind, arbeiten wir laufend daran, noch besser zu werden. So werden in den nächsten Versionen aller Kernmodule der cosinex (Vergabemarktplatz, Vergabemanagementsystem und Vergabekatalog) weitere Maßnahmen umgesetzt.

Technische Basis für weitere Internet-Angebote und Portale öffentlicher Stellen

Ende November wurde mit dem von publicplan betreuten Open Souce Framework deGov die erste technische Basis für die Realisierung von Internet-Seiten und Portalen mit Fokus auf öffentlichen Stellen auf Basis von Drupal 8, einem der weltweit führenden Content Management Systeme, vorgestellt. Mit Einsatz des Frameworks lassen sich auch höchste Anforderungen an einen barrierefreien Zugang kostengünstig realisieren.

Weitere Informationen

Die neue EU-Richtlinie (2016/2102) finden Sie in der EUR-Lex Datenbank der EU unter diesem Link.

Den aktuellen Stand der BITV finden Sie hier.