Vergaberecht

Mit der Vergaberechtsreform und insbesondere den Auswirkungen auf die E-Vergabe haben wir uns im Rahmen verschiedener Beiträge in unserem Blog bereits befasst.

Ausgehend von den EU-Vergaberichtlinien über die Reform des GWB bis hin zu ersten Ideen zu den Regelungen in der Vergabeverordnung (VgV). Was aussteht, ist eine Analyse des aktuellen Standes der Entwürfe zu den „Vergabeverordnungen“ und ihrer Regelungen zur elektronischen Kommunikation.

In einem mehrteiligen Beitrag von Herr Michael Wankmüller befassen wir uns mit den anstehenden Änderungen auf Basis der Entwürfe. Im ersten Teil geht es um die Grundsätze der elektronischen Kommunikation. Die weiteren Teile werden sich mit den Ausnahmen zur elektronischen Kommunikation sowie mit den Anforderungen an die elektronischen Mittel befassen.

I. Einführung

Das Fundament für die große Vergaberechtsreform 2016 ist gelegt. Der Bundestag hat in der 2. und 3. Lesung am 17.12.2015 das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetz schon am 18.12.2015 zugestimmt. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist gesplittet: Die Verordnungsermächtigungen in den §§ 113 und 114 Abs. 2 S. 4 GWB-E treten am Tag nach der Verkündung in Kraft, die übrigen Vorschriften erst am 18.04.2016 (Ablauf der Umsetzungsfrist für die neuen EU-Vergaberichtlinien). Hintergrund ist, dass im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG die Ermächtigungsnormen im Gesetz vor den Verordnungen in Kraft treten müssen.

Gegenüber dem Regierungsentwurf vom 08.07.2015 wurden vom Bundestag nur wenige Änderungen vorgenommen. Unter anderem könnte für das Thema „E-Vergabe“ mit dem Fokus auf den Grundsatz der verpflichtenden elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren eine wichtige Änderung darin bestehen, dass die Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung in § 113 GWB-E um einen Parlamentsvorbehalt ergänzt wurde. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen nach Eingang der Rechtsverordnungen nicht mit ihnen befasst, werden die unveränderten Rechtsverordnungen dem Bundesrat zugeleitet. Hierdurch sichert sich der Bundestag auch Einfluss auf die Ausgestaltung der bereits mit den Bundesressorts abgestimmten „Vergabeverordnungen“, die in einer Mantelverordnung zur Modernisierung des Vergaberechts zusammengefasst sind.

Die Mantelverordnung umfasst 4 neue Rechtsverordnungen. Sie greifen die allgemeinen Regelungen des Gesetzentwurfs auf und ergänzen diese in zahlreichen Detailfragen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verordnungen:

  • Vergabeverordnung (VgV) in Artikel 1, in der die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber näher ausgestaltet wird (sog. „klassische Auftragsvergabe“). Der Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) sowie die Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) entfallen künftig.
  • Sektorenverordnung (SektVO) in Artikel 2, die für Vergaben von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung durch Sektorenauftraggeber Regelungen trifft.
  • Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) in Artikel 3, die als neu zu erlassende Rechtsverordnung erstmals umfassende Bestimmungen für Bau- und Dienstleistungskonzessionen enthält.
  • Vergabestatistikverordnung (VergStatVO) in Artikel 4, mit der erstmals eine Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen eingeführt wird.

Die Artikel 5 bis 7 enthalten Folgeänderungen in der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) sowie in anderen Rechtstexten und Bestimmungen zum Inkrafttreten/Außerkrafttreten.

Obwohl sich – wenn alles nach Plan läuft – durch den Parlamentsvorbehalt die finale Fassung der Rechtsverordnungen noch hineinziehen könnte, lohnt sich bereits jetzt schon ein Blick in die auf Ressortebene abgestimmten Verordnungsentwürfe. Insofern geben die nachfolgenden Ausführungen den gegenwärtig aktuellen Stand (14.01.2016) wieder und stehen ebenfalls unter Vorbehalt. Die Befassung im Bundeskabinett ist für den 20. Januar 2016 vorgesehen.

