CPV-Code, empirische Studie

Nicht zuletzt aufgrund der schrittweise umzusetzenden Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation in Vergabeverfahren kommt der E-Vergabe zurzeit eine besondere Aufmerksamkeit zu. Mit ihr soll die Kommunikation zwischen Vergabestelle und Bietern vereinfacht und effizienter gestaltet werden. Dabei wird einem vorhergehenden Schritt im Vergabeprozess in der aktuellen Diskussion zunehmend weniger Beachtung geschenkt: der Suche von Unternehmen nach Ausschreibungen, die dem eigenen Leistungsbereich entsprechen. Diese müssen sich mit immer mehr – häufig kostenpflichtigen – Informationsquellen auseinandersetzen. Auch wenn Dank eines neuen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts Bekanntmachungstexte auf Anfrage auch an andere Ausschreibungsdienste als das zur Veröffentlichung vorgesehene Publikationsorgan überlassen werden müssen (und damit zu erwarten ist, dass die Transparenz von Bekanntmachungen in den kommenden ein bis zwei Jahren deutlich zunehmen wird), bleibt in der Menge der Informationen immer noch die Herausforderung, die „passenden“ Aufträge zu finden.

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Dabei haben eine transparente Veröffentlichung und ein schnelles Auffinden potentieller Aufträge u.a. durch die Verwendung der richtigen CPV-Codes nicht nur für die Bewerber, sondern auch für die ausschreibenden Vergabestellen evidente Vorteile: Je mehr Unternehmen eine Ausschreibung finden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf gute bzw. marktgerechte Angebote und Preise und je schneller ein Bewerber von der Ausschreibung Kenntnis erhält, desto mehr Zeit hat er, seine Angebotskalkulation zu erstellen ohne z.B. einen „Risikoaufschlag“ in sein Angebot einpreisen zu müssen.

Sowohl auf Seiten der Vergabestellen, als auch auf Seiten der Bewerber besteht damit das gemeinsame Interesse an einer möglichst hohen Transparenz und – angesichts der Vielzahl an Bekanntmachungen – auch an einem effizienten „Schlüssel“, um die Klassifizierung von Ausschreibungen durch die Vergabestellen und die Suche durch die Bewerber einfach und möglichst friktionslos zu gestalten.

Die Antwort der EU auf diese Herausforderung war der CPV-Code. Vergabestellen sind verpflichtet, EU-weite Ausschreibungen nach einem bestimmten Klassifikationsstandard, dem CPV-Code einzusortieren; umgekehrt erhalten Bewerber die Möglichkeit, Bekanntmachungen über die klassifizierten Codes zu suchen. Neben der Überwindung von Sprachbarrieren im Binnenmarkt ist dies die Hauptaufgabe der immerhin über 9.000 Codes, die baumartig aufgebaut sind.

Zwar ist der CPV-Code auf Seiten der Auftraggeber sowie Auftragnehmer viel gescholten, mangels (guter) Alternativen wird er jedoch als Such- und Klassifikationshilfe auch bei nationalen Ausschreibungen zunehmend eingesetzt.

Vor diesem Hintergrund befassen wir uns seit etwas über einem Jahr im Rahmen eines Forschungsprojektes sowohl mit theoretischen als auch praktischen Aspekten für einen einfacheren wie effizienteren Einsatz des CPV-Codes. Abstrakt geht es um die Frage, was am CPV-Code besser gemacht werden könnte, konkret aber insbesondere auch darum, wie im ersten Schritt Vergabestellen unterstützt werden können, mit dem gegebenen Standard möglichst wirksam umzugehen. Eine erste praktische „Fingerübung“ war ein Microservice zum leichterem Auffinden des „richtigen“ CPV-Code: cpvcode.de – die wohl erste deutschsprachige Suchmaschine für CPV-Codes. Diese wird auf Grundlage der Erfahrungen des letzten Jahres in den kommenden Monaten sukzessive weiter ausgebaut und zudem auch verstärkt in unseren Lösungen berücksichtigt. Darüber hinaus werden wir in einzelnen Fachbeiträgen in unserem Blog Ergebnisse aus den Analysen sowie der im Rahmen des Forschungsprojektes entstehenden Facharbeiten präsentieren. Den Anfang macht ein Beitrag mit einem Auszug aus einer empirischen Untersuchung zur Verwendung des CPV-Codes allgemein sowie im Ländervergleich.

