Transparency

Von Transparency International wurde Anfang Dezember der aktuelle „Corruption Perceptions Index“ veröffentlicht. Dieser untersucht 177 Länder und Territorien und misst den Grad an Korruptionswahrnehmung auf Grund diverser Expertenbefragungen insbesondere bei Politikern und Beamten.

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Zwar hat sich Deutschland gegenüber dem Vorjahr um einen Platz verbessert, gleichwohl fällt das Fazit aus Sicht von Transparency International für Deutschland nur bedingt positiv aus und lautet schlicht: Deutschland ist nicht im Spitzenfeld.

In diesem Ranking „wahrgenommener“ Korruption erreicht Deutschland auf einer Skala von 0 bis 100 zwar immerhin 78 Punkte, landet damit aber „nur“ auf Rang 12 des Index. Im europäischen Vergleich belegen die Länder Dänemark mit 91 Punkten sowie Finnland und Schweden mit je 89 Punkten die vordersten Plätze. International liegt außerdem Neuseeland (91 Punkte) neben Dänemark an der Spitze.

Forderungen von Transparency International

Im Fokus von Transparency International steht derzeit insbesondere das Thema Lobbyismus. Vor diesem Hintergrund wird eine Integritätsoffensive der Politik gefordert. Schwerpunkte sind hier:

  1. Einführung eines Lobbychecks und -registers,
  2. Regelungen zur Vermeidung von Drehtüreffekten und
  3. Maßnahmen zur besseren Regulierung der Parteienfinanzierung.

Ungeachtet vereinzelter Kritik am Ansatz der Erhebung von „gefühlter Korruption“ Grund genug, Herrn Dr. Christian Lantermann, Mitglied des Vorstands von Transparency International Deutschland e.V. und in dieser Funktion (mit)verantwortlich für die Arbeit der AG „Vergabe“, zu fragen, wie es aus seiner Sicht um das „Öffentliche Auftragswesen“ im Kontext der Korruptionsprävention steht?

cosinex: Sehr geehrter Herr Dr. Lantermann, wenn man sich die Presseerklärung von Transparency anschaut, scheint ein klarer Fokus auf dem Thema Lobbyismus zu liegen. Das Öffentliche Auftragswesen wird gar nicht erwähnt. Wie sehen Sie Deutschland hier?

Dr. Lantermann: Zunächst ist natürlich zu betonen, dass das Thema „Vergabe Öffentlicher Aufträge und Korruptionsprävention“ im Rahmen unserer Arbeit bei Transparency Deutschland nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung einen hohen Stellenwert genießt.

Im Rahmen der von Ihnen zitierten Pressemitteilung wurden vergaberechtliche Forderungen aufgrund der aktuellen Diskussionen in Deutschland nicht explizit aufgegriffen, obwohl Erfahrungen im Bereich „Vergabe und Korruptionsprävention“ auch bei der Erstellung des „Corruption Perception Index“ eine wichtige Rolle spielen. Wir widmen uns dem Thema bereits seit Jahren intensiv und haben hierzu u.a. ein Grundsatzpapier entwickelt und veröffentlicht.

Aber zurück zu Ihrer Frage: Aus unserer Sicht gibt es in Deutschland – auch wenn wir national sicherlich nicht schlecht aufgestellt sind – viele Verbesserungs- bzw. Optimierungsmöglichkeiten in Bezug auf Korruptionsprävention im Bereich des Vergaberechts. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhang die Etablierung eines bundesweiten Korruptionsregisters, die Rückkehr zu den „alten“ Wertgrenzen, die im Rahmen der Konjunkturpakete deutlich erhöht worden sind und teilweise in den Bundesländern noch fortgelten.

Diese erhöhten Wertgrenzen führen aus unserer Sicht zu einer Verdrängung des Offenen Verfahrens, welches aufgrund seiner Transparenz und größtmöglichen Wettbewerbsschaffung als besonders korruptionspräventiv zu bezeichnen ist. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass derzeit eine Tendenz auszumachen ist, Mechanismen, die zur Korruptionsprävention gedacht sind, zu umgehen oder gänzlich zu verdrängen. Diese Tendenz gilt es aus unserer Sicht abzustellen.

cosinex: Was meinen Sie konkret? Könnten Sie uns hierfür ein Beispiel geben?

Dr. Lantermann: Wenn Sie sich einzelne Vergabegesetze der Bundesländer anschauen – etwa Hessen –, so fällt auf, dass für kommunale Eigengesellschaften bzw. Anstalten des öffentlichen Rechts die vergaberechtlichen Regelungen im Unterschwellenbereich – dem eine große Bedeutung zukommt – nicht zur Anwendung kommen sollen. In Nordrhein-Westfalen ist dies auf Runderlassebene zusätzlich noch für kommunale Eigenbetriebe geregelt.

