In einem mehrteiligen Beitrag von Herrn Michael Wankmüller befassen wir uns im cosinex Blog mit den anstehenden Änderungen auf Basis der aktuellen Entwürfe der neuen „Vergabeverordnungen“.

Der vierte Teil befasst sich im Schwerpunkt mit der neu eingeführten elektronischen Textform nach § 126b BGB für die Einreichung von Angeboten sowie der Frage, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise noch die fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signatur gefordert werden darf.

Der erste Teil befasste sich mit den Grundsätzen der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren, der zweite Teil  – mit den Anforderungen an die elektronischen Mittel unter anderem im Hinblick auf Sicherheitsaspekte bzw. Anforderungen an die Sicherheitsniveaus. Im dritten Beitrag ging es im Schwerpunkt um den Grundsatz der elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen und den rechtlich zulässigen Ausnahmen.

1. Einführung

Während im Blog-Beitrag der Grundsatz der elektronischen Kommunikation behandelt wurde, geht dieser Teil näher auf die Ausnahmen von diesem Grundsatz ein. Wie bereits im ersten Teil erwähnt, sind die Ausnahmen im Zusammenhang mit der „Form und Übermittlung von Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessenbekundungen und Interessenbestätigungen“ geregelt. Insofern erscheint es sinnvoll, in diesem Beitrag zunächst auch auf die möglichen Formen (Grundsatz und Ausnahmen) der wesentlichen Erklärungen im Vergabeprozess (Einreichungsverfahren) einzugehen und dann die Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation zu behandeln.

Es gilt auch hier, worauf im dritten Teil bereits hingewiesen wurde: Die landläufige Aussage der „verpflichtenden E-Vergabe“ muss immer als Grundsatz verstanden werden. Fakt ist auch hier, dass künftig, wenn es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang auf die elektronische Kommunikation im Vergabeverfahren verzichtet werden kann, geprüft werden muss, ob eine Ausnahme vorliegt, die den Verzicht erlaubt.

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2. Grundsatz der elektronischen Textform im Einreichungsverfahren

Gem. § 53 Abs. 1 VgV übermitteln die Unternehmen ihre Interessenbekundungen, Interessenbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mithilfe elektronischer Mittel nach § 10.1

Danach ist Textform jede lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

Die Textform erfüllt keine der klassischen Formfunktionen (Warn-, Beweis-, Identifikationsfunktion). An die Textform werden dabei von allen gesetzlich geregelten Formen die geringsten Anforderungen gestellt.

Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis auf § 10 VgV, der sich mit dem vom öffentlichen Auftraggeber nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung festzulegenden Sicherheitsniveau für die elektronischen Mittel und mit den Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel beim öffentlichen Auftraggeber für die Entgegennahme dieser Anträge im Einreichungsverfahren befasst und folgerichtig den öffentlichen Auftraggeber als Normadressat bestimmt, erscheint fragwürdig, da Normadressat des § 53 Abs. 1 VgV die Unternehmen sind. Die Unternehmen können demzufolge diese Anforderungen an die Geräte und Programme im Herrschaftsbereich des öffentlichen Auftraggebers nach § 10 VgV gar nicht gewährleisten. Ein Hinweis, was der Verordnungsgeber eventuell damit gemeint haben könnte, könnte sich allenfalls aus der Verordnungsbegründung des § 10 Abs. 1 VgV erschließen, wonach im Zusammenhang mit dem vom Auftraggeber festzulegenden Sicherheitsniveau für die elektronischen Mittel, von den Unternehmen mit Sitz in Deutschland etwa eine DE-Mail-Adresse verlangt werden könnte, um eine zuverlässige Absenderidentifizierung zu ermöglichen oder die Unversehrtheit der Daten sicherstellen zu können. Andererseits gehen diese Anforderungen weit über die Textform hinaus, die diese Anforderungen nur eingeschränkt und mit Blick auf die Unversehrtheit der Daten überhaupt nicht erfüllen kann. Wahrscheinlicher ist es, dass es sich bei diesem Verweis auf § 10 um einen schlichten Tippfehler handelt, da der Hinweis auf die elektronischen Mittel nur Sinn im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 VgV macht, der auch die Unternehmen verpflichtet, im Vergabeprozess und damit auch für die Übermittlung von Interessenbekundungen, Interessenbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote elektronische Mittel (Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung) zu verwenden. Bezeichnenderweise verzichten die §§ 43 Abs. 1 SektVO und 28 Abs. 1 KonzVgV auf diesen Hinweis in ihren Rechtsverordnungen2 und tragen damit zur Klarheit bei.