Eine Zusammenfassung der Kernaussagen finden Sie am Ende des Beitrags.

Codierungsverhalten öffentlicher Auftraggeber bei EU-weiten Ausschreibungen mittels CPV-Nomenklatur (empirische Studie (ein Auszug))

Eine Reihe von Studien in Europa sowie auch außerhalb der EU-Mitgliedstaaten befasst sich mit Untersuchungen zur Harmonisierung und sprachlichen Präzision von Nomenklaturen im Bereich des Öffentlichen Auftragswesens, zu denen auch der CPV-Code gehört. Neben den Bemühungen um eine Verbesserung der Transparenz, eines aktiven Monitorings und der Überwindung von Sprachbarrieren ist dies sicherlich nicht zuletzt auch im Bestreben um eine finanzielle Aufwandsreduzierung ein unentbehrliches und gleichwohl anspruchsvolles Ziel. Vor dem Hintergrund des jährlichen Gesamtvolumens öffentlicher Aufträge alleine in Deutschland ist dies nur allzu verständlich: Schätzungen zufolge beträgt das Volumen öffentlicher Aufträge in Deutschland rund 360 Milliarden Euro jährlich, das entspricht etwa 12,5% des Bruttoinlandsprodukts. Damit ist die öffentliche Hand mit Abstand der größte Auftraggeber – was die Bedeutung einer präzisen und einschlägigen Wahl des richtigen CPV-Codes betont.

Empirische Evidenz

Der vorliegende Beitrag gibt auf Basis empirischer Auswertungen einen ersten Einblick zum Codierungsverhalten öffentlicher Auftraggeber bzw. zur Verwendung der CPV-Nomenklatur.

Im Rahmen einer Studie wurden die Daten aus der TED-Datenbank der EU 1 der letzten fünf Jahre analysiert. Auf eine Auswertung nationaler Veröffentlichungen, d.h. von Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte, wurde zunächst bewusst verzichtet, da nur EU-weite Ausschreibungen aufgrund ihrer zentralen Erfassung in TED auch eine länder- sowie sprachübergreifende Analyse ermöglichen. Das Amt für Veröffentlichungen der EU bietet unterschiedliche Standardformulare für die einzelnen Bekanntmachungstypen: von den Vorinformationen über die tatsächliche Auftragsbekanntmachung bis hin zu Ex post-Veröffentlichungen. Der Fokus der Auswertung lag auf der Verwendung des CPV-Codes für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Aus diesem Grund wurden aus den in den letzten fünf Jahren gültigen 19 Bekanntmachungs-„typen“ zunächst die eigentlichen Auftragsbekanntmachungen (also die Bekanntmachung entsprechend Standardformular Nr. 2 des Amts für Veröffentlichungen der EU) ausgewertet. Hierbei wurde davon ausgegangen, dass öffentliche Auftraggeber sich bei der Codierung bzw. Klassifikation öffentlicher Aufträge nach Maßgabe der klassischen Richtlinie in etwa analog zu den sog. Sektorenauftraggebern (nach Maßgabe des Standardformulars Nr. 5 der EU) sowie bei der vereinfachten Bekanntmachung im Rahmen eines dynamischen Beschaffungssystems (entsprechend Standardformular Nr. 9) und bei Auftragsbekanntmachungen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit entsprechend Standardformular Nr. 17 verhalten. Insgesamt wurden 2.041.756 Auftragsbekanntmachungen der Jahre 2011 bis 2015 untersucht. Um eine vergleichende Analysen durchführen zu können, wurden bei den Auswertungen drei weitere Länder miteinbezogen, deren Bruttoinlandsprodukt je Einwohner dem im Deutschland nahe kommt, sowie Österreich das zum deutschen Sprachraum gehört und damit, bezogen auf die native Verwendung der Terminologie (aufgrund identischer Begrifflichkeiten und ggf. auch Synonyme), bei dem Verständnis der CPV-Begriffe eine interessante Vergleichslage aufweist.

