Ausschluss elektronischer Angebote

Ein neuerer Beschluss der VK Südbayern (vom 21.05.2015 – Z3-3-3194-1-08-02/15) stellt klar, dass Angebote, die mit „ungültigen“, d.h. im konkreten Fall vom Anbieter zuvor gesperrten qualifizierten elektronischen Signaturen eingereicht wurden, zwingend auszuschließen sind.

Was zunächst einfach klingt, hat auch im Kontext der bisherigen Entscheidungen zu den Formerfordernissen rund um die Abgabe elektronischer Angebote Auswirkungen auf die Praxis. Mit dem vorliegenden Beitrag soll ein erster Überblick über die Fragestellungen im Kontext mit zwei weiteren einschlägigen Entscheidungen gegeben werden.

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Wer sich nicht durch die zum Teil auch signaturrechtlich ausdifferenzierten Aspekte des konkreten Beschlusses „kämpfen“ respektive durchlesen möchte, dem seien die Hinweise für die Praxis am Ende dieses Beitrags empfohlen.

I. Zum jüngsten Beschluss der VK Südbayern in Sachen Signatur

Wer sich die Beschlüsse der Vergabekammern rund um die elektronische Angebotsabgabe in den letzten drei Jahren angeschaut hat, könnte fast den Eindruck haben, als würde den beiden Vergabekammern in Bayern die Hauptaufgabe der Klärung vergaberechtlicher Fragen im Kontext der elektronischen Angebotsabgabe zufallen:

Im Jahr 2013 befasste sich die VK Südbayern (Beschluss v. 17.04.2013 – Z3-3-3194-1-07-03/13) mit der Frage, welche technischen „Prüfmethoden“ (Ketten- vs. Schalen- vs. Hybridmodell) bei einer in diesem konkreten Fall nur vermeintlich ungültigen fortgeschrittenen Signatur angelegt werden können bzw. müssen. Anfang diesen Jahres stellte die VK Nordbayern in einem Beschluss klar, dass bei Anforderung ausschließlich elektronischer Angebote, postalisch übermittelte auszuschließen sind (Beschluss vom 26.02.2015 (21.VK-3194-42/14), vgl. auch den entsprechenden Beitrag in unserem Blog. Mit dem Beschluss aus Sommer diesen Jahres steigt die VK Südbayern, wie bereits im Jahr 2013, wieder tief in signaturrechtliche aber auch technische Aspekte rund um die elektronische Signatur ein. Durch den vorgelegten Sachverhalt sowie durch die fundierte Betrachtung der Frage nach der Gültigkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur hat sie einen Beschluss gefasst, dessen grundsätzliche Erwägungen u.U. nicht nur die Frage zu vergaberechtlichen Formerfordernissen berühren, sondern sich zukünftig und generell auch auf allg. Fragen zu den Formvorgaben nach § 126a BGB sowie §371a ZPO erstrecken dürften.

II. Zum Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Brückenbauarbeiten (EU-weit) im Wege des Offenen Verfahrens nach VOB/A aus. Die Vergabeunterlagen wurden ausschließlich in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Landes unter www.vergabe.bayern.de zum „Download“ bereitgestellt. Gemäß Ziffer VI.3 der Bekanntmachung war für die Abgabe von Angeboten nur die elektronische Form mit fortgeschrittener oder qualifizierter Signatur vorgesehen oder schriftlich mit Mantelbogen. Frist für den Eingang der Angebote war der 20.01.2015, 9:30 Uhr.

Insgesamt gaben elf Bieter fristgerecht ihre Angebote ab, darunter auch die spätere Antragstellerin, mit dem laut Submissionsergebnis preislich niedrigsten Angebot.

Die Vergabestelle teilte der späteren Antragstellerin mit Schreiben vom 20.01.2015 (Absage nach § 19 EG Abs. 1 VOB/A) mit, dass ihr Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b VOB/A EG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A EG von der Wertung ausgeschlossen worden sei, da das Angebot nicht unterschrieben bzw. wie vorgegeben signiert sei. In der Erläuterung wurde ausgeführt, dass das Zertifikat (Signatur) der Antragstellerin seit 30.12.2014 gesperrt sei.