In der Verordnungsbegründung zu § 53 Abs. 1 VgV wird bereits darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift aufgrund der nach Artikel 90 Abs. 2 VRL eingeräumten Übergangsfristen für zentrale Beschaffungsstellen erst ab dem 18.04.2017 und im Übrigen ab dem 18.10.2018 Anwendung findet. Bis zu diesen Zeitpunkten können die öffentlichen Auftraggeber für den gesamten Informationsaustausch wählen, ob sie den Unternehmen die Übermittlung auf dem Postweg, einem anderen geeigneten Weg oder einer Kombination von postalischem oder einem anderen geeigneten Weg und Verwendung elektronischer Mittel vorgeben. Geregelt ist dies in den Übergangsbestimmungen des § 81 VgV.3

Mit der Textform nimmt der Verordnungsgeber Abstand von der bisherigen Regelung, dass elektronische Angebote stets mit fortgeschrittener oder qualifizierter elektronischer Signatur versehen sein müssen.4

3. Mögliche Ausnahmen von der elektronischen Textform

Die in allen drei Rechtsverordnungen bestimmte elektronische Textform nach § 126b BGB ist eine Grundsatzregelung, was sich erst aus § 53 Abs. 3 VgV erschließt.5 Diese Bestimmung schreibt nämlich vor, dass der öffentliche Auftraggeber prüfen muss, ob zu übermittelnde Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen. Soweit es erforderlich ist, kann der öffentliche Auftraggeber von den Unternehmen verlangen, dass eine fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signatur gem. § 2 Nr. 2 oder 3 Signaturgesetz verwendet werden muss. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist eine vorherige Festlegung des Sicherheitsniveaus nach einer entsprechenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Verordnungsbegründung führt hierzu aus:

„Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist eine vorherige Festlegung des Sicherheitsniveaus, dem Daten, die in direktem Zusammenhang mit der Angebotseinreichung gesendet, empfangen, weitergeleitet oder gespeichert werden, genügen müssen, durch die öffentlichen Auftraggeber. Die Festlegung dieses Sicherheitsniveaus muss das Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen den zur Sicherung einer richtigen und zuverlässigen Authentifizierung der Datenquelle und der Unversehrtheit der Daten erforderlichen Maßnahmen einerseits und den von nicht berechtigten Datenquellen stammenden und/oder von fehlerhaften Daten ausgehenden Gefahren andererseits im Einzelfall sein. Unter ansonsten gleichen Bedingungen wird beispielsweise das Sicherheitsniveau, dem eine E-Mail genügen muss, die ein Unternehmen an einen öffentlichen Auftraggeber sendet, um sich nach der Postanschrift des öffentlichen Auftraggebers zu erkundigen, deutlich niedriger einzuschätzen sein als das Sicherheitsniveau, dem das von einem Unternehmen eingereichte Angebot genügen muss. In gleicher Weise kann Ergebnis einer Einzelfallabwägung sein, dass bei der erneuten Einreichung elektronischer Kataloge oder bei der Einreichung von Angeboten im Rahmen von Kleinstwettbewerben bei einer Rahmenvereinbarung oder beim Abruf von Vergabeunterlagen nur ein niedriges Sicherheitsniveau zu gewährleisten ist.“6