Maße der zentralen Tendenz / Durchschnittliche „Tiefe“ der Verwendung der CPV-Code-Struktur

Primär wurde der Frage nachgegangen, welche CPV-Codes im Hinblick auf die hierarchische Struktur des CPV-Code-Baumes benutzt wurden. Hintergrund war, dass eine präzise Beschreibung des Auftragsgegenstandes anhand der CPV-Codes (eine „tiefe“ Verwendung von Codes) das Wettbewerbspotential sowie die Transparenz erhöht, da Unternehmen so größere Chance haben, potentielle Aufträge bzw. Auftragsbekanntmachungen zu finden. Was viele Auftraggeber nicht berücksichtigen, ist auch die Tatsache, dass der erste sog. (Haupt-)CPV-Code automatisch in den Titel der Ausschreibung übernommen wird und somit für die Volltextsuche (also nach Stichwörtern) durch potentielle Bieter von hoher Relevanz sein kann. Insb. in diesem Fall ist es daher wichtig, dass der o.g. Haupt-CPV-Code korrekt und möglichst präzise ausgewählt wird. Bei der Auswertung war erkennbar, dass bei der Angabe mehrerer CPV-Codes (egal ob diese direkt über SIMAP erfasst wurden oder von nationalen E-Vergabeplattform über Schnittstellen übermittelt wurden (also eine unterschiedliche Usability der verwendeten Software für die Datenerfassung unterstellt werden kann)) offenkundig nicht immer berücksichtigt wurde, welcher der angegebenen Codes sinnvollerweise der„Hauptcode“ sein wird. Im Ergebnis kann ein falsch oder nicht präzise genug vergebener CPV-Code auch mittelbar zu einer unwirtschaftlichen Entscheidung führen.

Im Rahmen der Studie wurden u.a. Maße der zentralen Tendenz2  als statistische Methode für die o.g. Auswertungen präferiert. Das bekannteste Maß der zentralen Tendenz ist der arithmetische Mittelwert, der die Ermittlung der „durchschnittlichen Tiefe“ der von den Vergabestellen ausgewählten CPV-Codes ermöglicht und damit Auskunft gibt, wie präzise die Codes ausgewertet wurden. Anders formuliert, wurde die durchschnittliche Menge an Nullen am Ende der CPV-Codes auf den Positionen 3-8 ausgewertet. Der numerische CPV-Code umfasst acht Ziffern und ist unterteilt in:

  • Abteilungen, die durch die beiden ersten Ziffern des Codes bezeichnet werden
  • Gruppen, die durch die drei ersten Ziffern des Codes bezeichnet werden
  • Klassen, die durch die vier ersten Ziffern des Codes bezeichnet werden
  • Kategorien, die durch die fünf ersten Ziffern des Codes bezeichnet werden

Somit ermöglicht die Auswertung über die durchschnittliche Menge der Nullen auf den o.g. Positionen eine Ableitung über die Zugehörigkeit zu den jeweiligen hierarchischen Ebenen des Klassifikationsstandards. Die Ergebnisse zeigen, wie „präzise“, bzw. tief öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstand beschreiben. Je weniger Nullen am Ende der benutzen Codes, desto detaillierter ist der Grad der sprachlichen Beschreibung (tiefe Einsortierung). Vgl. hierzu „Bau von Stadtbahnen“ (45234111) oder „Straßenbahnarbeiten“ (45234121) versus pauschaler Oberkategorien wie „Bauarbeiten“ (45000000).

