Wertgrenzenerlass Mecklenburg-Vorpommern

Nachdem sich die Vergabekammer Südbayern für die Frage des „Angebotsausschlusses bei ungültiger Signatur“ bereits mit mathematischen Ketten- und Schalenmodellen rund um elektronische Angebote auseinandersetzen musste (Beschluss), hatte jüngst die Vergabekammer Nordbayern Gelegenheit, sich mit einer weniger technischen, dafür in der Praxis aber ebenfalls bedeutenden Frage rund um die elektronische Angebotsabgabe auseinanderzusetzen. Mit Beschluss vom 26.02.2015 (21.VK-3194-42/14) entschied sie: Wenn der Auftraggeber vorgibt, dass Angebote in elektronischer Form einzureichen sind, sind schriftliche Angebote auszuschließen.

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Auch wenn der Leitsatz insbesondere für die Vergabestellen, die bereits mit der E-Vergabe arbeiten, vielleicht etwas mehr Rechtssicherheit gibt, in der Sache aber auf wenig Neues hinweist, lohnt ein Blick in den Beschluss, in dem eine Reihe praxisrelevanter Punkte inzident angesprochen werden. Diese betreffen:

  • Die Verwendung bzw. Befüllung von Formblättern für eine elektronische Angebotsabgabe.
  • Ansätze dafür, was dem Bieter zur Abgabe elektronischer Angebote zumutbar ist und
  • eine Klarstellung, dass eine postalisch übermittelte CD-ROM mit Angebotsschreiben kein elektronisches Angebot darstellt.

Der Sachverhalt

Die bayerische Vergabestelle schrieb die Lieferung und Montage von Labormöbeln für den Neubau eines Laborgebäudes im Wege des Offenen Verfahrens aus.

In der Bekanntmachung zu dieser Ausschreibung wurde unter VI.3) Zusätzliche Angaben folgendes veröffentlicht:

Die Vergabeunterlagen werden ausschließlich in elektronischer Form auf der Vergabeplattform zum Download bereitgestellt. Die Angebote sind elektronisch mit fortgeschrittener oder qualifizierter Signatur oder schriftlich mit Mantelbogen abzugeben.

Beachten Sie hierzu die Festlegung zur Art der Abgabe des Angebotes im beiliegenden Aufforderungsschreiben zur Angebotsabgabe (Formblatt 211EU/L211EU, Nr. 7). Nach Ziff. 7 des Formblatts 211 EU „Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes“ können Angebote abgegeben werden:

[  ] schriftlich
[X] elektronisch mit fortgeschrittener Signatur
[X] elektronisch mit qualifizierter Signatur
[X] schriftlich mit Mantelbogenverfahren“

Ziff. 8 des Formblatts 211 EU zur Angebotsabgabe enthält zudem folgenden Hinweis:

… Bei schriftlicher Angebotsabgabe ist das beigefügte Angebotsschreiben zu unterzeichnen und zusammen mit den Anlagen in verschlossenem Umschlag bis zum vorgenannten Eröffnungs-/Einreichungstermin an folgende Anschrift zu senden oder dort abzugeben:

[X] siehe Briefkopf
[  ] Stelle:

Straße:
PLZ/Ort:

Der Umschlag ist außen sowohl bei Abgabe in schriftlicher Form, als bei Abgabe im Mantelbogenverfahren mit Namen (Firma) und Anschrift des Bieters und der Angabe „Angebot für …“

Maßnahmennummer:       Baumaßnahme:

…….                ……..

 Vergabenummer:         Leistung:

…….                Labormöbel

zu versehen, ggf. unter Verwendung eines bereit gestellten Kennzettels.

Bei Angebotsabgabe im Mantelbogenverfahren ist der unterschriebene Mantelbogen im verschlossenen Umschlag bis zum vorgenannten Termin an oben bezeichnete Stelle zu senden oder dort abzugeben sowie das Angebot zusammen mit den Anlagen bis zum Eröffnungs-/Einreichungstermin über die Vergabeplattform einzureichen.

Bei elektronischer Angebotsabgabe ist das Angebot wie vorgegeben digital zu signieren und zusammen mit den Anlagen bis zum Eröffnungs- /Einreichungstermin über die Vergabeplattform bei der Vergabestelle einzureichen.