Quelle dieser Verhältnismäßigkeitprüfung sind die VRL und SRL7, die jedoch nur die mögliche Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen regeln (fortgeschrittene elektronische Signaturen, die sich auf ein qualifiziertes Zertifikat stützen). Sollte die Verhältnismäßigkeitsprüfung das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur zum Ergebnis haben, müssen öffentliche Auftraggeber nur solche qualifizierten elektronischen Signaturen akzeptieren, die in einer „Vertrauensliste“ der EU-Kommission geführt sind. Die Verordnungsbegründung führt hierzu aus:

„Ist das zu gewährleistende Sicherheitsniveau so hoch, dass zur Authentifizierung der Datenquelle im Einzelfall elektronische Signaturen eingesetzt werden müssen, so können sowohl fortgeschrittene als auch qualifizierte elektronische Signaturen gemäß den Artikeln 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Juli 2014 (eIDAS-Verordnung) verwendet werden (….) Schreiben öffentliche Auftraggeber vor, dass elektronisch zu signieren sind, so müssen sie die technischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass gültige fortgeschrittene elektronische Signaturen und gültige qualifizierte Zertifikate, die von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgestellt wurden, akzeptiert werden. Eine Diskriminierung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund der Verwendung anderer als deutscher elektronischer Signaturen und qualifizierter Zertifikate ist nicht zulässig.

Die eIDAS-Verordnung, die ab dem 1. Juli 2016 zu beachten ist und die EU-Signaturrichtlinie 1999/93/EG ablöst, bestimmt in Artikel 22, dass jeder Mitgliedstaat für die Aufstellung, Führung und Veröffentlichung, die Angaben zu den qualifizierten Vertrauensdiensteanbietern, für die er verantwortlich ist, und den von ihnen erbrachten qualifizierten Vertrauensdiensten zu sorgen hat. Hierzu müssen die Mitgliedstaaten der Kommission entsprechende Informationen übermitteln, insbesondere den Ort der Veröffentlichung dieser Listen, die die Kommission auf sichere Weise und elektronisch unterzeichnet oder gesiegelt in einer für eine automatisierten Verarbeitung geeigneter Form öffentlich zugänglich macht. Die Verifizierung dieser qualifizierten elektronischen Signaturen dürfte danach unproblematisch sein und das bisherige Problem der fehlenden Interoperabilität qualifizierter elektronischer Signaturen beheben. Die Verifizierung fortgeschrittener elektronischer Signaturen hingegen dürfte problematischer werden. In diesem Zusammenhang wird auf den Blog Beitrag vom 10.12.2015 zum Thema „Überblick über Elektronische Signaturen bei Vergabeverfahren“ verwiesen, in dem auf die Herausforderungen bei der Prüfung fortgeschrittener elektronischer Signaturen eingegangen wird. Die dort ausgesprochen Empfehlung, zunächst auf die Gültigkeit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu vertrauen, ist praxisnah und dürfte auch mit § 2 Nr. 2 Signaturgesetz bzw. Artikel 26 lit. b) eIDAS-Verordnung vereinbar sein, die lediglich die Möglichkeit der Identifizierung, nicht jedoch die zwingende Identifizierung des Unterzeichners vorsieht. Die Beweiskraft einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur entspricht dem Beweis durch Augenschein gem. § 371 Zivilprozessordnung, der somit identisch ist mit der eigenhändigen Unterschrift auf einem papierbasierten Angebot. In der Praxis wurden und werden eigenhändige Unterschriften in der Regel auch nicht hinterfragt. Warum sollte man dies bei fortgeschrittenen elektronischen Signaturen mit identischer Beweiskraft machen?

Widersprüchlich erscheint die Verhältnismäßigkeitsprüfung an dieser Stelle mit Blick auf die Unversehrtheit der Daten (Datenintegrität), da § 11 Abs. 2 VgV8 ausweislich der Verordnungsbegründung bestimmt, dass es dem öffentlichen Auftraggeber (auf jeden Fall) obliegt, während des gesamten Vergabeverfahrens insbesondere die Unversehrtheit aller verfahrensbezogenen Daten sicherzustellen (siehe hierzu auch die korrespondierenden Ausführungen im Blogbeitrag Teil II Kapitel 3 b)).