Um möglichst repräsentative Werte durch eine große Datenbasis zu erhalten, wurden für die Auswertungen auf die Daten von fünf Jahren (2011 bis 2015) zurückgegriffen. Die Ergebnisse der Maße der zentralen Tendenz nach Ländern waren:

LandMaße der zentralen Tendenz (Durchschnittliche Anzahl an Nullen (Tiefe))
Alle Länder3,241717
Deutschland2,711932
Österreich2,835414
Frankreich3,064219
Vereinigtes Königreich3,447981

Anhand der dargestellten Werte wird deutlich, dass Deutschland und Österreich im Vergleich zu Frankreich und dem Vereinigtem Königreich die Auftragsgegenstände im Schnitt präziser beschreiben (obwohl sich die Werte bei einer arithmetischen Rundung ausgleichen). Um auf das o.g. Bespiel zurückzugreifen, bedeutet dies, dass Deutschland und Österreich hier eher den Code „Bauarbeiten für Eisenbahnlinien und Seilbahnsysteme“ (45234000) benutzen würden, und Frankreich, das Vereinigte Königreich sowie insgesamt im Schnitt alle Länder tendenziell die übergeordnete Beschreibung „Bauarbeiten für Rohrleitungen, Fernmelde- und Stromleitungen, für Autobahnen, Straßen, Flugplätze und Eisenbahnen; Nivellierungsarbeiten“ (45230000).

Erfordernis einer potentialorientierten Neusegmentierung der CPV-Code Taxonomie

In einem weiteren Teil der Untersuchungen wurde eine mögliche Neusegmentierung der Taxonomie3 des CPV-Codes in den Fokus gestellt, verbunden mit der Fragestellung, ob u.U. eine entsprechende Reduzierung der CPV-Code-Segmente sinnvoll sein kann.

In einer bereits im Jahr 2012 veröffentlichten Rambøll-Studie4, die im Auftrag der EU zur Überprüfung der Funktionsweise und des Mehrwertes einer einheitlichen CPV-Nomenklatur durchgeführt wurde, wird in einem theoretischen Ansatz die Reduzierung bestehender Codes aufgegriffen. Grund ist u.a., dass nahestehende, verwandte oder gar identische Leistungen im CPV-Code-Baum in völlig unterschiedlichen Oberkategorien einsortiert sind und somit die Übersichtlichkeit (und damit die Usability) der Codierung beeinträchtigen. Zudem entstehen hierdurch Verwechslungsgefahren, die das Auffinden von Ausschreibungen eher erschweren. In vielen Fällen erschließt sich die Auswahl erst durch den Kontext der übergeordneten Kategorien. So muss man beim „Malerpinsel“ schon die zugehörige Klasse „Küchenausstattung, Haushalts- und Heimartikel“ (39220000) sehen, um zu erkennen, dass ggf. „Malerbedarf“ in der Klasse der „Anstrichfarben und Lacke“ (44800000) passender wäre. Grund sind sicher auch die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, die festgelegten Codes möglichst einheitlich in alle Amtssprachen der EU zu übersetzen.

Die EU hat dieses Problem bereits erkannt und in einer leider wenig beachteten offiziellen Erläuterung zu den CPV-Codes für viele Abteilungen, Gruppen und z. T. Klassen Kommentierungen und Erläuterungen eingeführt, die Hinweise auf die Verwendung der nachgelagerten Codes etwa einer Gruppe geben sollen.5

In den Erläuterungen wird beispielsweise deutlich, dass etwa der CPV-Code „Hosen“ (18234000) zur übergeordneten Gruppe 182 (Oberbekleidung) gehört, eine Beschaffung von Hosen für die Polizei im Regelfall der Klasse 3581 und hier Polizeiuniformen (35811200) zuzurechnen wäre. Wobei man sich in der Praxis als ausschreibende Stelle dafür entscheiden sollte, in solchen Zweifelsfällen beide CPV-Codes auszuwählen. Auch aus diesem Grund wurden die offiziellen Erläuterungen in die Ergebnisdarstellung der Suchmaschine cpvcode.de integriert.