Was war passiert? Die nach § 3 Signaturgesetz (SigG) zuständige Bundesnetzagentur hatte zuvor gegenüber allen Anbietern von Signaturkarten mit dem Betriebssystem „Cardos 4.3b“ gemäß § 19 Abs. 4 SigG die Sperrung der Zertifikate bis zum Jahresende angeordnet, da diese Zertifikate nicht mehr dem aktuellen Stand der sicherheitstechnischen Anforderungen entsprachen. Hierüber wurde der betroffene Bieter durch den Herausgeber „seiner“ Signatur schriftlich im Oktober/November 2014 informiert unter Hinweis darauf, dass die Signatur nur noch bis zum 31.12.2014 genutzt werden könne. Zudem erhielt der Geschäftsführer des Bieters – wohl als Signaturinhaber – am 22.12.2014 eine neue Signaturkarte.

Dem Lieferschein der neuen Karte war eine Empfangsbestätigung beigefügt, die durch den Geschäftsführer als Inhaber der Signatur (natürlich persönlich) unterschrieben werden musste. In der Empfangsbestätigung sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Signaturkarte erst nach Freischaltung seitens des Herausgebers der Karte verwendet werden könne. Die Antragstellerin brachte im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vor, dass der Geschäftsführer urlaubsbedingt die Empfangsbestätigung allerdings erst am 15.01.2015 unterschreiben konnte.

Die Mitarbeiter verwendeten daher die alte und zwischenzeitlich gesperrte Signaturkarte im Rahmen der Angebotsabgabe.

Hiergegen wandte sich der Bieter/Antragsteller, im Ergebnis allerdings erfolglos.

Im Beschluss unberücksichtigt und unerwähnt blieb indes die Frage, inwieweit die hier wohl nicht höchstpersönliche Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur durch die Mitarbeiter des Bieters statt durch den Geschäftsführer verboten war, bzw. an diese die Folge der Unwirksamkeit der Urkunde/Unterschrift zu knüpfen gewesen wäre.

Mit Unterstützung von Stellungnahmen durch den Herausgeber der Signatur und später auch der Bundesnetzagentur wurde im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens festgestellt, dass eine gültige Signatur nicht vorlag. Für die im Wesentlichen signaturrechtlich geprägte rechtliche Herleitung und die Stellungnahme der Bundesnetzagentur sei an dieser Stelle auf die für „technische Laien“ gleichermaßen eingängigen wie allerdings auch ausführlichen Erläuterungen im Beschluss verwiesen (Beschluss VK Südbayern).

Möglicherweise auch vor dem Hintergrund, dass (immerhin) eine (vormals) gültige qualifizierte elektronische Signatur verwendet wurde, im Rahmen der Angebotsabgabe aber auch eine „bloße“ fortgeschrittene Signatur sowie alternativ ein schriftliches Angebot via Mantelbogenverfahren ausreichend gewesen wäre, befasste sich die Vergabekammer zudem mit der Frage, ob die qualifizierte elektronische Signatur nicht den Anforderungen der fortgeschrittenen Signatur genügt hätte und äußert hiergegen grundsätzliche Bedenken:

Aus denselben Gründen der Rechtssicherheit, die bei der Frage der Gültigkeit einer Signatur besondere Bedeutung haben, bestehen schon grundsätzliche Bedenken, ob eine vom Ersteller als qualifizierte digitale Signatur gem. § 2 Nr. 3 SigG gewollte, aber unwirksame Signatur in eine formwirksame fortgeschrittene digitale Signatur gem. § 2 Nr. 2 SigG umgedeutet werden kann. Die Vergabekammer Südbayern bleibt insofern bei ihrer Rechtsauffassung aus dem Beschluss vom 17.04.2013 – Az.: Z3-3-3194-1-07-03/13, dass für die Frage der Qualifikation einer digitalen Signatur entscheidend ist, mit welcher Art von Signatur das Angebot beim Antragsgegner eingegangen ist. Hier wurde die Signatur von der Prüfsoftware des Antragsgegners – zweifellos korrekt – als qualifizierte (wenn auch unwirksame) digitale Signatur erkannt.

Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen bestanden im konkreten Fall zudem erhebliche Zweifel, ob angesichts der Sperrung des Zertifikats aus sicherheitstechnischen Gründen dieses noch den Anforderungen an eine fortgeschrittene Signatur genügt hätte.