4. Die Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation nach der VgV, der SektVO und der KonzVgV

Der öffentliche Auftraggeber ist nach § 53 Abs. 2 VgV nicht verpflichtet die Einreichung von Angeboten mithilfe elektronischer Mittel zu verlangen, wenn die gleichen Ausnahmetatbestände vorliegen, die einen Verzicht auf die elektronische Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen zulassen oder wenn zugleich physische oder maßstabsgetreue Modelle einzureichen sind. Das gleiche gilt für die Sektorenauftraggeber gem. § 43 Abs. 2 SektVO. Hier wird deutlich, dass die Ausnahmetatbestände vom Grundsatz der elektronischen Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen und der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren identisch sind. Aus diesem Grunde wird der Einfachheit halber auf die Ausführungen im Beitrag Teil III Kapitel 3 verwiesen, in dem diese Ausnahmetatbestände ausführlich behandelt wurden.

Unklar ist, warum der deutsche Verordnungsgeber eine andere Systematik zur Regelung dieser Ausnahmetatbestände gewählt hat, als der europäische Richtliniengeber. Während der europäische Richtliniengeber die Ausnahmetatbestände unmittelbar im Zusammenhang mit der (eigentlich wichtigeren) Vorgabe der gesamten Kommunikation und des gesamten Informationsaustauschs unter Anwendung elektronischer Mittel regelte9 und bei Regelung der Ausnahmetatbestände vom Grundsatz der elektronischen Verfügbarkeit der Auftragsunterlagen nach Artikel 53 Abs. 1 UAbs. 2 VRL und Artikel 43 Abs. 2 SektVO lediglich auf die Ausnahmen nach Artikel 22 Abs. 1 UAbs. 2 VRL bzw. Artikel 40 Abs. 1 UAbs. 2 SRL verwies, wählte der deutsche Verordnungsgeber den umgekehrten Weg. Dabei musste er die Möglichkeit der Einreichung physischer oder maßstabsgetreuer Modelle extra erwähnen, da diese nur im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe anfallen (z.B. verlangte Einreichung von Mustern und Proben im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe). In diesen Ausnahmefällen greift die Wahlfreiheit der Kommunikationsmittel wie bisher, d.h. dieser Bestandteil der Angebotsabgabe kann auf dem Postweg oder direkt, insgesamt aber kombiniert erfolgen. Die Pflicht zur Kombination von postalischen, direkten und elektronischen Mitteln ergibt sich aus Erwägungsgrund 53 Abs. 2 VRL bzw. 64 Abs. 2 SRL, wonach klargestellt wird, dass die Nutzung anderer Kommunikationsmittel auf die Bestandteile des Angebots beschränkt sein soll, für die eine elektronische Kommunikation nicht verlangt wird. Das bedeutet, dass die Notwendigkeit der Einreichung physischer oder maßstabsgetreuer Modelle per Post oder direkt nicht dazu führen darf, auf die elektronische Einreichung des Angebotes als Ganzes zu verzichten, da die Willenserklärung als solche ohne weiteres elektronisch übermittelt werden kann. Die Verordnungsbegründung führt hierzu aus:

„Absatz 2 setzt Artikel 22 Absatz 1 Unterabsatz 2 und 3 der Richtlinie 2014/24/EU um. Öffentliche Auftraggeber sind in bestimmten Fällen nicht verpflichtet, die Verwendung elektronischer Mittel zur Einreichung von Angeboten durch Unternehmen zu verlangen. Hierzu gehören Fälle, in denen spezielle Bürogeräte verwendet werden müssten, die öffentlichen Auftraggebern nicht generell zur Verfügung stehen. Davon sind beispielsweise Großformatdrucker oder so genannte Plotter umfasst. Ebenso gehören hierzu Fälle, in denen in den Vergabeunterlagen die Einreichung eines physischen oder maßstabsgetreuen Modells verlangt wird, das den öffentlichen Auftraggebern nicht auf elektronischem Weg übermittelt werden kann. Das physische oder maßstabsgetreue Modell kann dem öffentlichen Auftraggeber auf dem Post- oder auf einem anderen geeigneten Weg übermittelt werden. Die Verwendung anderer als elektronischer Mittel ist auf die Angebotsbestandteile beschränkt, für die die Verwendung elektronischer Mittel nicht verlangt wird. In diesen Fällen werden diese Angebotsbestandteile dem öffentlichen Auftraggeber per Post oder auf einem anderen geeigneten Weg oder in Kombination des postalischen mit einem anderen geeigneten Weg und mit elektronischen Mitteln übermittelt. Im Vergabevermerk müssen die öffentlichen Auftraggeber die Gründe angeben, aus denen Angebotsbestandteile oder Angebote mithilfe anderer als elektronischer Mittel eingereicht werden können.“