Die knapp 9.500 Eintragungen in der aktuellen CPV-Code-Liste der EU bergen trotz (oder gerade wegen) ihres Detaillierungsgrades somit durchaus Potential für eine Überarbeitung mit dem Ziel der Reduzierung. Im Kontext der Rambøll-Studie – die laut Jahresbericht 2014 des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften auch bei der Aktualisierung der nächsten CPV-Version berücksichtigt werden soll – liegt der Fokus auf einer durchschnittlichen Tendenz der Nutzung, d.h. der durchschnittlichen Verteilung der benutzten CPV-Codes innerhalb der Abteilungen, Klassen, Kategorien und Gruppen in Abhängigkeit von der Strukturtiefe der Nomenklatur (Wie viele CPV-Code stehen im Schnitt in jedem Zweig zur Verfügung?). Das Ergebnis stand rasch fest: Die CPV-Nomenklatur soll beibehalten, aber verbessert, und der Detaillierungsgrad reduziert werden, da augenscheinlich nur eine bestimmte Menge der CPV-Codes, die relativ mittig in der Struktur angesiedelt ist, aktiv verwendet wird. Die Studie basiert primär auf einer Online-Umfrage mit knapp über 12.000 Rückläufern.

Das Ziel der ersten Auswertung im Rahmen des Forschungsprojektes betraf daher zunächst die Identifizierung der CPV-Codes, die tatsächlich selten bis gar nicht verwendet wurden sowie die Frage, um welche CPV-Codes es sich im Hinblick auf ihren Detaillierungsgrad handelt, also wie „tief“ in der Klassifikation diese einsortiert sind. Das Ergebnis der Auswertung ist eindeutig: 4.716 der CPV-Codes wurden von deutschen Vergabestellen in den ausgewerteten Bekanntmachungen der letzten fünf Jahre nicht ein einziges Mal verwendet, rund 50% der CPV-Codes (49,88 %) kamen also nie zum Einsatz. 1.261 von insgesamt 9.454 CPV-Codes (rund 13%) wurden im Betrachtungszeitraum EU-weit durch keine Vergabestelle ausgewählt oder verwendet, also in keinem der 28 Mitgliedstaaten. Darüber hinaus wurde die Qualität bzw. Tiefe der nichtbenutzten CPV-Codes betrachtet: Wie erwartet, handelt es sich um ziemlich „tiefe“ Codes mit einem hohem Detaillierungsgrad, d.h. auf der Ebene der Unterkategorien (leider entgegen der allgemeinen Empfehlung für öffentliche Auftraggeber, die ausgeschriebene Leistung – im Sinne des hierarchischen Kategoriebaumes – möglichst präzise auszuwählen).

Folgende Tabelle verdeutlicht die Ergebnisse:

LandAnzahl der CPV-Codes, die in 5 Jahren nie benutzt wurdenDurchschnittliche Tiefe der CPV-Struktur
Deutschland4.7161,990882
Frankreich3.8821,936631
Vereinigtes Königreich4.3701,910297
Österreich6.0962,040518
Alle Länder EU-weit1.2611,773196

Die „durchschnittliche Tiefe“ bei diesen CPV-Codes bedeutet also, dass im Schnitt die Codes bei der Codierung von potentiellen Aufträge nicht benutzt wurden, die ca. 2 Nullen am Ende  haben, was in etwa der Ebene der detailliertesten Unterkategorien entspricht, wie z.B. Wandverkleidungs- und Tapezierarbeiten (45432200) in der Gruppe „Baufertigstellung“ 45400000 bzw. der Abteilung Bauarbeiten (45000000)).

Nicht präzise genug? Oder zu allgemein?

Mit rund 9.454 Codes ist die CPV-Nomenklatur im Vergleich zu Industrienormen wie etwa eCl@ss (mit über 39.000 Klassen plus bzw. mal entsprechender Merkmale und Werte in der Version 7.1) ein verhältnismäßig grober Standard, um Waren und Leistungen zu klassifizieren. Ein weiteres Beispiel ist UNSPSC6, welches insbesondere für den Einsatz im Bereich E-Procurement konzipiert wurde und eine Untergliederung auf bis zu zehn Stellen vorsieht.