Wenn es sich auch gegenwärtig noch um Entwürfe handelt, wird wegen der besseren Lesbarkeit bei der Zitierung der Paragraphen auf den Zusatz „Entwurf“ verzichtet.

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II. Durchgängiger Grundsatz der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren in drei Vergabeverordnungen (VgV, SektVO, KonzVgV)

Mit Blick auf den Grundsatz der verpflichtenden elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren setzen die Artikel 1 und 2 der Mantelverordnung die EU-rechtlichen Vorgaben der Artikel 22 VRL und Artikel 40 SRL auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung gem. §§ § 97 Abs. 5, 113 Nr. 4 GWB für den Bau- Liefer- und Dienstleistungsbereich in deutsches Recht um. Obwohl nach der Richtlinie 2014/23/EU nicht ausdrücklich gefordert, übernimmt im Artikel 3 die KonzVgV im Sinne eines effizienten Verfahrensablaufs und einheitlicher Vorgaben in § 7 Abs. 1 den Grundsatz der elektronischen Kommunikation gem. Artikel 22 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 40 der Richtlinie 2014/25/EU.

Grundlage hierfür ist die in Artikel 29 Abs. 1 UAbs. 2 KVR angelegte Option der Mitgliedstaaten, über die nach dieser Richtlinie vorgegebene Verpflichtung zur elektronischen Bekanntmachung (Artikel 33) und zur elektronischen Verfügbarkeit der Konzessionsunterlagen (Artikel 34) hinauszugehen und die Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel für die Konzessionsvergabe verbindlich vorzuschreiben. Dabei stützte sich die Bundesregierung auf den Erwägungsgrund 74 der Richtlinie 2014/23/EU, der ausführt, dass elektronische Informations- und Kommunikationsmittel die Bekanntmachung von Konzessionen erheblich vereinfachen und Effizienz, Schnelligkeit und Transparenz der Vergabeverfahren gesteigert werden können. Auch die Zielsetzung des Unionsgesetzgebers, elektronische Informations- und Kommunikationsmittel zum Standard im Rahmen von Vergabeverfahren machen zu wollen, um die Möglichkeiten von Wirtschaftsteilnehmern zur Teilnahme an Vergabeverfahren im gesamten Binnenmarkt zu verbessern, war Anlass für das Ziehen dieser Option durch die Bundesregierung.[1]

III. Einheitlicher Ansatz des Grundsatzes der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren

Für die weitere Umsetzung der grundsätzlich verpflichtenden elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren wählt der Verordnungsgeber einen zentralen und einheitlichen Ansatz in allen drei Rechtsverordnungen. In den Abschnitten 1 der Verordnungen (Allgemeine Bestimmungen und Kommunikation) befasst sich der Unterabschnitt 2 ausschließlich mit der Kommunikation im Vergabeverfahren, wobei konsequenterweise nur auf die Kommunikation durch elektronische Mittel abgestellt wird. In diesem Zusammenhang werden die Grundsätze der elektronischen Kommunikation (§§ 9 VgV, SektVO, 7 KonzVgV), die Anforderungen an die verwendeten elektronischen Mittel (§§10 VgV, SektVO, 8 KonzVgV), die Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel im Vergabeverfahren (§§§ 11, VgV, SektVO, 9 KonzVgV) und der Einsatz alternativer elektronischer Mittel bei der Kommunikation (§§ 12 VgV, SektVO, 10 KonzVgV) geregelt. Darüber hinaus wird in §§ 13 VgV, SektVO, 11 KonzVgV die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats allgemeine Verwaltungsvorschriften über die zu verwendenden elektronischen Mittel sowie über die einzuhaltenden Standards zu erlassen. Obwohl aufgrund der Besonderheiten der Vergabe von Bauleistungen der Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) erhalten bleibt, bestimmt § 2 VgV, dass u.a. die in Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 geregelten Kommunikationsgrundsätze auch für die Vergabe von Bauleistungen Anwendung findet.