Die Verordnungsbegründung zu § 43 Abs. 2 SektVO ist identisch.

Ein weiterer Ausnahmetatbestand ergibt sich aus § 53 Abs. 4 VgV und § 44 Abs. 2 SektVO, wenn die Angebote besonders schutzwürdige Daten enthalten, die bei Verwendung allgemein verfügbarer oder gar alternativer elektronischer Mittel (s. auch Beitrag Teil II Kapitel IV) nicht angemessen geschützt werden können oder die Sicherheit der elektronischen Mittel nicht gewährleistet ist. Auch hier gilt, dass die Verwendung anderer als elektronischer Mittel auf die Angebotsbestandteile beschränkt bleiben muss, für die die Verwendung elektronischer Mittel nicht verlangt wird. Die Verordnungsbegründung führt hierzu aus:

„Absatz 4 setzt Artikel 22 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU um. In Ausnahmefällen können die öffentlichen Auftraggeber die Einreichung von Angeboten oder Angebotsbestandteilen mittels anderer als elektronischer Mittel verlangen. Ein Ausnahmefall liegt vor, sofern die Sicherheit der zu verwendenden elektronischen Mittel verletzt ist oder sofern es zum Schutz der besonderen Empfindlichkeit bestimmter Daten erforderlich ist, die ein so hohes Schutzniveau verlangen, dass dieses weder bei Verwendung elektronischer noch bei Verwendung alternativer elektronischer Mittel gewährleistet werden kann. Die Verwendung ausschließlich anderer als elektronischer Mittel ist auf die Angebotsbestandteile beschränkt, für die die Verwendung elektronischer Mittel nicht verlangt wird. Im Vergabevermerk müssen die öffentlichen Auftraggeber die Gründe angeben, aus denen Angebotsbestandteile oder Angebote mithilfe anderer als elektronischer Mittel eingereicht werden müssen.“

Die Verordnungsbegründung zu § 44 Abs. 2 SektVO ist ebenfalls identisch.

Bezüglich der KonzVgV gelten für den Verzicht auf die elektronische Kommunikation die gleichen Ausnahmetatbestände wie für den Verzicht von der elektronischen Bereitstellung der Vergabeunterlagen.10 Daher wird an auch dieser Stelle der Einfachheit halber auf die Ausführungen im Beitrag Teil III Kapitel 4 verwiesen.

5. Abweichende Anwendungsbereiche der Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation nach der SektVO und der KonVgV