Anders als die vorgenannten Industriestandards, die auch einen z.T. fast vollständig automatisierten Datenaustausch zwischen ERP- bzw. Warenwirtschaftssystemen ermöglichen sollen, stellt der CPV-Code in seiner aktuellen Version sicherlich nicht den detailliertesten Klassifikationsstandard im Wirtschaftsbereich dar. Die Ergebnisse der Auswertungen haben jedoch gezeigt, dass ein relevanter Teil dieser Codes nie in der Praxis genutzt wurde (13% EU-weit und wohl gut 50% in Deutschland) oder so selten, dass seine Bedeutung für die Praxis in Frage gestellt werden kann.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade bei nationalen Ausschreibungen der Bedarf an präziseren CPV-Codes höher sein kann als bei EU-weiten, da in diesem Fall kleinere Mengen an „konkreteren“ Auftragsgegenständen ausgeschrieben und mittels CPV-Code beschrieben werden. So wird beispielsweise der Bedarf an Flipchartständern (30195913) oder Flipchart-Blöcken (30197621) nur sehr selten den EU-Schwellenwert überschreiten. Unabhängig davon jedoch verdeutlicht bereits das erste Zwischenfazit, dass eine Neusegmentierung der CPV-Taxonomie empfehlenswert wäre, um die Transparenz sowie Nutzerfreundlichkeit des Klassifikationsstandards zu verbessern.

Im Rahmen folgender Blog-Beiträge zu dem Thema werden weitere Ergebnisse aus der Arbeit und dem Forschungsprojekt veröffentlicht. Eine vollständige Veröffentlichung dieser Studie ist bis Ende des Jahres vorgesehen7.

Fazit

Bereits aus den vorgenannten Auszügen der empirischen Untersuchung des CPV-Codes ergeben sich einige Ergebnisse, aus denen sich z.T. auch praktische Handlungsempfehlungen für Vergabestellen ableiten lassen:

  • Die CPV-Codes sollten im Hinblick auf die ausgeschriebene Leistung möglichst präzise, im Sinne des hierarchischen Kategoriebaums also „tief“ ausgewählt werden, um die Wahrscheinlichkeit, von mehreren potentiellen Bietern gefunden zu werden, zu erhöhen.8
  • Basierend auf den Ergebnissen der empirischen Studie scheint Deutschland im Hinblick auf den oben genannten Aspekt – einer möglichst präzisen Verwendung des CPV-Codes – im Ländervergleich einer der Vorreiter zu sein. Hier entspricht die durchschnittliche Codierung einem Detaillierungsgrad der CPV-Klasse (ca. 2-3 Nullen am Ende des Codes), was in der Praxis einem präzisen Codierungsverhalten entspricht. Gekoppelt mit der Faustregel „lieber zu viele als zu wenige CPV-Codes verwenden“ ist die Anzahl der verwendeten CPV-Codes je Ausschreibung durch deutsche Vergabestellen jedenfalls überdurchschnittlich gut. Die durchschnittliche Menge der pro Ausschreibung benutzen CPV-Codes wird im Rahmen eines späteren Fachbeitrags im cosinex Blog dargestellt9.
  • Eine weitere Empfehlung für die Verwendung des CPV-Codes an öffentliche Auftraggeber ist, bei der Auswahl der passenden CPV-Codes diese auch im Kontext der CPV-Struktur bzw. der verwandten Unterkategorien zu betrachten. So erschließt sich die Bedeutung der CPV-Codes z.T. besser. Oft wird schnell klar, dass ein unter- oder gleichgeordneter CPV-Code eher zu der Ausschreibung passt als der anfangs gesuchte. Darüber hinaus sollten auch die offiziellen Hinweise der EU zu der jeweiligen Abteilung, Klasse, Kategorien berücksichtigt werden. Diese verdeutlichen, welche Auftragsgegenstände nicht in diese Kategoire etc. gehören. Die Erläuterungen der EU sind auch Teil der CPV-Code-Suchmaschine:
  • Von rund 9.456 CPV-Codes haben rund 50 % der Codes keine Anwendung bei EU-weiten Bekanntmachungen in den letzten fünf Jahren in Deutschland gefunden. In ganz Europa ist die Zahl von 13% der CPV-Codes, die nie benutzt wurden, ebenfalls beträchtlich. Zwar drängt sich bei näherer Betrachtung der Klassifizierung der Eindruck auf, dass Weihnachtskarten (22321000) sowie Briefmarkenklebemaschinen (30131800) in Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte kaum praktische Relevanz entfalten dürften, jedoch sollte das ggf. Anregung genug sein, um die CPV-Nomenklatur in Hinblick auf den spezifischen Bedarf in der Praxis zu überarbeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass Grundlage für eine Überarbeitung auch und insb. statistische Auswertungen sein sollten, um Umfragen wie in der o.g. Rambøll-Studie zu ergänzen und eine Entscheidung darüber treffen zu können, welche Begriffe bzw. Codes in der kommenden Version der CPV-Nomenklatur nicht berücksichtigt werden sollten. Eine Auswertung über einen Zeitraum von fünf Jahren und über alle Mitgliedstaaten scheint hinreichend repräsentativ, um eine Neusegmentierung sowie insb. Reduzierung der CPV-Codes anzustreben.