Die Ausnahmen vom Grundsatz der grundsätzlich verpflichtenden elektronischen Kommunikation werden aus systematischen Gründen nicht in diesem Abschnitt sondern im Zusammenhang mit der „Form und Übermittlung von Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessenbekundungen und Interessenbestätigungen“ geregelt. Damit weicht der Verordnungsgeber vom zentralen Ansatz der Richtlinien ab, die das Regel- Ausnahmeverhältnis zusammenhängend behandeln.

a) Grundsätze der Kommunikation

In den §§ 9 VgV, SektVO und 7 KonzVgV werden die Grundsätze der Kommunikation geregelt. Die Verordnungen wiederholen dabei den Tenor § 97 Abs. 5 GWB „Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden der öffentliche Auftraggeber und die Unternehmen grundsätzlich Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung“.[2] Damit wird die Wahlfreiheit der Kommunikationsmittel durch öffentliche Auftraggeber als ein Grundsatz der Informationsübermittlung nach den bisherigen Bestimmungen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) und der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) zugunsten einer grundsätzlichen Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation abgelöst.[3]

In Ergänzung zur gesetzlichen Formulierung wird der Begriff des „elektronischen Mittels“ definiert. Dabei geht es um „Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung“. Hierbei weicht der Verordnungsgeber von der Definition der Richtlinien ab, die unter elektronische Mittel lediglich die elektronischen Geräte definiert und die Programme im Zusammenhang mit den Anforderungen an die für die elektronische Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen sowie ihre technischen Merkmale thematisiert. Dies bedeutet eine Abweichung von der bisherigen Formulierung in den Vergabe- und Vertragsordnungen, die zwischen Netzen, Programmen und Geräten unterschied.[4] Die Zusammenfassung von Geräten und Programmen unter dem Begriff der elektronischen Mittel erscheint jedoch sinnvoll und praktikabel, da beides nicht ohne das andere die elektronische Datenübermittlung ermöglicht. Der damaligen Überlegung, dass auch die für die elektronische Übermittlung erforderlichen „Netze“ allgemein verfügbar sein müssen, wurde jetzt nicht mehr gefolgt. Zum damaligen Zeitpunkt der erst beginnenden Internetverbreitung wollte man durch diese Regelung einem – rückblickend vielleicht unbegründeten – Risiko begegnen, dass öffentliche Auftraggeber durch die Wahl nicht allgemein verfügbarer Netze (z.B. bestimme Funk- und Satellitennetze) Transparenz und Wettbewerb einschränken.