Im Formblatt 212 EU „Bewerbungsbedingungen“ ist unter Angebot folgendes aufgestellt:

… 3.2 Für das Angebot sind die von der Vergabestelle vorgegebenen Vordrucke zu verwenden; das Angebot ist an der dafür vorgesehenen Stelle zu unterschreiben bzw. wie vorgegeben zu signieren. 

Zudem enthalten die Unterlagen weitere Erläuterungen:

Mantelbogenverfahren:

Unter dem Mantelbogenverfahren versteht man die elektronische Angebotsabgabe in Verbindung mit der Abgabe eines handschriftlich signierten Formulars.

Die Angebotsunterlagen werden, wie auch im vollelektronischen Verfahren, digital an die Vergabestelle übermittelt. Vor dem Versenden wird eine Prüfsumme, eine Art Kennziffer der Angebotsunterlagen, berechnet. Diese Prüfsumme wird in einem gesonderten Formular, dem Mantelbogen, festgehalten, ausgedruckt und vom Bieter unterschrieben an die Vergabestelle gesandt.

Die Vergabestelle prüft bei der Angebotsöffnung, ob die vom Bieter unterschriebene Prüfsumme mit der – nach dem gleichen mathematischen Verfahren erneut berechneten – Prüfsumme des entschlüsselten digitalen Angebotes übereinstimmt. Somit ist die korrekte Zuordnung eines elektronischen Angebotes zu einem bestimmten Bieter sichergestellt. (…)

An der Ausschreibung beteiligten sich drei Bieter. Zum Eröffnungstermin lagen ein Angebotsschreiben der Antragstellerin sowie eine CD-ROM vor. Ein Bieter gab sein Angebot im Wege des Mantelbogenverfahrens ab, der Dritte „unterzeichnete“ sein Angebot mit einer elektronischen Signatur und übermittelte dieses auch elektronisch. Die Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens hatte das kostengünstigste Angebot vorgelegt, allerdings hatte sie das Angebotsschreiben in Papierform und das Leistungsverzeichnis als „d84-Datei“ auf einer CD-ROM postalisch übermittelt.

Die Vergabestelle informierte die Antragstellerin u.a. mit Hinweis auf Punkt 7 des Formblatts 211 EU, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen werde, da es nicht den Bewerbungsbedingungen entspreche und nicht gemäß Vorgabe in der Aufforderung zur Angebotsabgabe elektronisch signiert war.

Hiergegen verwehrte sich die Antragstellerin:

Die Abgabe eines elektronischen Angebots über das Bietertool der verwendeten Vergabeplattform zur Angebotsabgabe sei ihr technisch nicht möglich gewesen, weil die von der Vergabestelle bereitgestellten Formulare entweder nicht beschrieben werden konnten oder bereits elektronisch ausgefüllte Teile nach dem Speichervorgang wieder gelöscht wurden. Die Angebotsdatei konnte zudem im Tool nicht hochgeladen werden. Soweit der Auftraggeber eine elektronische Abgabe von Angeboten fordere, müsse er die entsprechende Möglichkeit jederzeit funktionstüchtig zur Verfügung stellen. Da der Antragstellerin eine elektronische Abgabe ihres Angebotes nicht möglich war, habe sie aus diesem Grund ein schriftliches Angebot abgegeben. Später führte sie zudem aus, dass sie mehrfach versucht habe, die Hotline des Lösungsanbieters anzurufen. Aufgrund des kurz bevorstehenden Endes der Angebotsfrist habe sie sich wegen der Fehlermeldung und der Nichterreichbarkeit der Hotline zu einer Abgabe des elektronischen Angebotes auf CD-ROM, die dem zusätzlichen Angebot in Papierform beigelegt worden sei, entschlossen.