Bildquelle: Scanrail1– shutterstock.com

Fussnoten

  1. TED  (Tenders Electronic Daily) ist die Online-Version des „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“ für das europäische öffentliche Auftragswesen und verschafft als Teil von SIMAP (Informationssystem für die öffentliche Auftragsvergabe (fr. système d’information pour les marchés publics) Zugang zu Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge oberhalb der im Rahmen einer Rechtsverordnung geregelten, sog. Schwellenwerten für EU-weite Ausschreibungen. Aufgrund EU-weit einheitlich vorgegebenen Veröffentlichungspflichten liegt damit ein weitgehend vollständiger und repräsentativer Datensatz nicht nur für statistische Auswertungen vor.
  2. Maße der zentralen Tendenz (measures of central tendency) sind wohl die häufigsten statistischen Maßzahlen. Sie geben an, durch welchen einzigen Wert die Ausprägung einer Variablen am besten charakterisiert wird. Vgl. Gries, S.T. Statistik für Sprachwissenschaftler. S. 113
  3. Segmentierung und Klassifikation der Begriffe. Eine Taxonomie oder ein Klassifikationsschema ist ein einheitliches Verfahren oder Modell, mit dem Objekte nach bestimmten Kriterien klassifiziert, das heißt in Kategorien oder Klassen (auch Taxa genannt) eingeordnet werden.
  4. Die Studie umfasst rund 161 Seiten ist nur in englischer Sprache verfügbar: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/docs/rules/cpv/121219_report-review-cpv-codes-functioning_en.pdf
  5. Die offiziellen Kommentierungen und Erläuterungen der EU sind in der CPV-Code Suchmaschine (www.cpvcode.de) eingebunden. Diese helfen öffentlichen Auftraggeber, sich innerhalb des CPV-Codes inhaltlich besser zu orientieren.
  6. United Nations Standard Products and Services Code, vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/UNSPSC
  7. Die vorgelegten Ergebnisse sind Bestandteil einer wissenschaftlichen Arbeit (Inaugural-Dissertation) im Rahmen des Forschungsprojektes. Alle Rechte sind vorbehalten. Eine Weiterverwendung – auch auszugsweise – ist nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Verfasserin erlaubt
  8. Mit der Schnittmenge (die wirtschaftliche Vergabe gewährleistet) der ausgeschriebenen Leistungen und der über Suchprofile gefunden geeigneten Aufträgen wird sich ein weiterer Fachbeitrag im cosinex Blog beschäftigen.
  9. Um die Ergebnisse der statistischen Analyse in Hinblick auf die nicht verwendeten CPV-Codes zu verifizieren, soll im Rahmen des Forschungsprojektes eine repräsentative Umfrage unter Vergabestellen durchgeführt werden.