Die Verordnungsbegründung zu § 9 Abs. 1 VgV stellt klar, „dass die Pflicht, grundsätzlich nur elektronische Mittel zu verwenden, ausschließlich den Datenaustausch zwischen den öffentlichen Auftraggebern und den Unternehmen betrifft. Wie die öffentlichen Auftraggeber und die Unternehmen ihre internen Arbeitsanläufe gestalten, bleibt jeweils ihnen überlassen und wird nicht von der VgV geregelt. So können die öffentlichen Auftraggeber beispielsweise den Vergabevermerk in Papierform fertigen und die Unternehmen können beispielsweise ihre interne Kommunikation mündlich oder fernmündlich gestalten. Ebenso wenig ist von der Pflicht zur grundsätzlichen Verwendung elektronischer Mittel im Vergabeverfahren die Phase der Archivierung von Daten umfasst. Die öffentlichen Auftraggeber können zum Beispiel sämtliche in einem Vergabeverfahren angefallenen elektronischen Daten ausdrucken und entsprechend der einschlägigen Aufbewahrungsvorschriften in Papierform archivieren. Dasselbe gilt für Unternehmen.“ Diese im Verlauf der Verordnungsformulierung in die Begründung zusätzlich aufgenommene Klarstellung findet sich nicht in der Begründung zu § 9 Abs. 1 SektVO und § 7 Abs. 1 KonzVgV. Gleichwohl muss man diese Ausführungen auch auf die SektVO und die KonzVgV gelten lassen, da sie Ausfluss aus den Erwägungsgründen 52 VRL und 63 SRL sind. Die Erwägungsgründe grenzen die grundsätzlich verbindliche Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel ein und stellen damit klar, für welche Bereiche die Verpflichtung nicht gilt. Dabei handelt es sich um die Verarbeitung und Bewertung von Angeboten, die Verfahren nach Abschluss des Verfahrens (wie in der nationalen Umsetzung die Phase der Archivierung geschehen) und die interne Kommunikation des Auftraggebers. Allerdings musste der Verordnungsgeber dies auch für die Unternehmen klarstellen, da nicht nur öffentliche Auftraggeber, sondern auch die Unternehmen qua Gesetz Normadressaten sind und damit als Bewerber oder Bieter im Vergabeverfahren grundsätzlich elektronische Mittel verwenden müssen, wenn sie einen öffentlichen Auftrag oder eine Konzession erhalten wollen.[5] Die doppelte Normadressierung ist zwar in Vergabevorschriften unüblich, da diese sich als Verfahrensvorschrift im Vertragsanbahnungsprozess letztlich an die öffentlichen Auftraggeber richten, allerdings widerspricht dies nicht den Richtlinien. Letztendlich verpflichten die Richtlinien die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass die gesamte Kommunikation und der gesamte Informationsaustausch grundsätzlich unter Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel im Vergabeverfahren stattfinden müssen. Wie der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber dies gewährleistet, ist ihm im verfassungsmäßigen Rahmen selbst überlassen.

b) Unzulässigkeit mündlicher Kommunikation in wesentlichen Phasen des Vergabeverfahrens

Des Weiteren ist geregelt, dass die Kommunikation in einem Vergabeverfahren auch mündlich erfolgen kann, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessenbestätigungen oder die Angebote betrifft und wenn sie ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert wird. Die KonzVgV beschränkt dies auf Vergabeunterlagen, Teilnahmeanträge und Angebote, da sich die Interessenbestätigung aus der KVR nicht ergibt.[6] Es handelt sich hierbei um wesentliche Phasen des Vergabeverfahrens, die grundsätzlich Gegenstand der Kommunikation mit elektronischen Mitteln sein sollen und in den Erwägungsgründen mit „Einreichungsverfahren“ bezeichnet werden.[7] Die Verordnungsbegründungen übernehmen weitestgehend die Inhalte der mit dieser Regelung umgesetzten Artikel 22 Abs. 2 VRL und 40 Abs. 2 SRL. Wird der Inhalt mündlicher Kommunikation ausreichend dokumentiert, ist mündliche Kommunikation zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen mit Ausnahme der in Abs. 2 genannten Fälle zulässig. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass jede mündliche Kommunikation, die die Vergabeunterlagen, Teilnahmeanträge, Interessenbestätigungen oder Angebote betrifft unzulässig ist, auch wenn sie ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert werden könnte.

