Auftragswert

Die Auswahl der Verfahrensart und zum Teil auch die Frage, welche internen Genehmigungen einzuholen oder Mitzeichnungen einzuhalten sind, ergeben sich maßgeblich aus der Höhe des Auftragswerts. Die Schätzung des richtigen Auftragswerts hat mithin nicht nur – aber auch – vielfältige vergaberechtliche Implikationen. Dr. Christian-David Wagner befasst sich mit der Frage, wie und unter Berücksichtigung welcher Aspekte der Auftragswert korrekt zu ermitteln ist.

Bedeutung des Auftragswertes

Bedeutung erlangt die korrekte Bestimmung des Auftragswerts in zweierlei Hinsicht. Zum einen aus haushaltsrechtlicher Sicht, um feststellen zu können, ob die notwendigen finanziellen Mittel überhaupt zur Verfügung stehen. Zum anderen ist die Wertermittlung ausschlaggebend dafür, ob ein nationales oder europaweites Vergabeverfahren durchzuführen ist. Überschreitet der Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert, so sind grundsätzlich die europäischen Vergabevorschriften zu beachten und es ist  europaweit auszuschreiben.

Wurde der Auftragswert ordnungsgemäß ermittelt, ist allein dieser für das weitere Vergabeverfahren maßgebend. Unerheblich und ohne rechtliche Konsequenz bleibt es daher, wenn später Angebote eingehen, deren Angebotspreise (ausnahmslos) unter bzw. über dem relevanten Schwellenwert liegen.

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Grundlagen der Schätzung

§ 3 VgV ist zentrale Norm zur konkreten Ermittlung des Auftragswertes.

Als Ausgangsregel gilt, den voraussichtlichen Wert des Auftrags (ohne Umsatzsteuer, § 2 Abs.1 VgV) aufgrund des größtmöglichen Auftragswertes, insbesondere unter Einbeziehung etwaiger Optionsrechte, zu schätzen. Die Vergabestelle hat bei der Schätzung aufgrund objektiver Kriterien eine realistische, seriöse und nachvollziehbare Prognose anzustellen (VK Bund, 12.5.200 – VK 2 20/03 – juris Rn.66). Konkret können dabei vergangene eigene Ausschreibungen und Aufträge, Ergebnisse aus Markterkundungen oder andere Recherchen herangezogen werden.

Maßgeblicher Zeitpunkt der Schätzung ist der Tag, an dem die Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe abgesendet oder das Vergabeverfahren auf andere Weise eingeleitet wird. Entscheidend hängt das Vorgehen der Auftragswertschätzung vom Ausschreibungsgegenstand ab. Im Einzelnen gilt hierzu wie folgt:

a) Liefer- und Dienstleistungsaufträge

Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen kann der Auftragswert auf zweierlei Weise geschätzt werden:

  1. Entweder auf Grundlage des tatsächlichen Gesamtwertes entsprechender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr (möglichst unter Berücksichtigung etwaiger Änderungen).
  2. Alternativ auf Basis des geschätzten Gesamtwertes aufeinander folgender Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate bzw. des Haushaltsjahres (sofern dieses länger ist als zwölf Monate) vergeben werden.

Wird kein Gesamtpreis angegeben, ist bei zeitlich begrenzten Aufträgen (bis zu 48 Monaten) der Gesamtwert der Laufzeit Berechnungsgrundlage. Berechnungsgrundlage für Aufträge mit unbestimmter Laufzeit, bzw. einer solchen von mehr als 48 Monaten, ist der 48-fache Monatswert.

b) Bauleistungen

Bei Bauleistungen sind alle für die Ausführung der Bauleistung erforderlichen, vom Auftraggeber beigestellten Lieferleistungen zum Auftragswert der Bauaufträge zu addieren. Lieferleistungen werden von § 1 Abs.2 Nr.1 VOB/A dahingehend konkretisiert, dass auftraggeberseits beigestellte Stoffe, Bauteile sowie Leistungen zu berücksichtigen sind.

c) Rahmenvereinbarungen

Der Auftragswert von Rahmenvereinbarungen wird auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwertes aller Einzelaufträge berechnet, die während deren Laufzeit geplant sind.

d) Lose

Soll der Auftrag in Lose unterteilt vergeben werden, ist der Wert aller Lose zusammen zu rechnen, um den Gesamtauftragswert zu ermitteln; gleich, ob es sich um Fach- oder Teillose handelt. Bei Lieferaufträgen gilt dies nur für Lose über gleichartige Lieferungen. Für freiberufliche Leistungen gilt diese Vorgehensweise entsprechend für Teilaufträge. Erreicht oder überschreitet der Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt europäisches Vergaberecht für die Vergabe eines jeden Loses.

Ausgenommen davon sind sog. Bagatelllose. Darunter sind Lose zu verstehen, deren geschätzter Wert bei Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen unter 80.000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt. Zusätzlich darf die Summe der Werte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigen. Dieses Kontingent an Losen kann mithin gleichwohl national ausgeschrieben werden und unterfällt nicht dem strengeren europäischen Vergaberecht.

Umgehungsverbot

Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Auftraggebers, ob und wie er die konkrete Beschaffung im Rahmen der rechtlichen Vorgaben ausgestaltet. Seine Entscheidungen diesbezüglich sind nur eingeschränkt überprüfbar. So kann er beispielsweise Aufträge separat oder aber als Lose eines Gesamtauftrags ausschreiben. Es ist ihm allerdings verwehrt, den Wert eines beabsichtigten Auftrags in der Absicht zu schätzen oder aufzuteilen, den Auftrag der Anwendung europäischen Vergaberechts zu entziehen.

Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn funktional zusammenhängende Leistungen als separate Aufträge vergeben werden sollen. Ob es sich um Lose eines Gesamtauftrages oder separate Aufträge handelt, bestimmt sich nach einer funktionalen Betrachtungsweise. Danach handelt es sich um einen Gesamtauftrag, wenn Leistungen in funktionaler, technischer, wirtschaftlicher Hinsicht einen einheitlichen Charakter aufweisen (vgl. EuGH v. 15.03.2012 – C-574/10; EuGH, v. 5.10.2000 – C-16/98). So sind beispielsweise einheitlich geplante und ausgeführte Gewerke, die wirtschaftlich und funktional aufeinander bezogen sind, als Lose eines einheitlichen Auftrages anzusehen (vgl. KG Berlin v. 13.05.2013 – Verg 10/12).

Dokumentation

Öffentliche Auftraggeber sind gut beraten, den Wert eines auszuschreibenden Auftrags sorgfältig zu ermitteln. Dieser Vorgang ist detailliert in der Vergabeakte zu dokumentieren. Dies gilt umso mehr, je näher der Wert am jeweiligen Schwellenwert liegt, um möglichen Rügen begegnen zu können.


Zum Autor

Dr. Wagner

Der Autor Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt insb. mit dem Schwerpunkt Vergaberecht. Seit 2010 ist er zudem Lehrbeauftragter für Beschaffungswesen und Vergaberecht an der Hochschule Harz im Bereich Verwaltungswissenschaften und führt seit einigen Jahren erfolgreich die Kanzlei Wagner Rechtsanwälte.

Herr Dr. Wagner betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.