
Klarstellend hat sich die Vergabekammer Baden-Württemberg mit Beschluss vom 13.11.2013 (1 VK 38/13) mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die Vollständigkeit eines Angebots befasst.
Kann hiernach der betroffene Bieter nicht beweisen, dass er ein vollständiges Angebot abgegeben hat und dass Anlagen infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fehlern fehlen (vorausgesetzt diese liegen eben nicht in seiner Verantwortungs- bzw. Risikosphäre, sondern in der des Auftraggebers) ist sein Angebot zwingend auszuschließen.
Bei Abgabe – vollständig, in der Angebotsöffnung – unvollständig
Im konkreten Fall ging es um die Ausschreibung einer Gebäudebewachung für eine Universität im Wege eines offenen Verfahrens. Maßgabe des Auftraggebers im Rahmen der Ausschreibung war u.a., dass alle Bieter mit den Angeboten Anlagen abgeben sollten, die die Kalkulation der Angebotspreise enthielten.
Die Vergabestelle teilte einem Bieter mit, dass auf Grundlage der von ihm eingereichten Unterlagen keine Wertung vorgenommen werden könne, da die entsprechenden Anlagen und somit die Kalkulation nicht eingereicht worden seien. Der Bieter rügte seine Nichtberücksichtigung und strengte ein Nachprüfungsverfahren an.
Im Nachprüfungsverfahren legten sowohl der Auftraggeber als auch der Bieter entsprechende eidesstattliche Versicherungen eigener Mitarbeiter vor. In diesen wurde bestätigt, dass das Angebot unvollständig bei der Universität eingegangen sei bzw. dass die übergebenen Unterlagen bieterseitig komplettiert und in eine Mappe eingeheftet (sowie mit einem Briefumschlag zur Versendung bereitgelegt) wurden, einschließlich der in Rede stehenden Anlagen.
Beweislast liegt beim Bieter – bei Unvollständigkeit sind Fehler in der Sphäre des Auftraggebers plausibel zu machen
Der Nachprüfungsantrag hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Die Vergabekammer hielt den Angebotsausschluss für rechtmäßig. Die Antragstellerin habe hiernach nicht den ihr zukommenden Beweis erbringen können, dass ihr Angebot vollständig war. Dies auch unabhängig davon, dass offen bleibt, wo und auf welchem Weg die Preisblätter der Antragstellerin, die Bestandteil des Angebots hätten sein sollen, abhanden gekommen sind.
Der Beschluss trifft ein deutliches Votum im Hinblick auf die Frage der Beweislast: Der Beweis, dass das Angebot der Antragstellerin vollständig bei der Antragsgegnerin eingegangen ist, sei – trotz eidesstattlicher Versicherungen – nicht erbracht worden. Dies gehe nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln zu Lasten der Antragstellerin. Entsprechende Angebote seien daher gemäß § 19 EG Abs. 3 a VOL/A zwingend auszuschließen. Eine Nachforderung gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A schied hier gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A 2009 aus, weil es sich hier nicht nur um Preisangaben für unwesentliche Einzelpositionen handelte.
Die Vergabekammer hält es für denkbar, dass die Unterlagen bei Prüfung durch die Angestellte des Bieters vollständig waren, dann aber nicht vollständig Eingang in die Angebotsmappe fanden. Hieran ändere auch die vorgelegte eidesstattliche Erklärung nichts. Denn es sei nicht eidesstattlich erklärt worden, dass die Mappe, welche anschließend in den vorbereiteten Briefumschlag kam, die vollständigen Unterlagen enthielt, sondern nur, dass die Ausschreibungsunterlagen vollständig waren, so die Kammer.
Für Vergabestellen stellt die Entscheidung eine weitere Klarstellung in Richtung Beweislast insbesondere bei sich vermeintlich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen dar. Für die Bieter bedeutet der Beschluss, dass der Vollständigkeitsprüfung (ggf. im Vier-Augenprinzip) vor Angebotsabgabe ein noch bedeutenderer Wert beigemessen werden sollte.
Und was heißt das für die E-Vergabe?
Für die E-Vergabe und für uns bedeutet der Beschluss vor allem eins: Bei Einsatz entsprechend geeigneter Lösungen für die Abgabe elektronischer Angebote wäre dieser Dissenz zwischen Vergabestelle und Bieter wohl so einfach aufklärbar gewesen, dass es der Entscheidung einer Vergabekammer zur Beweislast nicht bedurft hätte.
So dokumentieren die Bietertools bzw. E-Vergabeplattformen auf Basis der cosinex Technologie Vergabemarktplatz detailliert den Umfang mit den eingereichten Angeboten (einschließlich aller Anlagen) sowie den Umfang mit den Angeboten, die den Vergabestellen zugegangenen sind.
Fazit: Dieser Problembereich dürfte sich zumindest mit der Einführung der elektronischen Vergabe jedenfalls unter Einsatz der richtigen E-Vergabeplattform wie z.B. dem Deutschen Vergabeportal oder vergabe.NRW zukünftig nicht mehr stellen.