Als ob der Verordnungsgeber von der Strenge seiner eigenen Formulierung und der Vorgabe des europäischen Gesetzgebers überrascht worden wäre, erläutert er in der Verordnungsbegründung, dass „bei der Dokumentation der mündlichen Kommunikation mit Bietern, die einen Einfluss auf Inhalt und Bewertung von deren Angebot haben könnte, in besonderem Maße darauf zu achten ist, dass in hinreichendem Umfang und in geeigneter Weise dokumentiert wird“. Insofern wird über die Verordnungsbegründung verständlicherweise versucht, den Grad der Betroffenheit festzulegen, bis zu dem dennoch mündliche Kommunikation erlaubt sein soll. Warum mit dieser Argumentation nicht auch die Kommunikation in den übrigen Phasen betreffend die Vergabeunterlagen, Teilnahmeanträge und Interessenbestätigungen erfasst wurde, sondern nur die Angebotsphase, bleibt offen. Die Bestimmung der Richtlinienartikel, auf die sich die Verordnungsbegründung abstützt, gibt diese ausschließliche Fokussierung auf die Angebote jedenfalls nicht her, da der korrespondierende Satz 3 der Absätze 2 der Artikel 22 VRL und 40 SRL lediglich beispielhaft (durch die Formulierung „insbesondere“) auf diese besondere Dokumentationspflicht im Zusammenhang mit den Angeboten verweist, sie jedoch nicht darauf beschränkt. Danach wären auch die übrigen Phasen erfasst. Nach §§ 9 Abs. 2 VgV, SektVO, 7 Abs. 2 KonzVgV dürfte – jedenfalls streng genommen – jede mündliche Kommunikation über Vergabeunterlagen, Teilnahmeanträge und Interessenbestätigungen unzulässig sein, da mangels Bestimmung des Betroffenheitsgrads, bis zu dem mündliche Kommunikation erlaubt sein soll, sofort Betroffenheit vorliegen dürfte, über Angebote bis zu einem bestimmten einflussnehmenden Punkt jedoch mündlich kommuniziert (gesprochen) werden darf. Für die Praxis würde dies bedeuten, dass in den Fällen, in denen über ein vorliegendes Angebot gesprochen wird, dann auf elektronische Kommunikationsmittel zurückgegriffen werden muss, wenn das Besprochene Einfluss auf Inhalt und Bewertung des Angebotes haben könnte. Ob es zu dieser an sich üblichen Verwaltungspraxis einer Regelung bedurfte, die zudem wesentliche Bestandteile bzw. Phasen des Vergabeverfahrens unberücksichtigt lässt, bleibt dahingestellt.

c) Zulässigkeit einer Registrierung

Zu den weiteren Grundsätzen der Kommunikation gehören auch die neuen Bestimmungen über eine Registrierung.[8] Unter Registrierung versteht man das Recht des öffentlichen Auftraggebers, von jedem Unternehmen,

  • die Angabe einer eindeutigen Unternehmensbezeichnung sowie
  • eine (aktive) elektronische Adresse (E-Mail-Adresse)

zu verlangen. Die Verordnungsbegründung verweist in diesem Zusammenhang auf die Nutzung einer DE-Mail-Adresse, die von Unternehmen mit Sitz in Deutschland alternativ verlangt werden kann.

Angesichts der in Fachkreisen im Zuge der Richtlinienumsetzung teilweise hitzig geführten Diskussion über die künftige Zulässigkeit einer Registrierung als Voraussetzung für den Erhalt der Vergabeunterlagen, bestimmt die Regelung nunmehr erfrischend eindeutig, dass eine Registrierung für den Zugang zur Auftragsbekanntmachung und zu den Vergabeunterlagen der öffentliche Auftraggeber keine Registrierung verlangen darf, es sei denn, sie erfolgt freiwillig. Damit dürfte auch die in der Vergangenheit heftig diskutierte Frage im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) vom Tisch sein, ob eine nur wenige Minuten (nicht länger als 10 Minuten!?) umfassende Registrierungsphase als Voraussetzung für den Zugang zur Auftragsbekanntmachung und zu den Vergabeunterlagen überhaupt eine Beschränkung darstellt und von daher eigentlich zulässig sein dürfte.

Praktisch bedeutet dies, dass der öffentliche Auftraggeber von einem Unternehmen, das an einem Vergabeverfahren teilnehmen will (durch Abgabe eines Teilnahmeantrags, einer Interessenbekundung auf eine Vorinformation oder Angebots), eine Registrierung verlangen kann, sofern dem Unternehmen vorher die Möglichkeit geboten wurde, sich über den Auftragsgegenstand via Internet registrierungsfrei zu informieren, es sei denn, das Unternehmen lässt sich vorher freiwillig registrieren.