Hier stellt sich uns die Frage, warum dies so sein muss. Es besteht die Gefahr, dass Eigengesellschaften bzw. Eigenbetriebe zu dem Zweck gegründet werden, als zentrale Vergabestelle zu fungieren. Auf diesem Wege könnten die Öffentlichen Auftraggeber, die ihre Vergaben an die gegründete zentrale Vergabestelle auslagern, die Anwendung der vergaberechtlichen Regelungen im Unterschwellenbereich umgehen. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders und auch nicht im Sinne der Steuerzahler sein, die meiner Ansicht nach einen Anspruch darauf haben, dass die Steuergelder, die für die Öffentlichen Aufträge eingesetzt werden, effektiv und effizient verwendet werden. Das setzt aber einen hohen Grad an Wettbewerb und damit die Einhaltung vergaberechtlicher Mindeststandards voraus.

cosinex: An vielen Stellen wurden in den vergangenen Monaten Diskussionen laut, dass sich bund.de für deutsche Vergabestellen zu einem „nationalen TED“ entwickeln muss. D.h., dass alle Bekanntmachungen zu nationalen Vergaben dort findbar sowie frei und vollständig einsehbar sein müssten. Wie sehen Sie diese Forderung?

Dr. Lantermann: Das ist ein Punkt, den auch wir seit mehreren Jahren einfordern. Wir sind der Auffassung, dass es alleine aus Transparenzgründen notwendig ist, alle Bekanntmachungen an einer zentralen Stelle zu veröffentlichen, um auf diesem Wege die Suche nach potenziellen Aufträgen deutlich zu erleichtern. Dies würde nicht nur den Auftragnehmern nützen, sondern es würde zudem den Wettbewerb weiter fördern und damit ggf. noch wirtschaftlichere Beschaffungen ermöglichen.

cosinex: Mit den kommenden EU-Richtlinien steht absehbar auch die nächste Vergaberechtsreform „vor der Tür“. Was erwarten Sie im Hinblick auf das Thema „Korruptionsprävention“ von der nächsten Reform des Vergaberechts?

Dr. Lantermann: Ganz ehrlich gesagt erwarte ich, dass dem Thema Korruptionsprävention im Bereich des Vergaberechts wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Über das bereits angesprochene hinaus will ich die Forderung auch gerne weiter begründen: Die Europäische Kommission hat eine Studie zur „Identifizierung und Eindämmung der Korruption im Öffentlichen Auftragswesen in der EU“ in Auftrag gegeben und die Ergebnisse Ende 2013 veröffentlicht. Ziel war es, die durch Korruption entstehenden Mehrkosten bei der Öffentlichen Auftragsvergabe zu kalkulieren.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2010 in den 8 untersuchten Mitgliedsstaaten und in den 5 untersuchten Bereichen (Straßen- und Eisenbahnverkehr, Wasser & Abfall, Bau von Versorgungsleitungen, Fort- und Weiterbildung sowie Forschung & Entwicklung/Hightech/Medizinische Produkte) Budgetverluste in einer Größenordnung von 1,4 bis 2,2 Mrd. Euro zu verzeichnen waren.

Die am häufigsten registrierten Formen von Korruption waren hierbei Submissionsabsprachen und die Zahlung von Bestechungsgeldern. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass es im Bereich der Korruptionsprävention noch viel zu tun gibt und sollten Grund genug dafür sein, das Thema wieder nach oben auf die Agenda zu befördern.

cosinex: Sehr geehrter Herr Dr. Lantermann, vielen Dank für das Interview und Ihre Zeit. Für die Arbeit von Transparency International auch im neuen Jahr viel Erfolg.

Zum Autor

Dr. Lantermann

Dr.  Christian Lantermann (geb.1976) lebt in Köln. Nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum absolvierte er das 2. iur. Staatsexamen im November 2004 am Landgericht Essen. Anschließend befasste er sich im Rahmen seiner Dissertation mit dem „Vergaberegister“ in Nordrhein-Westfalen. Seinen beruflichen Werdegang startete er im Mai 2006 als Rechtsanwalt bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Bereich „Forensic Services“ und setzte ihn als Mitarbeiter der Abteilung „Recht und Vergabe“ der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH in Bonn ab 2007 fort. In dieser Funktion war er für europaweite Ausschreibungsverfahren zuständig und fungierte als Antikorruptionsbeauftragter. Derzeit ist er in der Versicherungswirtschaft im Bereich des Anti-Fraud-Managements tätig und absolvierte eine Zusatzausbildung zum „Certified Fraud Manager“ an der Frankfurt School of Finance & Management.