Die Ausnahmen vom Grundsatz der elektronischen Kommunikation in Vergabeverfahren nach der SektVO beschränken sich – im Gegensatz zur VgV – nicht nur auf die Angebotsabgabe, sondern erstrecken sich zusätzlich auf die Teilnahmeanträge, Interessenbekundungen und Interessenbestätigungen. Auch die KonzVgV beschränkt den Anwendungsbereich nicht auf die Angebotsabgabe, sondern umfasst auch die Einreichung von Teilnahmeanträgen. Damit wird das gesamte Einreichungsverfahren im Vergabeprozess nach SektVO und KonzVgV abgedeckt. Auf den ersten Blick ist dies nicht nachvollziehbar, da der zugrundeliegende Artikel 40 Abs. 1 UAbs. 2 SRL ebenso wie Artikel 22 Abs. 1 UAbs. 2 VRL die Ausnahmen nur auf die Angebotsabgabe (Einreichung von Angeboten) beschränkt und die KonzVgV den Grundsatz der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren aus VgV und SektVO übernimmt. Hintergrund dürfte ein Übersetzungsfehler in der deutschsprachigen Richtlinie an dieser Stelle sein. Während die englischsprachige Version der beiden Richtlinien in den Artikeln 22 Abs. 1 UAbs. 2 VRL und 40 Abs. 1 UAbs. 2 SRL von „submission process“ spricht, was übersetzt nichts anderes als „Einreichungsverfahren“ bedeutet, wurde dies in den deutschsprachigen Richtlinien mit „Angeboten“ übersetzt und betrifft damit nur einen Teil des Einreichungsverfahrens. Dass es sich ganz offensichtlich um einen Übersetzungsfehler handelt, ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen im Zusammenhang mit den geregelten Ausnahmen von der elektronischen Kommunikation. Dort heißt es:

„Es sollte klargestellt werden, dass die Verpflichtung zur Verwendung elektronischer Mittel in allen Phasen des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge nicht angemessen wäre, wenn die Nutzung elektronischer Mittel besondere Instrumente oder Dateiformate erfordern würde, die nicht allgemein verfügbar sind, oder wenn die betreffende Kommunikation nur mit speziellen Bürogeräten bearbeitet werden könnte. Öffentliche Auftraggeber sollten daher nicht verpflichtet werden, in bestimmten Fällen die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel im Einreichungsverfahren zu verlangen; diese Fälle sollten erschöpfend aufgelistet werden.“11

Offensichtlich wurde dieser Übersetzungsfehler in der SektVO und der KonzVgV berücksichtigt, während er in der VgV unberücksichtigt geblieben ist. Ob und inwieweit diese widersprüchliche Regelung im Zuge des Verordnungsgebungsverfahrens noch eine Korrektur erfährt, bleibt abzuwarten.

Zum Autor

Michael Wankmüller

Dipl. Verwaltungswirt Michael Wankmüller war als Mitarbeiter des zuständigen Referates für nationales und europäisches Vergaberecht BMWi mit dem Rechtsrahmen der elektronischen Auftragsvergabe befasst. Zuletzt war er maßgeblich mit der Reform der VOL/A 2009 betraut. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst befasst sich Herr Wankmüller mit aktuellen Fragen des Vergaberechts bis heute in Form von Seminarleitungen, Kommentierungen und Beratungen.

Fussnoten

  1. Siehe auch § 43 Abs. 1 SektVO und § 28 Abs. 1 KonzVgV (analog)
  2. Die analogen Paragraphen zu § 10 VgV wären § 10 SektVO und § 8 KonzVgV
  3. Analog in § 64 SektVO. Für Konzessionsgeber gilt dieser Aufschub gem. § 34 KonzVgV einheitlich bis zum 18.10.2018
  4. §§ 16 EG Abs. 1 VOL/A, 13 EG Abs. 1 VOB/A, 8 Abs. 5 VOF
  5. Analog § 44 Abs. 1 SektVO, § 28 Abs. 3 KonzVgV
  6. Analog Verordnungsbegründung zu § 44 Abs. 1 SektVO. Die Verordnungsbegründung zu § 28 Abs. 3 KonzVgV verweist wegen Deckungsgleichheit der Bestimmungen auf die Begründung nach SektVO und VgV
  7. Artikel 22 Abs. 6 lit. b) und c) VRL, Artikel 40 Abs. 6 lit. b) und c) SRL
  8. Analog § 11 Abs. 2 SektVO, § 9 Abs. 2 KonzVgV
  9. Artikel 22 Abs. 1 UAbs. 2 VRL, Artikel 40 Abs. 1 UAbs. 2 SRL
  10. § 28 Abs. 2, § 17 As. 2 KonzVgV
  11. Erwägungsgründe 53 Satz 3 und 4 VRL, 64 Satz 3 und 4 SRL