Hintergrund dieser Regelung ist die in allen drei Richtlinien enthaltene grundsätzliche Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber, ab dem Tag der Veröffentlichung einer Bekanntmachung oder dem Tag der Aufforderung zur Interessenbestätigung bzw. Angebotsaufforderung unentgeltlich einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang zu den Auftragsunterlagen anhand elektronischer Mittel anzubieten.[9] Die europarechtliche Vorgabe eines uneingeschränkten Zugangs verbietet somit eine vorherige Registrierung als Voraussetzung für die elektronische Verfügbarmachung der Auftragsunterlagen, da sie eine Beschränkung des Zugangs darstellen würde. Eine freiwillige, ohne an Bedingungen gebundene Registrierung vor Erhalt der Auftragsunterlagen wird vom Verordnungsgeber hingegen nicht als Beschränkung verstanden und bleibt demzufolge zulässig. Die eigentlichen Bestimmungen zur elektronischen Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen wurden an anderer Stelle in den Rechtsverordnungen umgesetzt.[10]

Der Verordnungsgeber sah sich im Ergebnis der öffentlichen Diskussion um die Frage einer zulässigen Registrierung offensichtlich veranlasst, in der Verordnungsbegründung klarstellende Hinweise aufzunehmen, warum eine Registrierung von Vorteil und in welchen Fällen eine Registrierung erforderlich ist.

Danach „dürfen die bei der Registrierung angegebenen Daten von den öffentlichen Auftraggebern ausschließlich dazu verwendet werden, Daten mithilfe elektronischer Mittel an die Unternehmen zu übermitteln. Außerdem können die öffentlichen Auftraggeber diese Angaben nutzen, um Unternehmen über Änderungen im Vergabeverfahren zu informieren oder um sie darauf aufmerksam zu machen, dass Fragen von Unternehmen zum Vergabeverfahren beantwortet wurden und auf welchem Wege von den Antworten Kenntnis erlangt werden kann. Dies gilt auch für jene Unternehmen, die bislang keinen Teilnahmeantrag eingereicht oder keine Interessensbestätigung beziehungsweise kein Angebot abgegeben haben.

Vorinformation, Auftragsbekanntmachung und Vergabeunterlagen müssen jedem Interessierten ohne Registrierung zugänglich sein. Für sämtliche sonstigen Aktivitäten im Rahmen eines Vergabeverfahrens, wie zum Beispiel für das Stellen einer Frage zum Verfahren, für das Einreichen eines Teilnahmeantrages oder für das Abgeben einer Interessensbestätigung oder eines Angebotes, dürfen die öffentlichen Auftraggeber von den Unternehmen verlangen, die für eine Registrierung erforderlichen Angaben zu machen.

Die öffentlichen Auftraggeber können Unternehmen ermöglichen, sich für den Zugang zu Vorinformation, Auftragsbekanntmachung und Vergabeunterlagen freiwillig zu registrieren. Eine freiwillige Registrierung bietet Unternehmen den Vorteil, dass sie automatisch über Änderungen an den Vergabeunterlagen oder über Antworten auf Fragen zum Vergabeverfahren informiert werden.

Unternehmen, die von der Möglichkeit der freiwilligen Registrierung keinen Gebrauch machen, müssen sich selbständig informieren, ob Vergabeunterlagen zwischenzeitlich geändert wurden oder ob die öffentlichen Auftraggeber Fragen zum Vergabeverfahren beantwortet haben. Unterlassen die Unternehmen dies, liegt das Risiko, einen Teilnahmeantrag, eine Interessensbestätigung oder ein Angebot auf der Grundlage veralteter Vergabeunterlagen erstellt zu haben und daher im weiteren Verlauf vom Verfahren ausgeschlossen zu werden, bei ihnen. Die öffentlichen Auftraggeber können die Unternehmen durch einen Hinweistext auf der von ihnen genutzten Vergabeplattform entsprechend informieren“.[11]