Zudem habe die Vergabestelle die schriftliche Abgabe des Angebotes nicht in transparenter Weise hinreichend ausgeschlossen. So sei in der Bekanntmachung unter Ziffer VI.3), im Informationsblatt der Obersten Baubehörde und unter Ziff. 7 des Formulars 211 EU angegeben, dass Angebote schriftlich mit Mantelbogen abgegeben werden können. Unter Ziffer 8 des Formblatts sei für die schriftliche Angebotsabgabe ein Kreuz bei „siehe Briefkopf“ gesetzt, sowie die Tabelle zur Beschriftung des Umschlags bei Abgabe in schriftlicher Form ausgefüllt. Im Formblatt 212 EU sei unter Ziffer 3.4 vorgegeben, dass „alle Eintragungen dokumentenecht sein müssen“. Durch diese Festlegungen in den Vergabeunterlagen werde den Bietern suggeriert, dass sie auch ein schriftliches Angebot abgeben könnten.

Die Argumente im Überblick:

  • Der Ausschluss postalisch übermittelter Angebote sei aus den Formblättern nicht hinreichend erkennbar.
  • Die vom Auftraggeber vorgegebene E-Vergabesoftware habe nicht funktioniert, was der Vergabestelle zuzurechnen sei (bei Fehlern aus der Sphäre des Auftraggebers könne ein Ausschluss von Bietern hierauf nicht gestützt werden (KG, Beschl. v. 21.11.2014 – Verg 22/13; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.08.2014 – 1 VK 33/14). Die Vergabestelle könne sich daher nicht auf den angegebenen Ausschlussgrund für das Angebot der Antragstellerin berufen.
  • Das vorgelegt Angebote (CD-ROM) entspreche zudem einem elektronischen Angebot.

Die Vergabekammer entschied, dass das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschlossen wurde, weil es der vom Auftraggeber vorgegebenen Form nicht entsprochen habe. Gibt der Auftraggeber vor, dass die Angebote in elektronischer Form einzureichen sind, sind schriftliche Angebote auszuschließen (Summa in juris PraxisKommentar Vergaberecht, Heiermann/Zeiss, 4. Aufl., Rdnr. 4 zu § 16 EG VOB/A).

Nach § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. b) VOB/A sind Angebote auszuschließen, die den Bestimmungen des § 13 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A nicht entsprechen. Hiernach legt der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Sie müssen unterzeichnet sein. Elektronisch übermittelte Angebote sind nach Wahl des Auftraggebers mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz und den Anforderungen des Auftraggebers oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen.

Das Angebot der Antragstellerin entspricht auch nicht der vorgegebenen Form. Es wurde weder elektronisch mit Signatur, noch schriftlich mit Mantelbogen eingereicht. Das Angebot entspricht auch nicht dem Mantelbogenverfahren, wonach der Mantelbogen mit dem Hashwert unterschrieben an die Vergabestelle schriftlich zu versenden ist, die Angebotsunterlagen allerdings digital an die Vergabestelle zu übermitteln sind.

Zudem habe es die Antragstellerin schuldhaft versäumt, ihre Probleme bei der elektronischen Übermittlung des Angebots bei der Vergabestelle anzuzeigen. Es ist der Antragstellerin zumutbar, mit dem entsprechenden Nachdruck auch bei der Vergabestelle vorstellig zu werden.

Es gebe auch keine sonstigen Gründe, die eine Abkehr vom Ausschluss rechtfertigen könnten. Entscheidend für den Ausschluss sei, dass das Angebot der Antragstellerin nicht in der vorgegebenen Form eingereicht wurde. An die festgelegte Form sei die Vergabestelle aus Gründen der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung aller Bieter gebunden. Nach § 97 Abs. 7 GWB hätten die Unternehmen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Innerhalb des Vergaberechts sei es nicht maßgeblich, ob die Vergabestelle oder die Antragstellerin für die Probleme verantwortlich ist. Diese Frage müsse ggf. in einem Verfahren vor einem Zivilgericht für die Geltendmachung eines Schadenersatzes zu klären.

An dieser Stelle greift das Urteil u.U. etwas kurz: Fraglich ist, ob eine E-Vergabeplattform nicht als „Empfangsbote“ des Auftraggebers angesehen werden muss. Wenn ja, erscheint jedenfalls prüfenswert, ob sich Vergabestellen etwaige Zugangshindernisse „ihrer“ Vergabeplattform nicht auch im Hinblick auf die (vergaberechtliche) Frage des rechtzeitigen Zugangs zurechnen lassen müssen.

Den vollständigen Text der Entscheidung der VK Nordbayern vom 26.02.2015 – 21.VK-3194-42/14 als PDF-Download finden Sie hier.