Während im Zuge des VergRModG 1 nach § 119 Abs. 2 GWB – also oberhalb der EU-Schwellenwerte – der Vorrang des offenen Verfahrens aufgegeben wurde und Vergabestellen nun frei darin sind, auch ohne Vorliegen von Ausnahmetatbeständen zwischen offenem Verfahren und nicht offenem Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zu wählen, gilt in vielen Bundesländern auf landesrechtlicher Ebene (noch) der Vorrang der öffentlichen Ausschreibung – nicht nur aufgrund des „alten“ nationalen Vergaberechts sondern im Regelfall auch aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben.
Mit Schreiben vom 13. April kündigte nun das brandenburgische Innenministerium an, dass eine entsprechende Anpassung auf Landesebene geplant sei und setzte im gleichen Zug den aktuell noch in § 30 Abs. 1 KomKHV 2 geregelten Grundsatz des Vorrangs der öffentlichen Ausschreibung mit einem abweichenden Begriffsverständnis de facto außer Kraft.
So liegt eine „öffentliche Ausschreibung“ im Sinne des KomHKV bereits dann vor, wenn einem nicht begrenzten Adressatenkreis die Vergabeabsicht in geeigneter Form bekannt gemacht wird. Dieses recht weite Verständnis einer „öffentlichen Ausschreibung“ im Sinne dieser Vorgaben weicht von den Vorgaben der VOL/A sowie der VOB/A ab. Hiernach genügt eine beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb bereits den Anforderungen an eine „öffentliche Ausschreibung“ im Sinne der haushaltsrechtlichen Vorgaben. Ergänzend weist das Innenministerium in seinem Schreiben darauf hin, dass nicht kommunalaufsichtsrechtlich eingeschritten werde, wenn Vergabestellen jetzt bereits anstatt einer öffentlichen Ausschreibung eine beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb durchführen.
Im Ergebnis können sich damit noch vor Inkrafttreten einer Anpassung der Regelungen für den Unterschwellenbereich brandenburgische Vergabestellen auch bei nationalen Ausschreibungen frei zwischen einer öffentlichen Ausschreibung und einer beschränkten Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb entscheiden. Die Erleichterungen bei der Auswahl der Verfahrensart aufgrund der bestehenden Wertgrenzenregelungen bleiben hiervon unberührt.
Das Schreiben des Innenministeriums finden Sie auf den Seiten der Auftragsberatungsstelle Brandenburg e.V..
Verwandte Beiträge
Liebes Cosinex-Team,
vielen Dank für die interessanten Neuigkeiten. Zwei kurze Rückfragen:
1. Habe ich das richtig verstanden, dass, auch wenn die Argumentation des MIK für freihändige Vergaben mit vorgeschaltetem öffentlichem Teilnahmewettbewerb zutreffen würde, die Neuregelung des MIK lediglich für beschränkte Ausschreibungen mit vorgeschaltetem öffentlichem Teilnahmewettbewerb gilt?
2. Wissen Sie, ob es ähnliche Überlegungen auch in anderen Bundesländern gibt?
Vielen Dank im Voraus und viele Grüße
Siegfried Kaiser
Sehr geehrter Herr Kaiser,
wenn die im Schreiben genannte Definition „einem nicht begrenzten Adressatenkreis die Vergabeabsicht in geeigneter Form bekannt gemacht wird“ abschließend ist, wird man das wohl so lesen können. Verbindlich kann dies natürlich nur das MIK beantworten.
Zur zweiten Frage: Ja, nach unserer Kenntnis gibt es in vielen Bundesländern vergleichbare Bemühungen und Überlegungen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Redaktionsteam des cosinex Blogs