Die Verordnungsbegründung macht deutlich, dass in der Zeit zwischen (registrierungslosem) elektronischen Zugang zu den Vergabeunterlagen und der Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren eine Holschuld der Unternehmen besteht, sich um die Aktualität der Vergabeunterlagen selbst zu kümmern. Dies unterscheidet sich von der Bringschuld der öffentlichen Auftraggeber nach einer Registrierung, die insbesondere in den Verhandlungsverfahren durch eine eindeutige Unterrichtungspflicht über etwaige Änderungen der Leistungsbeschreibung, insbesondere der technischen Anforderungen oder anderer Bestandteile der Vergabeunterlagen, die nicht die Festlegung der Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien betreffen, eindeutig geregelt wurde (§ 17 Abs. 13). Weiterhin wird deutlich gemacht, dass der registrierungslose elektronische Zugang auch zu den Vorinformationen sichergestellt werden muss.

IV. Kein Grundsatz der elektronischen Kommunikation nach der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV)

Keine Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren soll es für die Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geben. Artikel 5 der Mantelverordnung, der die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) den Änderungen des GWB anpasst, lässt den maßgeblichen § 19, der die Wahlfreiheit der Kommunikationsmittel durch die Auftraggeber bestimmt, unberührt. Obwohl der in § 97 Abs. 5 GWB geregelte Grundsatz der elektronischen Kommunikation auch die Auftragsvergaben in diesem Sonderbereich betrifft, wird dieser Vorgabe von der VSVgV nicht aufgegriffen. Gesetzessystematisch ist dies zwar nicht konsequent, da die VSVgV den Grundsatz der „Wahlfreiheit“ der Kommunikationsmittel und nicht den der verpflichtenden elektronischen Kommunikation regelt, aus Sicht der Richtlinie 2009/81/EG hingegen schon. Die Richtlinie 2009/81/EG war von Anfang nicht Gegenstand des europäischen Reformpakets. Damit regelt der zugrundeliegende Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2009/81/EG über die Mitteilungsvorschriften eben nicht den Grundsatz der elektronischen Kommunikation im Vergabeverfahren wie die Artikel 22 VRL und 40 SRL, sondern die Wahlfreiheit der Kommunikationsmittel durch öffentliche Auftraggeber wie dies in den Vorgängerrichtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG angelegt war.

Fußnoten

[1] Begründung zu § 7 KonzVgV – Grundsätze der Kommunikation
[2] §§ 9 Abs. 1 VgV, SektVO, § 7 Abs. 1 KonzVgV
[3] §§ 13 Abs. 1 VOL/A-EG
[4] §§ 13 Abs. 2 und 3 VOL/A-EG, § 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VOB/A-EG, § 8 Abs. 2 u. Abs. 6 VOF
[5] §§ 97 Abs. 5 GWB, 9 Abs. 1 VgV, 9 Abs. 1 SektVO, 7 Abs. 1 KonzVgV
[6] §§ 9 Abs. 2 VgV, SektVO, 7 Abs. 2 KonzVgV
[7] Erwägungsgründe 53 Satz 4 VRL, 64 Satz 4 SRL (in der englischen Fassung der Richtlinien als „submission process“ bezeichnet)
[8] §§ 9 Abs. 3 VgV, SektVO, § 7 Abs. 3 KonzVgV
[9] Artikel 53 Abs. 1 VRL, Artikel 73 Abs. 1 SRL, Artikel 34 Abs. 1 KVR
[10] §§ 41 Abs. 1 VgV, SektVO, 16 Abs. 1 KonzVgV
[11] Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 3 VgV

Zum Autor

Michael Wankmüller
Dipl. Verwaltungswirt Michael Wankmüller war als Mitarbeiter des zuständigen Referates für nationales und europäisches Vergaberecht BMWi mit dem Rechtsrahmen der elektronischen Auftragsvergabe befasst. Zuletzt war er maßgeblich mit der Reform der VOL/A 2009 betraut. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst befasst sich Herr Wankmüller mit aktuellen Fragen des Vergaberechts bis heute in Form von Seminarleitungen, Kommentierungen und Beratungen.