Dementsprechend eindeutig lesen sich denn auch die Leitsätze des Beschlusses:

  1. Die Sperrung gem. § 8 SigG bewirkt, dass die durch das qualifizierte Zertifikat bestätigte Zuordnung des öffentlichen Signaturprüfschlüssels zum Signaturschlüssel-Inhaber ab dem Sperrzeitpunkt nicht mehr gilt.
  2. Durch eine Sperrung des qualifizierten Anwender-Zertifikats, das auf der Signaturkarte des Benutzers hinterlegt ist, nach § 8 SigG wird nicht nur der Anscheinsbeweis des § 371a Abs. 1 S. 2 ZPO aufgehoben, sondern es kann nach der Eintragung des Sperrmerks nach § 7 Abs. 2 Satz 2 SigV keine qualifizierte digitale Signatur nach der Definition in § 2 Nr. 2 und Nr. 3 SigG mehr erstellt werden.
  3. Eine nach der Sperrung dennoch erfolgte Signatur genügt nicht den gesetzlichen Formanforderungen des § 126a BGB oder § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 VOB/A EG.
  4. Die Umdeutung einer unwirksamen qualifizierten digitalen Signatur gem. § 2 Nr. 3 SigG in eine formwirksame fortgeschrittene digitale Signatur gem. § 2 Nr. 2 SigG begegnet aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlichen Bedenken und scheidet jedenfalls dann aus, wenn nicht sicher gewährleistet ist, dass die Signatur gem. § 2 Nr. 2c) und d) SigG mit Mitteln erzeugt wurde, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter alleiniger Kontrolle halten kann und so mit den verbundenen Daten verknüpft ist, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann.
  5. Die Nachforderung einer digitalen Signatur gem. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A EG nach Abgabe eines mit einer ungültigen digitalen Signatur versehenen Angebots kommt nicht in Betracht.

III. Hinweise für die Praxis

Angesichts der primären Zielsetzung der Vergabestelle, sich im Schwerpunkt um eine wirtschaftliche Bedarfsdeckung zu kümmern, fällt es auch vor dem Hintergrund der vielfältigen anderen Herausforderungen im Rahmen von Vergabeverfahren (immer komplexeres Vergaberecht, Rechtszersplitterung durch landesspezifische Regelungen, Anforderungen nach Tariftreue, umweltbezogene Kriterien & Co.) schwer, als Vertreter eines E-Vergabe-Lösungsanbieters hinreichend einfache Empfehlungen zu geben. Einen Versuch ist es gleichwohl wert:

1. Auf die Gültigkeit der Signatur achten

Zunächst kann jedem Bieter nur empfohlen werden, auf die Gültigkeit der eingesetzten Signatur zu achten. Klarstellend wurde auch in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass der Signiervorgang und die Gültigkeit des Angebots in der Risikosphäre des Bieters liegen.

Umgekehrt könnte aus dem Beschluss für Vergabestellen eine grundsätzliche Prüfpflicht für die Gültigkeit der Signatur abgeleitet werden. Je nach eingesetzter E-Vergabeplattform bieten diese heute bei qualifizierten elektronischen Signaturen eine Prüfung und Validierung der eingegangenen Angebote bzw. Signaturen und umgekehrt auf Bieterseite eine entsprechende Unterstützung. Die (automatisierte) Prüfung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur (die allerdings nicht Gegenstand dieses Beschlusses war) scheint aus heutiger Sicht technisch wie organisatorisch kaum leistbar.

2. Weitergabe von Signaturen

Auch wenn bieterseitig – angesichts des Aufwands zur Beschaffung einer qualifizierten elektronischen Signatur einerseits und ggf. innerbetrieblicher Anforderungen andererseits – die Weitergabe einer Signatur an weitere Personen zur Angebotsabgabe (z.B. während des eigenen Urlaubs) verlockend scheint, so ist dies nicht nur nicht ratsam, sondern schlicht verboten und führt (wenn nachgewiesen) zur Ungültigkeit des Angebots, unabhängig von einem u.U. auch strafbewehrten Verstoß gegen Urkundendelikte. Qualifizierte und fortgeschrittene elektronische Signaturen nach Maßgabe des SigG werden „höchstpersönlich“ ausgestellt und dürfen auch nur entsprechend verwendet werden. Dies gilt natürlich auch, wenn vergabestellenintern eine qualifizierte elektronische Signatur zum Einsatz kommt.

3. Welche „Formen“ der Angebotsabgabe zulassen?

Die eingesetzte E-Vergabeplattform sollte die Möglichkeit vorsehen, dass je nach Vergabeverfahren die Vergabestelle darüber entscheiden kann, in welcher Form und mit welchem Signaturniveau Angebote zugelassen werden.

Während das sog. Mantelbogenverfahren als hybrides (bzw. im Kern schriftliches) Verfahren eine Reihe von Nachteilen aufweist (vgl. hierzu auch unseren Beitrag zum Mantelbogenverfahren), ist die Unterschrift auf dem Mantelbogen jedenfalls im Sinne der vergaberechtlichen Ausschlusskriterien wenigstens einfach „prüfbar“.

Eine Prüfpflicht angenommen, stellen insb. die fortgeschrittenen elektronischen Signaturen eine Herausforderungen dar. Die Prüfung der Gültigkeit einer bloßen fortgeschrittenen elektronischen Signatur ist technisch automatisiert nur eingeschränkt realisierbar. Die Herausforderungen der Prüfung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur belegt der Beschluss der VK Nordbayern aus 2013 eindrucksvoll, in dem im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens ein von der Vergabestelle als nicht gültig geprüftes Angebot über den Einsatz des „Kettenmodells“ (in Abgrenzung zum sog. Schalenmodell oder Hybridmodell) dann doch als gültig anerkannt wurde. Von einer Vergabestelle eine solche Prüfung im Rahmen eines Vergabeverfahrens nicht nur im Fall des Ausschlusses (wie in 2013 entschieden), sondern auch für vermeintlich gültige fortgeschrittene Signaturen zu verlangen, darf man schlicht als praxisfern bezeichnen. Letztlich stellt sich auch bei qualifizierten elektronischen Signaturen die Frage, ob die Vergabestelle nicht zunächst auf die Gültigkeit von Signaturen vertrauen darf. Hierfür spricht faktisch, dass die Vergabekammer selbst zwei Absätze in den Leitsätzen benötigt, um die „Gültigkeit“ und die Rechtsfolge des Ausschlusses rechtlich und technisch präzise zu beschreiben.

Aus Sicht der Vergabestelle stellt der Einsatz bzw. die Forderung nach einer qualifzierten elektronischen Signatur für elektronische Angebote auch im Hinblick auf eine Gültigkeitsprüfung noch die sicherste und am leichtesten zu überprüfende Form (neben dem Mantelbogenverfahren) dar.

IV. Ausblick – Besserung in Sicht?!

Nicht nur derjenige, der sich die Beschlüsse der Vergabekammern im Detail anschaut, erkennt, dass die Anwendung der elektronischen Signaturen unter strenger Lesart der aktuellen Beschlüsse in der Praxis für die Vergabestellen kaum leistbar ist – jedenfalls dann, wenn man einer „Prüfpflicht“ in jedem Fall nachkommen und auch fortgeschrittene elektronische Signaturen zulassen möchte. Der Wunsch nach einer solchen „Prüfung“ in allen Fällen dürfte in der Praxis dem aktuellen Versuch gleichkommen, ein „ILO-konform“ produziertes Handy oder Tablet zu beschaffen.

Falls, wie in den ersten vorläufigen Entwürfen zur VgV vorgesehen, die Zulässigkeit einer einfachen Signatur (Schriftform nach § 126b BGB) auch in der endgültigen Fassung zulässig werden wird, dürften sich sowohl der Signiervorgang für die Bieter als auch die Prüfung für die Vergabestellen deutlich vereinfachen.

Eine im Ansatz vergleichbare Entwicklung gab es bereits: So hat letztlich auch der Wegfall der Forderung nach einer rechtsverbindlichen Unterschrift, also die Unterzeichnung durch eine vertretungsberechtigte Person, (so noch in der VOL/A sowie VOB/A 2000 gefordert) in der Praxis eher zu einer Verfahrensvereinfachung geführt.

V. Weiterführende Links

Eine Besprechung zum Beschluss der VK Südbayern (Beschl. v. 21.05.2015 – Z3-3-3194-1-08-02/15) von Herrn RA Dr. Roderic Ortner im Vergabeblog finden Sie hier (Vergabeblog.de vom 02/08/2015, Nr. 23051).

Eine Besprechung zum Beschluss der VK Südbayern, Beschluss v. 17.04.2013 – Z3-3-3194-1-07-03/13) von Frau Dr. Valeska Pfarr im Vergabeblog finden Sie hier (Vergabeblog.de vom 03/07/2013, Nr. 16146).